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1837 — Aus Pesth wird die Ankunft des Großfürsten Alexander von Ruß land, der Prinzen Friedrich und Wilhelm von Baden, des Herzogs von Parma, des Prinzen Albert von Sachsen, d.r Erzherzoge Sigismund und Leopold, sowie 50 österreichischer und mehr als 60 fremder Generale und Stabsoffiziere gemeldet. — Aus Triest vom 18. Sept, berichtet man der Allgemeinen Zeitung: Zn diesen Tagen wurde die hiesige Buchhandlung Schubert, welche sich mit dem Vertriebe verbotener Schriften befaßte, geschlossen und einer ihrer Angestellten eingezogen. Auf den Vorgefundenen Subscriptionslisten sollen sich die Namen von Männern befinden, denen cs bei ihrer gescUschast- sichen Stellung gewiß nur sehr unangenehm sein kann, sich mit einem Un ternehmen dieser Art in Verbindung gebracht zu sehen. Schweiz. Der Courrier suiffe berichtet aus Oron vom 17. Sept.: „Diesen Vor- mittag hat sich auf der Strecke von hier nach Promascns, im Canton Frei burg, ein Unglücksfall ereignet. Die Herzogin von Orleans begab sich mit ihren beiden Söhnen und Gefolge nach Bern; als sic zu Moudon ankam, hörte sie, daß die Brücke von Courtilles durch die Fluten weggeris sen sei, und mußte daher mit ihren beiden Wagen die Route über Nomont, Freiburg rc. einschlagen. Sie hatte Oron um Mittag pasfirt, als man da selbst einen der Wagen zurückkehren sah, der ihre beiden Söhne, ihre Eh- rendamen rc. enthielt, Alle durchnäßt und die Herzogin selbst verwundet, Ihr Wagen war nämlich durch die Ungeschicklichkeit ihres Kutschers, bei der Einfahrt in das Dorf Promasens, in einen großen mit Master gefüllten Graben geworfen und völlig überstürzt worden. Die Herzogin hat, sagt man, das Schlüsselbein gebrochen, während die Andern mit einigen Contusionen davonkamcn. Man beeilte sich sofort mehre Merzte hcrbeizuholen, die HH. Doctoren Mellet aus Oron, Guisan aus Mezieres und Pellis aus Lausanne." In einer Nachschrift berichtet der Courrier suisse vom 19. Sept, noch: „Die Herzogin von Orleans ist nach Lausanne zurückgekehrt, um dort die Hülfe zu erhalten, die ihr Zustand verlangt." Das Journal des De'bats enthält aus Lausanne vom 18. Sept, die Mittheilung, daß die herbeigerufenen Aerzte einen einfachen Bruch des rechten Schlüsselbeins constatirt haben. Die Nacht war gut und der Zustand der Prinzessin gab keinen Grund zur Be sorgniß. Die Prinzen sind nicht im geringsten verletzt. Italien. Die Königin von Neapel ist am 15. Sept, zu Caserta von einem Prinzen entbunden worden. Spanien. Madrid, 15. Sept. Der Verkauf der geistlichen Güter geht schr gut von statten.— In Catalonien ist wieder eine Falschmünzer bande entdeckt worden. Frankreich. * Paris, 20. Sept. Der Moniteur enthält wieder mehre Depeschen aus St.-Etienne und aus Lyon, die sämmtlich in überschwänglichen Aus drücken über die Reise des Präsidenten berichten. Die erste davon ist aus St.- Etienne vom 18. Sept., 5 Uhr Abends, datirt und lautet: „Die Reise des Prinzen ist ein Triumphmarsch. Es ist nicht blos die Sympathie des Volks für eine gute Negierung, es ist die Uebcrschwänglichkeit der Erkenntlichkeit und der Freude. Alle Dörfer sind mit Fahnen, Bannern, Devisen und Guir- landen geschmückt; von allen Seilen sieht man Triumphbogen, und Rufe: Es lebe der Kaiser! strömen aus jedem Munde. Alle Rufe, alle Devisen, alle Worte drücken die Hoffnung auf das Kaiserreich aus. Am Thore von St.-Etienne las man die Devise: Xvo, 6ao8ar Imperator. An einer Kohlengrube haben 5000 Arbeiter einen Triumphbogen von Steinkohlen er- richtet, auf dem man: Vivo I'emporvur! las. Es ist der allgemeine Ruf des Empfangs. Die Bevölkerung der Vorstadt war ebenso begeistert als die Minenarbeiter." Zweite Depesche: „St.