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ZUR EINFÜHRUNG Udo Zimmermann, zu den profiliertesten jungen Komponisten unserer Republik gehörend, stammt aus Dresden (Jahrgang 1943). Von 1953 bis 1961 war er Mitglied des Dresdner Kreuzchores. Nach dem Abitur studierte er von 1962 bis 1968 an der Musikhochschule „Carl Maria von Weber" in seiner Heimatstadt. Sein Kompositionslehrer war Prof. Johannes Paul Thilman. Dann ging er als Meisterschüler für Komposition zu Prof. Günter Kochan an die Deutsche Akademie der Künste zu Berlin (1968/70). Seitdem ist Udo Zimmer mann, mehrfacher Preisträger in nationalen Leistungsvergleichen, als Kompo nist und Entwicklungsdramaturg der Dresdner Staatstheater tätig. Mit den Opern „Die weiße Rose" (1967/68) und „Die zweite Entscheidung" (1969/70) empfahl sich Zimmermann nachdrücklich als begabter Opernkomponist. Die „Weiße Rose“, bisher an fünf DDR-Bühnen erfolgreich, auch für Funk und Fernsehen eingespielt, wird in der nächsten Spielzeit den Weg ins Ausland antreten. Die dritte Oper „Levins Mühle" nach Bobrowskis gleichnamigen Roman erlebt am 27. März 1973 an der Staatsoper Dresden ihre Uraufführung, wenige Tage darauf am Nationaltheater Weimar. Gegenwärtig arbeitet Udo Zimmermann an einer neuen Oper, „Schuhu oder die Fliegende Prinzessin“ nach einem Libretto von Peter Hacks. Neben den musikdramatischen Arbeiten entstanden auch eine ganze Reihe von Kammermusiken und Orchesterwerken, vielfach im Auftrag führender Klangkörper unserer Republik sowie des Rund funks. Genannt seien: Violinkonzert, Borchert-Orchestergesänge, Kontraste für Orchester, Barlach-Reflexionen für Kammerorchester, Sonetti amorosi, Musik iür Streicher. Zu dem 1970 im Auftrag von Radio DDR zu Ehren des 100. Geburts tages von W. I. Lenin geschaffenen Werk „L'homme" (Der Mensch) — Meditationen für Orchester nach Eugene G u i I I e v i c äußerte der Komponist: „In meinen bisherigen Instrumentalkompositionen findet sich immer wieder die Neigung zu bildhafter Assoziation, zu poetischer Umschreibung. Dabei waltet eine strenge Dramaturgie der musikalischen Mittel, das konstruktive Element in der Bauweise des kompositorischen Materials gewinnt stets ent scheidende Funktion. Doch erwächst die Konstruktion immer aus der Absicht zu verdeutlichen, Spannung und Lösung, Hell und Dunkel zu assoziieren, als etwas Theaterhaftes, Wirkungen zu erzeugen als Ergebnis einer sehr bestimmten Haltung. Gestische Klarheit und wundersame Poesie prägen die Sprache des französi schen Lyrikers Eugene Guillevic (geb. 1907), der 1943 in der Illegalität Mitglied der KPF wurde. Besonders faszinierend ist, wie er den Menschen in ungewohnter und neuer Weise an der ihn umgebenden Welt mißt, daß er in den Gegen ständen einen Partner, ein Gegenüber des Menschen entdeckt. Guillevic sucht den Dingen zu entreißen, was sie vom Menschen wissen. Eine Lyrik, die sich bekennt zum Menschen. Die Musik wird gefordert, eine poetische Haltung und gestische Klarheit zu interpretieren. Sie tut es auf die ihr eigene Weise, vor allem durch ein hohes Maß an Kantabilität. Dieselbe erscheint in sehr verschiedenen Ausdrucksformen, kammermusikalisch beginnend, über ariose Bildungen hin zu expressiver Kraft. Die eigenwillige Orchesteraufstellung entspricht der bewußt konstruktiven Anlage des gesamten Werkes, die aus kleinsten motivischen Gebilden immer neue Varianten sucht. Es ist eine homo phon wie polyphon gleichermaßen gearbeitete Musik, wobei vertikale Werte hervortreten, entsprechend der ganz auf melodische Substanz gerichteten Faktur des Stückes." Der Mensch Da stehst du, kleiner Mensch, auf zwei Beinen, und du gehst. Eine Kleinigkeit, sagen die Felsen und die Wälder, eine Kleinigkeit und zerbrechlich. Aber du sprichst. Und deine Stimme ist solcher Art, daß die Felsen verstummen und die sehr großen Wälder. Deine Stimme hat nicht ihresgleichen, und die Quelle hat Farbe gewechselt wie die Ebene. Du arbeitest die Dinge. Du stellst her, und du weißt, was du willst. Du machst es unter dem Blick der großen Wälder und des Gesteins, unter den Schlägen des Himmels. Ein Körper, der blutet und Fieber faßt. Ein Fleisch so weich wie alles von Schleim und das Bedürfnis einzuschlafen bei einem Fleische noch weicher. Du bist es, ohne Zuflucht und sprechend allein, wenn die Felsen stürzen und die Wasser, wenn dem Himmel antwortet der Vulkan, wenn die Vögel im Feuer sind, du bist es, der erscheint, du bist es, der weiß und befiehlt. Eugene Guillevic (Nachdichtung Paul Wiens) Der Name des zu seinen Lebzeiten hochgeehrten und vielgespielten Kompo nisten Max Bruch ist heute eigentlich nur noch durch ein einziges Werk in den Konzertsälen lebendig geblieben: durch sein 1. Violinkonzert g - M o I I o p. 2 6. Bruch, ein später Vertreter einer ganz vom Mendelssohn- schen Ideal herkommenden Kompositionsrichtung, blieb trotz der 82jährigen Dauer seines Lebens unberührt von den gewaltigen musikalischen Verände rungen im Laufe dieser Jahrzehnte. Romantische Klangschönheit und formale Klarheit waren das Ziel dieses Komponisten, der zwar nicht die Originalität einer