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2154 — Die National-Zeitung sagt: Wir haben im Ganzen 326 Wahlen berichtet, welche ein überwiegend „specifisch konservatives" Resultat ergeben, indem 161 derjenigen Partei angehören, welche auf die beabsichtigte Ver- faffungsrevision eingehcn dürften. Nur 77 Wahlen gehören den nach links gelegenen Fractioncn an; ferner sind 53 klerikale Wahlen vollzogen, von 35 endlich ist uns die politische Farbe nicht bekannt. Außerdem führen wir an, daß unter den 326 Wahlen 74 auf Negierungsbeamte und davon 44 auf Landräthe, 49 auf Juristen, 93 auf Gutsbesitzer und Landleute, 18 auf Kaufleute und Industrielle fielen. Ferner sind 26 Professoren und Geistliche gewählt, 66 Gewählte gehören verschiedenen Beschäftigungen an. Die Neue Preußische Zeitung sagt: Das Resultat der Wahlen zur II. Kammer liegt uns zwar noch nicht vollständig vor, doch läßt sich schon heute soviel übersehen, daß wir eine ganz neue Gruppirung derPar- teien zu gewärtigen haben und daß die jetzt zusammentretendc II. Kammer sich nach Charakter und Bedeutung von der abgclaufenen auf das wesent lichste unterscheiden wird. Was die Bildung der I. Kammer anlangt, so nimmt man ziemlich allgemein an, daß bei dem provisorischen Charakter derselben der König von dem ihm zustehenden Ernennungsrechte keinen Gebrauch machen werde. — Die Nedaction des Preußischen Wochenblatts veröffentlicht un° term 6. Nov. folgende Erklärung: „Die heutige Nummer unscrs Wochen blatts ist in Beschlag genommen worden. Wir erwarten ruhig die gericht liche Entscheidung. Wir lassen in einem besonder« Abdruck den Inhalt die ses Blattes mit Unterdrückung eines Artikels erscheinen. Dieser jetzt weg- gelassene Artikel enthielt, von einigen Worten der Entrüstung begleitet, wörtlich einen Abschnitt aus der nicht in Beschlag genommenen, kürzlich Erschienenen Schrift: «Briefe über Staatskunst», zur Bezeichnung des Gei stes dieser Schrift." — Aus Breslau vom 5. Nov. schreibt man der National-Zeitung: Man hört Manches über die Folgen der öffentlichen Abstimmung bei den letzten Wahlen, das jedoch nicht immer so offen hervortritt, wie in folgender „Nachricht an seine politischen Freunde", die Graf Zedlitz-Trützsch ler auf Schwenting in der heutigen Conservativcn Zeitung zu veröffentlichen für gut befunden hat: „Der Kaufmann I. Burghardt, welcher in dem ge strigen Wahltermine für Gräff und Wentzel gestimmt hat, ist der Besitzer des Gasthofes zur goldenen Gans." Dieser Gasthof wurde von der Ari stokratie bisher bevorzugt, auch ist zu bemerken, daß die HH. Gräff und Wentzel die oppositionellen Candidaten waren. — Die Breslauer Zeitung berichtet von folgendem entsetzlichen Er- eigniß: Wie gefährlich cs ist, Geisteskranken die Freiheit zu geben, mag folgender Vorfall beweisen. Das Weib des Hofewächters Rzesatz zu Schie- rakowitz bei Gleiwitz hatte voriges Jahr im August ihrem zwei Jahre alten Kinde den Kopf mit einer Axt abgehauen, worauf sie nach Gleiwitz ins Gcfängniß gebracht ward. Ihr Mann ging aus dem Dienste, kam nach Bitschinitz bei Kosel, woher er gebürtig war und wo er noch zwei Kinder hatte. Die Frau wurde ihm im April dieses Jahres nachgeschickt, ihr später von dem koseler Kreisgerichte ein Curator gegeben und dem Dorfgerichte auch die Beaufsichtigung anempfvhlrn. Am 4. Nov. ging der Mann nach Kosel zum Wochenmarkte; seine Schwester, welche die Beaufsichtigung des Hauses hatte, sah um die Mittagsstunde nach ihrem Vieh, und diese Zeit benutzte die Geisteskranke, indem sie sich eine kleine Axt verschaffte, mit welcher sic ihrem vier Jahre alten Jungen den Kopf abhieb. Als das sechs Jahre alte Mädchen während dessen in die Stube kam, packt die Mörderin auch dieses, wirft solches zur Erde und haut ihm ebenfalls den Kopf ab, sodaß derselbe nur vorn an der Haut noch hängen blieb. Der Kopf des Knaben war gänzlich vom Rumpfe getrennt. Nach