-Etienne, 11 Uhr Abends. Der Prinz stieg, nach einer enthusiastischen Aufnahme auf dem Balle, auf den Platz des Stadthauses mitten unter die Bevölkerung herunter. Ein einziger Ruf, aber aus hunderttausend Kehlen, begrüßte ihn, der Ruf: Es lebe der Kaiser!" Die übrigen Depeschen vom 19. Sept, berichten, daß der Prä sident mehre Fabriken besuchte und einer Revue beiwohnte. Ueberall, na mentlich aber bei seiner Abreise nach Lyon, wurde er mit demselben En thusiasmus und mit demselben Rufe: Es lebe der Kaiser! begrüßt.— Aus Lyon, wo der Präsident am 19- Sept. 2'/- Uhr Nachmittags eintraf, erhalten wir außer der bereits gestern mitgetheiltcn noch nachstehende Depeschen: „Lyon, 5'/, Uhr. Eine halbe Stunde nach seiner Ankunft em- pfing der Prinz die Behörden und fuhr um 4^ Uhr nach dem crzbiscböf- lichen Palast, um dem Wettrudcrn auf der Saöne bcizuwohnen. Das Wet ter ist herrlich, von beiden Ufern ertönen die Rufe: Es lebe Napoleon! Es lebe der Kaiser! Dieselben Rufe begleiten den Prinzen bei seiner Rückfahrt nach der Präfectur." „Lyon, 19. Sept., 11 Uhr 43 Minuten Nachts. Der Prinz kehrt vom Balle zurück, den die Stadt ihm zu Ehren im Schau spielhause gegeben hat. Er wurde dort mit dem hundertfach wiederholten Rufe: Es lebe der Kaisex! empfangen. Ueberall zeigt sich auf seinem Wege derselbe Enthusiasmus. Es ist eine allgemeine Trunkenheit." „Lyon, 12 Uhr Nachts. Um 6 Uhr hat der Prinz den Cardinal, den Grafen della Marmora, außerordentlichen Gesandten des Königs von Sardinien, Hrn. Paleocapa, piemontesischen Minister der öffentlichen Arbeiten, und eine große Menge hoher Beamten bei sich zu Tische gehabt. Um 8 Uhr wurde ein großes einen vulkanischen Ausbruch darstellendes Feuerwerk auf Fourvieres abge brannt, nach dessen Erlöschen ein kolossaler hellleuchtcnder Stern in der Luft schweben blieb. Um 9'/, Uhr begab sich der Prinz inmitten einer dichten Menschenmassc, die ihn mit wiederholten Rufen: ES lebe der Kaiser! be grüßte, nach dem Balle deS großen Theaters, wo ihn «ine glänzende Ge sellschaft erwartete. Sc. Hoh. wurde mit den wärmsten Zurufen empfan gen und tanzte mit Frl. Bret, Tochter des Präfeclen; ihm gegenüber tanzte der Präfect mit der Frau deS Generals Maurice. Sc. Hoh. durchschritt hierauf die Räume dcs feenhaft geschmückten SaaleS. Um 11 Uhr verließ Se. Hoh. unter tausendfach wiederholten Rufen: ES lebe-Napoleon! Es lebe der Kaiser! den Saal und fuhr schrittweise unter den jubelnden Rufen der Menge nach der Präfectur. Ein vortreffliches Wetter begünstigte die Fest lichkeiten des Tages, die kein Zwischenfall störte." „Lyon, 20. Sept., 8 Uhr Morgens. Trotz des Ungeheuern Zuströmens von Fremden wurde die Ordnung nirgends gestört. Die große Militärrevue ist für 11 Uhr an- gesagt, hierauf folgt die Feierlichkeit der Einweihung der Statue des Kai sers Nqpolcon." „1/, Uhr Nachmittags. Die Revue und das Dcfilircn sind zu Ende. Ungeheurer Enthusiasmus der Truppen und der Bevölke rung. Nur Ein Ruf, nur Ein Wunsch: Es lebe der Kaiser!" — Der Neuen Preußischen Zeitung ist von einem Hrn. de B. aus Lyon folgender Brief auö Roanne vom 17. Sept, zugeschickt worden: „Hr. dePcrsigny ist wüthend: der Empfang des Präsidenten in seinerVa- terstadt war kühl, kühler als bisher an irgend einem Orte; die Bourgeoisie grollte, weil sie nicht reich genug mit Einladungen zu dem Feste bedacht und die Beamtenschaft überall vorgezogen worden war. Der ländliche En thusiasmus wollte nicht recht losgehen, eS gab Momente einer unheilverkün denden Stille. Der Präsident besuchtc die Kirche nicht, was allgemein er wartet wurde, das verdroß, und endlich ging er, dcn Hut auf dem Kopfe, an einer Gruppe von Damen vorüber. Man sagte ganz laut: Unsere al ten Könige, so stolz sie auch waren, vor den Damen nahmen sie dcn Hut ab! Sonst vertheilte der Präsident auch hier viele kleine Gold- und Sil- berschmucksachcn an Frauenzimmer; er muß einen ganzen Bijoutcricwaaren- laden mit sich führen. Einige Personen wurden