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2155 buchs, den Verwaltungsbeamten eine Instruction über ihr Verhalten gege- über solchem Zusammenwohnen zugehen zu lassen. — Am 6. Nov. starb in Frankfurt a. M. ganz unerwartet der österrei chische Hof- und Ministerialrath Frhr. Nell v. Nellenburg. Hamburg, 5. Nov. Der Weser-Zeitung wird geschrieben: Die De monstration der bürgerlichen Kollegien zu Gunsten der revidirten Neu nerverfassung erhielt mehr Nachdruck, größere Betheiligung als wir er wartet hatten; von den Oberalten konnte man solche freilich nicht erwarten. Ihnen ist denn auch die Eingabe weder vorgelegt, noch sind sie zur Unter zeichnung aufgefodert worden; die Ironie würde zu groß gewesen sein. Hin gegen haben circa 130 CoUegienmitglieder (und 180 gibt es im Ganzen) sich an der Eingabe betheiligt, welche durch fünf Deputate (aus jedem Kirch spiel einer) bereits am 1. Nov. dem präsidirenden Bürgermeister vr. Däm mert in das Haus gebracht wurde. Der Erfolg ist abzuwarlen. Rendsburg, 4. Nov. Nach hier eingcgangenen Privatnachrichten soll dieser Tage den bekanntlich in Dänemark seit länger in Untersuchung befindlichen Lieutenants Lund, Aschenfeldt und Friederichsen ihr Urtel publicirt worden sein. Dasselbe lautet so streng, daß die Hamburger Nachrichten Bedenken tragen, vor officieller Bestätigung darüber etwas in die Oeffentlichkeit zu bringen. Die genannten drei Herren befanden sich, wie man weiß, zur Zeit der Erhebung der Hcrzogthümcr als Offiziere der gesammtstaatlichen Armee in Kopenhagen; als geborene Schleswig-Holsteiner ward es ihnen indcß, wie Allen, die mit ihnen in gleicher Lage sich befanden, »erstattet, gegen Unterschreibung eines Reverses, nicht gegen Dänemark dienen zu wollen, nach ihrem Vaterlande sich zu begeben. Der ertheilten Zusage ge mäß trat Keiner von ihnen in die Armee; sie glaubten sich dagegen nicht verpflichtet, auch anderer Leistungen im Dienste der Herzogthümer sich zu enthalten, und ging demgemäß Lieutenant Lund im Auftrage der Negierung nach Lüttich (oder Suhl?) zur Empfangnahme der dort bestellten Spitzkugcl- büchsen, während die Lieutenants Aschenfeldt und Friederichsen auf dem Bu reau des Oberquartiermeisters Geerz fungirten. Nach Beendigung der Feind seligkeiten fand der damalige commandirende General, Gcnerallieutenant v. Bardenfleth, kein Bedenken, die genannten Herren wiederum als Offiziere in das Holstein-laucnburgische Contingent aufzunehmen, und gingen die selben später, als die Armee wieder gesammtstaatlich wurde, mit den hol steinischen Bataillonen, bei denen sie placirt waren, nach Dänemark. Dort angelangt wurden sie sofort arretirt und in Untersuchung gezogen, und hat denn leider der Proceß das obenerwähnte traurige Endresultat genommen. (Der kopenhagener Flyvcpost schreibt man von Hclsingör, daß nach beende ter Untersuchung gegen die genannten Offiziere nunmehr ein Kriegsgericht über dieselben niedcrgesetzt sei.) Altona, 5. Nov. Gestern Abend hat sich hier der bedauerliche Vor fall ereignet, daß eine beim Arbeitshause postirte Schild wache mit Stei nen geworfen wurde, infolge dessen der Commandant den Militärschildwachcn den Befehl erthcilt hat, bei etwa ferner vorfallenden Beleidigungen von ih- rer Feuerwaffe Gebrauch zu machen. (Hamb. C.) Wien, 6. Nov. Die neue Organisation der Regimenter, sowie die sämmtlicher Militärbildungsanstalten Oesterreichs ist mit dem 1. Nov. in Wirksamkeit getreten. Die unmittelbare Leitung der letztem führt das Armeeobercommando, bei welchem eine Section ausdrücklich mit den hierauf bezüglichen laufenden Geschäften betraut ist. Die Gesammtheit der Militärbildungsanstalten zählt zur Zeit 12 Unter- und 12 Obererzie hungshäuser, 4 Cadelteninstitute und 4 Militärakademien. Ferner gehören dahin das Militärlehrcrinstitut, das Central-Equitationsinstitut, die höhere Artillerie- und Genieschule und die zur höhern Ausbildung von 30 Offi zieren neu errichtete Kriegsschule. Die Vorträge an der letztem beginnen im