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Freitag. Nr. 375. 24. September L8S2 Dle Zeitung erscheint mit Au-nahme deS Montag« täglich und wird Nachmittag« 4 Uhr au«» gegeben. Meei« für das Viertel jahr 1'/, Thlr.s jede ein» zeliie Nummer 2 Ngr. Deutsche Allgemeine Zeitung. »Wahrheit oud Recht, Freiheit »ab Seseh!» Zu beziehen durch alle Postämter de« In» und Auslande-, sowie durch die ttzpedition in Leipzig tQuerstraße Nr. 8). A«sertton»g«bühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Die ZollvereinSconferenzcn in Berlin. Das Dresdner Journal meldet aus München vom 20. Sept, über die Resultate der dortigen Zollconfcrenz: „Bei der hier stattfindendcn Confe- renz von Bevollmächtigten der durch die Darmstädter Uebercinkunft verbün deten Regierungen ist, wie wir hören, die erwünschte Einigung der Bethei ligten vollständig erzielt worden und werden die Verhandlungen noch heute geschlossen werden. Morgen beabsichtigen sämmtliche Mitglieder der Ver sammlung München zu verlassen. Eine angemessene Gegenerklärung auf die preußische Erklärung vom 30. Aug. ist verabredet worden und dürfte in allernächster Zeit übergeben werden. Die während der hiesigen Konfe renz hier eingegangene Nachricht von einem vermeintlichen Abbruche der Ver handlungen preußischerseils hat, wie ich aus guter Quelle vernehme, daS Zustandekommen einer Einigung der noch verschiedenen Ansichten nur ge fördert und die betheiligtcn Regierungen veranlaßt, mit um so größerer Mä- ßigung und Ruhe ihre gerechten Ansprüche geltend zu machen, je weniger «in gleiches Verfahren andererseits beobachtet werden sollte." — Der Allgemeinen Zeitung wird aus München vom 21. Sept, ge schrieben: Die Zollconferenz hielt gestern ihre Schlußsitzung. Leider konnte der Ministerpräsident v. d. Pfordten derselben wegen Unwohlseins nicht mehr anwohnen, und ist in vergangener Nacht noch mehr erkrankt. X Berlin, 22. Sept. Im heutigen Ministerrathe wurde unter andern Gegenständen auch das weitere Verhalten der Negierung in der Zollfrage behandelt; es sind in dieser Beziehung zwar einige Anträge gestellt, doch keine Beschlüsse gefaßt, da ein weiteres Vorgehen vorerst auch nicht im Bereich der Möglichkeit liegt. Denn auf der einen Seite läßt die Coalition noch nichts Officielles von sich hören, auf der andern Seite weiß man hier schon mit Bestimmtheit, daß Hannover sich jeder Aeuße- rung über den von Preußen am 17. Sept, gestellten Antrag, der doch am Ende nichts Anderes als das Eingehen auf Separatverhandlungen bezweckt, so lange enthalten wird, bis die Erklärung der Coalition ein gelaufen ist. Aus diesem Grunde sind weitere Konferenzen mit den An hängern Preußens vorerst nicht zu erwarten; auch von Seiten der an dern Staaten ist eine Zustimmung zu den ferner« Verhandlungen noch nicht erfolgt.— Die ministerielle «Zeit» bringt heute einen heftigen Leit artikel gegen die Krcuzzeitung, worin sie dieser absichtliche Entstellung der preußischen Erklärung vom 17. Sept, vorwirft, da Preußen durchaus nicht die Absicht habe, die Coalition von der Conferenz ausxuschließen. Der Artikel ist sehr versöhnlich gegen die Coalition gehalten und soll den Effect der Krcuzzeitung paralysiren, welcher eine ganze Summe von Verbrechen vorgeworfcn wird. — Die ministerielle Oesterreichische Korrespondenz vom 21. Sept, enthält folgenden sehr gereizten Artikel, der von ihrer Auffassung der preu ßischen Erklärung vom 17. Sept, zeugt: „Wir sind gewiß nicht die Einzi- gen in Europa, die mit einiger Ueberraschung die Kunde vernahmen, Preu ßen habe, ohne die Antwort der eben in München vertretenen deutschen Staa ten abzuwarten, die Zollconferenzcn in Berlin ausschlicßend mit den Theil- nehmcrn des Septembervertrags wieder eröffnet. Viele mögen sich gefragt haben: ist dies der Schluß der alten Komödie oder ist es der Anfang einer neuen? Wir gestehen aufrichtig, wir hätten uns den letzten Act, die Lö sung, anders gedacht. Wir hätten erwartet, Preußen werde, wenn es schon so übel berathcn ist, den Bruch hcrbeizuführen, wenigstens den Muth zu seinen Entschlüssen haben, und diesen Bruch unter Darlegung der dazu trei benden Gründe den übrigen Staaten in bestimmter und unzweideutiger Weise eröffnen. Es wäre etwas Würde in einem solchen Vorgänge gelegen, denn auch unter Jrrthümern und auf solchen Wegen läßt sich einige Würde be- haupten. So aber zieht cs Preußen vor, den Deutschen ein neues Näthscl aufzugeben und über die Lösung und Bedeutung desselben die Frage offen zu lassen. Rechnet man auf den unheimlichen und beängstigenden Eindruck, Ler eben in der Unbestimmtheit liegt, womit Uebel und Strafen, die da kommen sollen, in undeutlichen, gespensterartigen Umrissen gezeigt werden? Dieser Effect, wenn er in der Absicht lag, ist dem Cabincte durch die hef tiger« Parteien in Berlin bereits vereitelt; denn die Kreuzzcirung verkündet Lie Lösung des Räthscls so