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Eine meisterhafte variationsmäßige Durchdringung und Bindung der einzelnen gegen sätzlichen Themen, aus dei' eine ungemein starke Einheitlichkeit der Stimmung er wächst, charakterisiert gleich den ersten Satz (Allegro non troppo). Entscheidend für den Aufbau des gesamten Werkes ist das aus drei Tönen (d - cis - d) bestehende An fangsmotiv, das in Violoncelli und Kontrabässen quasi wie ein Motto dem in den Hörnern einsetzenden Hauptthema vorausgeschickt wird und als Grundmotiv in zahl reichen Varianten und Ableitungen die Sinfonie durchzieht. In Hörnern und Holzblä sern erklingt das Hauptthema des Satzes wie ein Frage- und Antwortspiel; geheimnis volle Klänge der Posaunen und der Baßtuba folgen. Nach diesem wie eine selbständige Einleitung anmutenden Beginn tragen die Violinen eine weitgeschwungene, bereits abgeleitete Weise vor. Es verbreitet sich eine ausgelassene Fröhlichkeit, die jedoch durch das dunkel gefärbte, von den Violoncelli angestimmte zweite Thema wieder gedämpft wird. In der poesievollen Durchführung des Satzes, die durchaus große Steigerungen aufweist und ihren Höhepunkt in einem Fugato erreicht, dominieren das Grundmotiv, das Hauptthema und daraus abgeleitete Gedanken. Noch einmal erklingen die schönen Melodien des Satzes in der wieder von ungetrübter pastoraler Stimmung erfüllten Reprise. Ein wenig melancholisch, empfindungsschwerer gibt sich der folgende, in dreiteiliger Liedform angelegte Satz (Adagio ma non troppo). Sein Hauptthema bildet eine schwer mütige Cello-Kantilene in H-Dur, die dann von den Violinen auf genommen wird. Nach einer kurzen, vom Horn begonnenen fugierten Episode erfolgt ein Taktwechsel; der Mittelteil setzt mit einem für Brahms sehr charakteristischen synkopierten Thema der Holzbläser ein. Unruhige, erregte Klänge führen zu spannungsvollem musika lischen Geschehen. Doch mit der Wiederkehr des wehmütigen Cellothemas durch die Flöten in der freien Wiederholung des ersten Teiles beruhigt sich der Aufruhr wieder. In milder Resignation verklingt der Satz, dessen Hauptthema in der Coda, in Holz bläsern, Streichern und schließlich in der Klarinette zu gedämpften Trioienschlägen der Pauke zerbröckelt. Besonders beliebt wurde in kurzer Zeit der mit seiner gemütvollen Liebenswürdigkeit etwas an Schubert erinnernde dritte Satz (Allegretto grazioso). Durch die Holzbläser erklingt, von Pizzikato-Achteln der Celli begleitet, das anmutige, menuettartige G-Dur- Hauptthema mit seinen drolligen Vorschlägen auf dem dritten Viertel, das übrigens auch aus einer Ableitung des Grundmotivs der Sinfonie gewonnen wurde. Auch ein zweimal in verschiedener Form auf tretender, rasch vorbeihuschender Trioteil kann als Variierung des Hauptthemas erkannt werden. Aber trotz dieser kunstvoll verzahn ten, zum Teil leicht ungarisch gefärbten Thematik erscheint der sehr .wirkungsvoll instrumentierte Satz wie mit leichtester Hand hingezaubert. Unproblematisch gibt sich auch das jubelnd ausklingende, beschwingte Finale der Sinfonie, von dem der gefürchtete Wiener Musikkritiker Eduard Hanslick sagte: „Mo zarts Blut fließt in seinen Adern“. Nach dem ein wenig zurückhaltenden, geheimnis vollen Beginn — das Hauptthema huscht zunächst wie von Ferne ertönend in den Streichern vorbei, ehe es im Orchestertutti aufklingt — entfaltet sich kräftige Fröh lichkeit. Auch das sexten- und terzenselige, etwas ruhigere Zweite Thema stellen die Streicher (Violinen und Violen) vor. Diese beiden Hauptthemen, die sich in der Coda schließlich vereinigen, sowie das immer wieder benutzte Grundmotiv des Werkes und daraus abgeleitete Nebengedanken tragen das Geschehen des trotz einiger besinnlicher Wendungen kaum von Schatten berührten Finalsatzes, der das Werk in festlicher Freudigkeit beschließt. Dr. habil. Dieter Härtwig m/6/2' 355 1.35 KvGB 105/72/106