Dccember. Der Cursus dauert zwei Jahre und werden die vorzüglich sten Schüler zu Obcrlieutenants befördert und dem Generalstabe zugetheilt. Die Lehrgcgenstände sind im ersten Jahre: Situationszeichnen, Taktik, Ge neralstabs- und Adjutantendiensi; im zweiten Jahre: Kriegs- und Friedens organisation der europäischen Heere; Militärgeographie und Strategie. Je der Aspirant muß entweder slawisch, ungarisch oder italienisch sprechen und geläufig schreiben können. Die Direction hat ein General oder ein Oberst des Generalstabs, welcher mit den die Vorträge übernehmenden Stabsoffi zieren zugleich das Prüfungscomite bildet. — Die wiener «Presse» schreibt: Das Beispiel seines Vorgängers Pius' VH., welcher sich bei der Krönung Napoleon's bequemte, diesen Act ganz gegen die Wünsche des gesammten Cardinalcollegiums zu vollziehen, möchte gegenwärtig kaum als maßgebend zu betrachten kommen, denn da mals war der römische Stuhl zu tief in den Banden verstrickt, in denen ihn die Staatskunst des französischen Cabincts gefangen hielt, als daß er es hätte wagen können, der mit dem Schwerte in der Faust gemachten An- foderung des Kaisers eine abschlägige Antwort zu geben. Wäre der Chef der Christenheit zu jener Zeit frei gewesen, so hätte er es niemals über sich gewonnen, allen Traditionen der römischen Curie zuwider die Stirn des siegreichen Feldherrn mit dem heiligen Oele zu netzen, solange ein er lauchter Nachkomme der Könige von Frankreich, dieser „ältesten Söhne der Kirche", in der Person des Verbannten von Warschau und Hartwell exi- fiirte, welchem diese Ehre, wir sprechen hier immer im römischen Sinne, allein und ausschließend gebührte. Es ist eine weltbekannte Thatsache, daß sich diese Ansicht nicht nur damals überall in Europa geltend machte, wo sie öffentlich zum Durchbruche kommen durfte, sondern auch daß Pius VII. seine Mitwirkung zur Krönung Napoleon's persönlich als eine schwere Dcmüthigung betrachtete, wie er denn im Jahre 1805, als man ihm bei der Mailänder Krönung eine ähnliche Nolle zumuthete, sich geradezu weigerte, diesem Ansinnen zu entsprechen. Späterhin aber, ungeachtet der französische General Miollis den Papst im Quirinal belagerte und ihm keine Art von Erniedrigungen ersparte, hatte sich Pius VII. schon so weit ermannt, daß er in einem diesfalls erlassenen Aktenstück gegenüber von allen europäischen Negierungen unumwunden erklärte: das französische Cabinet wolle ihn zwingen, die Salbung Joseph Vonaparte's zum Könige von Neapel vorzunehmcn, was er, ohne seiner Mission ungetreu zu wer den, zu thun nicht vermöge, da der rechtmäßige König Ferdinand sich noch am Leben befinde. Nach den angeführten Facten möchten wir beinahe ver- muthen, daß bei einer eventuellen Berathung des gegenwärtigen Heiligen Collegiums über die Frage, ob Pius IX. im nächsten Monat Mai seine Reise nach Paris antreten solle oder nicht, die zuletzt erwähnten energi schen Willensäußerungen Pius' VII. wahrscheinlich entscheidender in die Wagschale fallen dürften als eine Berufung auf dessen frühere Momente der Schwäche., ^Schweiz. Der Basler Zeitung wird vom Luganersee das Folgende geschrie ben : Während man sich in der Schweiz wetteifernd mit der Eisenbahnfrage beschäftigt, wird in Italien wieder eine Strecke Landes dem schweizeri schen Verkehr abgeschnitten, nämlich dadurch, daß die Herzogthümer Parma und Modena, vielleicht auch bald Toscana dem österreichischen Zoll gebiete einverlcibt werden. Es ist dies keine Kleinigkeit für die schweizeri sche Industrie, indem viele, namentlich Kattunfabriken, bisher ihren bcdeu- tendsten Absatz nach jenen Gegenden hatten, welche nicht nur durch ihren eigenen Verbrauch Interesse boten, sondern auch dadurch, daß ihre bisheri gen billigen Zölle gestatteten, eine Menge Waaren wieder nach ihren Nach barstaaten auszuführen. Einen merklichen Abbruch wird durch diese Ein verleibung auch der Transit erleiden, denn nicht unbedeutend war bisher die Spedition fremder Güter durch die Schweiz nach den italienischen