wegen lauten Denkens an die Republik verhaftet. General Castellane war in Roanne, ich stand zu fällig in seiner Nähe, als er zu einem mir fremden Herrn sagte: Ootto clamo Iü-ba8 o'est ülaclams k., kommo Uu prooureur clo I» küpubliquk, clan8 c;u6lqu68 sour8 procursur impörial." — Der Moniteur bringt 64 neue Adressen von verschiedenen Ge meinden, welche dem Präsidenten bei seiner Reise überreicht wurden. Alle ohne Unterschied verlangen die Wiederherstellung dcs Kaiserreichs. Sie sind bereits sämmtlich an den Straßenecken von Paris angeschlagen. — Der Minister deS Innern hat in einem vertraulichen Circular die Prä- fecten getadelt, welche die Gemeinderäthe suspendirten, welche aus Oppositionscandidaten gebildet wurden, weil dies als eine Beschränkung des allgemeinen Stimmrechts angesehen werden kann. — Die lcgitimistische Gazette de France läßt ihren Unmuth über das Hereinbrechen des erblichen Kaiserreichs und über die auswärtigen Mächte, ja selbst über die Kosacken, die nicht kommen wollen, um es zu verhindern, in folgender Weise aus: „Wir haben cs vor 14 Tagen geschrieben und wir wiederholen es: das Kaiserreich, das erbliche Kaiserreich, wird von allen aus wärtigen Mächten anerkannt werden. Die Journale, die ihren Lesern das Gegcntheil einredcn wollen, haben Romane geschrieben. Will dies etwa sagen, daß die Mächte plötzlich vom Enthusiasmus für die Wiederherstellung des im Jahre 1814 zerstörten «Etablissements» ergriffen sind? Nein, sic folgen einem andern minder geistigen Gefühle. Sie haben Angst. Oesterreich fürchtet für Italien; Preußen für die Rheinprovinzen und für Posen; Rußland für Polen; England für Belgien; Belgien für sich selbst; Nea pel fürchtet sich vor dem Prinzen Murat rc. Die Furcht, die im Jahre 1848 alle Ereignisse im Innern dominirte, regelt sie jetzt im Auslande. Wir erinnern uns der Zeit, wo die Assemblee nationale Briefe aus Lon don veröffentlichte, die so viel Aufsehen machten und in Paris fabricirt wa ren, und worin cS immer hieß: «Seien Sie gewiß, mein Herr, daß die Ko- sackcn im Frühjahre kommen und Ihre Revolutionärs zurechtsetzen werden.« Man wird nun sehen, was hinter dieser Phantasmagorie steckte. Als die Familie Orleans im Jahre 1830 von dcn Mächten ihre Anerkennung vcr- langte und von ihnen erhielt, glaubte sie nicht, daß sie die Brücke schlage, über welche das Kaiserreich im Jahre 1852 einziehen soll. Sie wird nicht allein die Consequcnzen dieser Epoche tragen!" — Man schreibt der Allgemeinen Zeitung aus Paris vom 18. Sept.: Während der Präsident den Weihrauch der provinziellen Huldigungen von Hundcrltausenden, ja von Millionen empfängt und, welche Theile dcs Lan des er auch besuchen mag, sich des belohnenden, ermuthigcnden Zurufs einer Menge erfreut, die in ihm den Retter des Landes sieht, wird in Paris wie in dcn Departements, im Civil wie unter dem Militär eine Ludwig Bona parte im höchsten Grade feindliche Propaganda mit ungemeinem Ge schick, unermüdlichem Eifer und großer Verwegenheit in Gang gebracht. Schrif- ten, in denen der Freimuth bis zur Verunglimpfung geht, satirische Verse, ehren- rührige Geschichten sind, ohne daß cs die Polizei verhindern kann, in Umlauf, und man ersieht aus diesen Erzeugnissen, die von Hand zu Hand gehen, welch eine Flut von Ingrimm den Bau des 2. Dec. zu unterhöhlen sucht. Allenthalben mischt sich der Haß mit der Verachtung; wie bei dcn Bauern die Verehrung des Onkels in warmes Wohlwollen für den Neffen überging, so dehnt sich in jenen Kundgebungen der besiegten Parteien die Abneigung gc - gen den Ncffen auch auf dem Ohm aus, und in Versen, die man dem Sänger des 5. Mai, dem Dichter aller Napoleonischen Erinnerungen, mit Einem Wort, Beranger zuschreibt, wird der Adler von Austerlitz verhöhnt, und dem republi kanischen Hahn das tröstliche Lob gespendet, daß er sein Waterloo noch zu er-