geschehener That deckte das Weib ihre Opfer mit der Schürze zu. Sie ist der That geständig, erzählt, wie sic cs gemacht hat, und sagt: was sollen die Kinder hier zur Plage. Die Ucbelthäterin ist heute sofort an das koseler Kreisgcricht abgeliefcrt worden, — Man schreibt der Allgemeinen Zeitung von der Oder vom I.Nov.: Der Besuch einer von Jesuiten geleiteten Anstalt im Auslande ist für die katholischen Preußen an eine besondere Erlaubniß geknüpft; unter den ka tholischen Studirenden der Universität Breslau circulirt jetzt eine an den König zu richtende Adresse um die Uebertragung von Lehrstühlen der katholischen Theologie an Jesuiten. München, 5. Nov. Zwei beklagenswcrthe Vorfälle, schreibt die Neue Münchener Zeitung, die sich hier ereignet haben, bilden gegen wärtig das allgemeine Stadtgespräch. Am 2. Nov. fand nämlich in der Nähe von Schleißheim ein Pistolenduell zwischen einem jungen Baron v. Cö- ster und einem Rentier, Hrn. Conradi, Gutsbesitzer in Schwabing, statt; Ersterer wurde in die Weiche getroffen und ist gestern Nacht infolge der erhaltenen Wunde gestorben. Hr. Conradi soll sich infolge dessen von hier entfernt haben. Baron v. Cöster war ein äußerst liebenswürdiger junger Mann , und ging die Veranlassung zu dem so unglücklich abgclaufenen Duelle dem Vernehmen nach nicht von ihm aus. Er wird allgemein bedauert. Der zweite Vorfall betrifft die schwere Mishandlung des Privatiers Frhrn. Franz v. Kreusser, welcher vorgestern Abend bei Einbruch der Dämmerung am Kopse sehr schwer verletzt in der Schlcißheimer Straße im Straßen graben im bewußtlosen Zustande aufgefunden, und von da nach Hause ge bracht worden ist. Die mehrfachen Kopfwunden scheinen mit einem harten Instrument bcigebracht zu sein. Ein Raub liegt diesem schändlichen At tentate nicht zu Grunde, da der Beschädigte im Besitze aller seiner Habse ligkeiten geblieben war. Der Thätcr sowie die Motive seiner Frevelthat sind bisjctzt noch nicht ermittelt. — Die Augsburger Abendzeitung theilt mit, daß die Duellangcle- genheit zwischen zwei bekannten Adeligen fortwährend bei der Hähern ge- richtlichen Instanz anhängt, indem gegen den Urheber wegen Körperverletzung Untersuchung eingcleitet ward, der Hauptzeuge als Beschädigter aber seiner Beeidigung sich widersetzt, indem er sich als Mitschuldigen betrachtet wissen will. Wie man hört, huldigt die höhere Instanz einer gegeutheiligen Ansicht. — Es scheint, sckrcibt man dem Nürnberger Correspondenten aus Mün chen, daß wie in Preußen neuerdings auch in Baiern bezüglich der aus der Schweiz kommenden Handwerksburschen strengere Beaufsichtigung anbefohlen worden ist. Einigen solchen ist selbst die Reise durch Baiern untersagt und dieselben sind theils von hier, thcilS von den Grenzland- gericbtcn wieder über die Landesgrcnze verwiesen worden, nachdem zuvor eine Durchsuchung ihrer Effecten stattgefunden hatte. — Gestern Nachmittag wurde bei dem ehemaligen Herausgeber der Leuchtkugeln, Emil Roller, eine polizeiliche Haussuchung gehalten. Außer einigen Centnern alter Leuchtkugeln (Maculatur) soll die Polizei nichts Verdächtiges gefunden ha ben. Nach einer andern Correspondcnz hat die Haussuchung noch mehre Lite raten, wie cs scheine, auf auswärtige Requisition, betroffen, soll jedoch kein Ergebniß geliefert haben. — Die Speierer Zeitung vom 25. Sept, war wegen einer Züsam- menstcllung von „Lehren der Jesuiten" mit Beschlag belegt wordeN. Das frankcntbaler Bezirksgericht hat nun durch Rathskammerbeschluß das Verfah ren gegen den Redacteur eingestellt, dabei aber die Unterdrückung der mit Beschlag belegten Nummer verordnet. *Aus Franken, 4. Nov. Während nach Bamberg die heil. Väter der Gesellschaft Jesu aus der Ferne berufen wurden, um mit Predigten und Processionen die bairische Frömmigkeit zu erhöhen, ziehen aus der Pfalz die letzten Abtheilungcn Cavalerie durch Unterfranken, um ihr neues Stand