Her- zogthümcrn. — Der Bischof von Chur hat sich „auf höhere Weisung" zur Be zeichnung eines Neligionslehrers für die Cantonsschule bereit erklärt; durch diese Erklärung hat nun auch die „Curie" zum ersten male die Cantonsschule als eine paritätische Anstalt ofsiciell anerkannt. Italien. Der Earl of Shaftesbury veröffentlicht in englischen Blättern einen Brief aus Florenz vom 26. Oct. von Lord Roden, dem Führer der pro testantischen Deputation an den Großherzog von Toscana. Bei unse rer Ankunft am 22. Oct., berichtet er, beschlossen wir ohne Vermittelung eines diplomatischen Agenten uns direct mit einem Schreiben an den Mi nister des Auswärtigen zu wenden, damit er uns eine Audienz bei dem Großherzog verschaffe; und in den zwei folgenden Tagen verbrachten wir viele Stunden in genauer Berathung Dessen, was wir sagen wollten, falls uns die Ehre einer Audienz zutheil würde. Wir nahmen uns vor, nur den persönlichen Fall der Madiai im Auge zu behalten und in unsere Ansprache nichts einflicßen zu lassen, was der Sache unserer Schützlinge schaden könnte. Gestern Abend erhielten wir vom Herzog v. Casigliano eine Antwort, welche zwar unsern unmittelbaren Wunsch (die Audienz) nicht erfüllt, aber doch hoffen läßt, „daß es die Absicht Sr. kaiserl. königl. Hoh. ist, die Madiai in nicht ferner Frist zu begnadigen". Wir glauben daher, es wäre unklug von uns, in diesem Augenblicke weitere Schritte zu thun, außer daß wir dem Herzog v. Cassaglione eine Abschrift der Adresse senden, mit der wir den Großherzog anredcn wollten. Doch wollen wir vor der Abreise noch den Versuch machen, ob wir die Erlaubniß erhallen, den beiden Gefangenen in Vollerra und Lucca einen Besuch abzustatten, um über ihre Lage und Bedürfnisse bei unserer Rückkehr in England ge naue Auskunft geben zu können.— Der Eindruck, den dieses Schreiben in England macht, ist kein günstiger. Die Deputation, sagt man, hat nichts ausgerichtet. Die Madiai werden vielleicht bei Gelegenheit einer partiellen Amnestie zugleich mit andern gemeinen oder politischen Verbrechern begna digt werden. Damit bleibt die Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit des über sie gefällten Urtels anerkannt und den nächsten florentinischen Bibelleser kann dieselbe Jnquisitionsjustiz treffen wie die Madiai. Das Antwortschreiben des Herzogs v. Casigliano lautetvoll- ständig: Mylord (an den Earl of Roden). Ihren vom 24. Oct. an mich gerichteten Brief, unter dessen Unterschriften Ihr Name obenan steht, habe ich meinem er lauchten Herrn vorgelegt. Sc. k. k. Hoh., in Würdigung der Schritte, die Sie in dieser Angelegenheit gethan haben, würde zuverlässig jedes politische Drängen zurückgewiescn haben, und auch die ehrenwerthen diplomatischen, an diesem Hofe accreditirten Agenten würden ein solches Drängen sorgfältig vermieden haben. Die Madiai (Mann und Frau), diese toscanischen Unterthancn, auf die sich Ihr Schreiben bezieht, sind durch die ordentlichen Gerichte zu fünf Jahren Gefängniß verurtheilt worden, -wegen des Verbrechens, den Protestantismus zu verbreiten, was durch unsere Gesetze als «in Angriff auf die Staatsreligion verboten ist. Ihre Strafe ist die Anwendung dieser Gesetze, und ihre Appellation zur Wider rufung des Urtels ist vom Cassationshofe zurückgewiesen worden. Sc. k. k. Hoh., sich die Ausübung dieser hohen Prärogative für solche Fälle und Gele genheit, die Hochdieselben für gemessen erachten, vorbchaltend, können keine Einmischung in einem Fall gestatten, der die Gerichtspflegc von Dero Staaten und Dero Acte gegen eigene Unterthancn betrifft. Mein erlauchter Herr erkennt die wohlwollenden Beweggründe Ihrer Handlungsweise, hält cs jedoch nicht für nothwcndig, irgend einer Vermittelung in dieser Sache sein Ohr zu leihen, und befiehlt mir, Sie, Mylord, zu benachrichtigen, daß er bedauert, Ihnen und den andern Herren , die den an mich adrcssirten Brief unterzeichnet haben, die erbe tene Audienz nicht bewilligen zu können. Ich bin re. Florenz, 25. Oct.