quartier Augsburg zu besetzen. Gleichzeitig marschiren aber, von Böhmen kommend, die verschiedenen Abtheilungen des österreichischen Regiments Be nedek durch daS Land, um Rastatt zu besetzen. Also Bewegung überall. Vorher passirte der König Aschaffenburg und Würzburg, überall von Fest lichkeiten empfangen, doch leider bei trübem Wetter und ohne länger« Aufent halt in irgend einer Stadt. Vorzugsweise richtete der König Ansprachen an das Militär.In der Zollvereinsfrage schweigt hier Alles. Merk würdigerweise ist im größern Publicum jetzt die Hoffnung auf Erhaltung des Zollvereins wieder fester als früher. Frankenthal, 3. Nov., Heute ist das Urtel in dem bekannten Wu- cherprocesse gegen den Israeliten Wolf von Dürkheim gesprochen worden. Dasselbe umfaßt nicht weniger als 60 geschriebene Bogen und lautet dahin: daß Wolf 1) wegen Gewohnheitswuchers mit einem Ca pital von 68,000 Fl. zu einer Geldbuße von 30,000 Fl. und 2) wegen Prellerei zu einer Gefängnißstrafe von zwei Jahren und einer zweiten Geld buße von 50 Fr. verurthcilt worden ist, außerdem auf die Dauer von zehn Jahren der Ausübung aller bürgerlichen Rechte verlustig gehl und endlich sämmtliche Kosten des Proccsses tragen wird, die in Betracht der sechsmonatlichcn Voruntersuchung und der dabei stattgehabten Zeügcnver- höre, sowie der 500 Zeugen, welche bei den dreiwöchentlichen Verhandlun gen im Monat September abgchört wurden, sich gleichfalls auf eine enorme Summe belaufen müssen. (Mz. I.) Stuttgart, 3. Nov. Man schreibt dem Nürnberger Correspondenten: Schon seit einiger Zeit tauchen wiederholte Gerüchte von angeblich bevorste henden Aenderungen in den höchsten militärischen Chargen auf, sodaß man ihnen, wenn auch anfangs sie unbeachtet lassend, nachge rade einige Aufmerksamkeit zuzuwenden veranlaßt ist. Sollten diese Ge rüchte wahr sprechen, so würden die beiden Generallieutenants v. Spitzcm- berg, erster Adjutant des Königs, und Graf v. Sontheim, Gouverneur der Bundesfestung Ulm, pensivnirt werden, nachdem Ersterer 50 und Letz terer 47 Jahre im activcn Militärdienste gestanden. An die Stelle des Hrn. v. Spitzemberg als erster Adjutant des Königs soll der Divisionskom mandeur der Infanterie, Generallieutenant v. Baumbach, Gouverneur von Stuttgart, und an die des Grafen v. Sontheim als Fcstungsgouverneur von Ulm der jetzige Kriegsminister Gencrallieutenant v. Miller treten, Kriegs minister aber der Chef des Generalquarticrmcisicrstabs, Generalmajor v. Baur, werden, welcher schon unter dem Octoberministcrium KriegsdcpartementS- chef war. Darmstadt, 5. Nov. In der heutigen Sitzung der I. Kammer ward der Antrag des Prälaten Zimmermann wegen Einschreitens gegen die sogenannten wilden Ehen erörtert. Zuerst erhob sich der Kricgsminister Generalv. Schäffer- Bernstein als Mitglied der Kammer, um, davon ausgehend, daß Sittlichkeit auch die Federkraft des Kriegerstandes sei, darzulcgen, mit welcher Strenge das Kriegsministerium gegen die wilden Ehen in jeder Form derselben ein schreite, wenn die Individuen Soldaten oder Unteroffiziere seien (des Ofsi- zierstandeö wurde nicht gedacht). Dann nahm der Antragsteller das Wort, um, gestützt auf gesammelte statistische Notizen, denen zufolge die Zahl der wilden Ehen in viele Hunderte geht, seinen Antrag zu begründen und den Ausschuß zu widerlegen. Hiernach entwickelte sich eine ins Einzelne gehende Discussion, an welcher die Abgg. Kritzler, v. Lehmann, Engclbach, v. Grol- man, Ellenberger und Andere thcilnahmcn, hauptsächlich, um zu zeigen, daß cs sich von der Handhabung der bestehenden Gesche handle. Die Kammer beschloß die Annahme des Antrags des Ausschusses, die Staatsrcgierung zu ersuchen, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln zur Beseitigung der sogenannten wilden Ehen hinwirkcn zu lassen, und faßte den weitern Be schluß, einstweilen bis zur Emanirung eines allgcmemen Polizeistrasgesetz-