laut, so pausbackig, daß Niemand cs überhören kann. «Abgebrochen», ruft sie, «abgebrochen», wie sehr auch alle besonne nen Preußen darüber erschrecken oder dagegen depreciren mögen. Der Vor wand zu«, Bruche ist offenbar nicht glücklich gewählt. Der Abbruch der Verhandlungen erfolgt wegen Nichteinhaltung eines von Preußen einseitig festgesetzten Termins. Bei einer Frage, die den Wohlstand Preußens ebenso nahe berührt wie sein ganzes Verhältniß zu den übrigen Bundesstaaten, hätte wol der Abbruch aus den inncrn Gründen der Angelegenheit, aus den einer Ausgleichung unfähigen Gegensätzen motivirt werden sollen. Aber? wegen versäumter Fallfrist abzubrcchm, das ist eine neue Erscheinung im Gebiete der Diplomatie. Gewöhnlich werden bei Verhandlungen zwischen souveränen Staaten die Fristen cinverständlich festgesetzt, aber nicht von einem Theile peremtorisch vorgezeichnet. Sind denn die Könige und Für sten Deutschlands in Berlin vor Gericht geladen, daß man sich herausnimmt, sie in oontumnvinm zu verurthcilen? Wenn es irgend eines Beleges be durft hätte, um die zu Darmstadt verbündeten Negierungen über das Ver hältniß, das ihnen für die Zukunft zugemuthet wird, und über die eigent» lichen Beweggründe, aus denen man sich gegen den Beitritt Oesterreichs wehrt, aufzuklären, so müssen ihnen über diesen Vorgang, bei dem die Lei denschaften der hiesigen Coterien die Besonnenheit des Cabinets überholt haben, die letzten Zweifel schwinden. Preußen will zeigen, wie sehr ihm daran liege, daß man ihm gehorche. Die Darmstädter Verbündeten wur den durch diese Demonstration wol nicht außer Fassung gesetzt. Sie wer den nach wie vor bereit sein, die Hand zur Ausgleichung auf Bedin gungen hin zu bieten, die den Ansprüchen und Interessen beider Theile ge- recht werden. Auf den meritorischen Inhalt der münchener Antwort wird die in Berlin gespielte Scene ohne Einfluß bleiben. Insofern aber dadurch die Schwierigkeiten einer Annäherung für das preußische Cabinct selbst er höht wurden, fällt die Verantwortung dafür nicht auf die zu München ver sammelten Staatsmänner. Aber die Theilnehmer des Septembervcrlrags und vor allem Hannover, daS so sehr dabei intcressirt ist, den Bruch hinlanzu- halten, wie empfindlich mag sich dasselbe durch die preußischerseits beliebte Demonstration berührt gefühlt haben, wie manchen besorgten Blick mag sein Vertreter auf die zur Vermehrung des dramatischen Effects an die Wand gerückten leeren Stühle geworfen haben! Hannover muß es klar werden, daß der Septembervertrag eine Bedeutung und Richtung erhält, die beim Abschlusse nicht im Sinne der hannoverschen Staatsmänner lag. Aus einem Zollvereine für ganz Deutschland entwickelt sich einfach eine engere Union von Norddeutschland unter preußischem Protektorat, die mit ihrer unbedingten Hinneigung zum Freihandel zur vollständigen Jsolirung Preußens und seiner norddeutschen Dependenzen von dem übrigen Deutschland führen muß. sGelü- stet Hannover nach der Rolle, zu diesen von Deutschland losgerissenen Dependen zen zu zählen? Es hat dies noch in der Hand, indem cs seine Stimme für die von München gebotene Ausgleichung kräftig cinsetzt, um Deutschland vor Zersplitte rung und damit seine eigene Selbständigkeit zu retten. Auf Eins müssen wir noch Hinweisen, ehe wir schließen, nämlich daß diese Verhandlung wesentlich friedlicher Natur ist und keine Kriegseventualitäten in ihren: Schoose trägt. Es wird doch noch gestaltet sein, über Zölle und Handelsfcage« zu pactiren, dabei das eigene materielle Interesse wahrzunehmen, ohne daß zugleich an die Gewalt der Waffen appellirt werde? Es gibt doch nichts Lächerlicheres als bei Zollconferenzen jeden Augenblick an den Säbel zu klopfen. Wir können das Publicum versichern, daß alle Versuche, die öffentliche Stim mung durch Kriegsbefürchtungen zu alarmiren, unter die verächtlichen Kunst griffe gehören. Aus der Zollfrage, wenn sie der Leidenschaft und dem Eigen sinne zur Lösung überantwortet wird, kann wol mancher materielle Nachtheil für deutschen Gewerbfleiß hervorgehen, und es ist dies schmerzlich genug für Jeden, dem Deutschlands Wohl am Herzen liegt, aber kein Krieg. Dar- über kann man beruhigt sein." -s-^Aus Sachsen, 22. Sept. Oftmals haben wir wiederholt, daß nicht die Zollvereine, sondern die Zollsysteme über die Wohlfahrt der Völker ent scheiden. Welches die Folge des Abbruchs der Zollvereinsconferenzcn, ob sie eine Trennung Sachsens von dem preußischen Zollgebiete sei oder nicht, hat nur dann eine tiefere Bedeutung, wenn die Zollsysteme verschieden sind. Wir sagen damit nicht, daß es selbst bei gleichen Zollsystemen gleichgültig sei, mit wcnr wir dasselbe thcilen: wir würden dem allgemeinen und dem eigenen Gefühle widersprechen, wenn wir engere Beziehungen zu Oesterreich denjenigen zu Preußen gleichstellen wollten, wir würden selbst ohne die auf richtigsten Sympathien für dieses uns durch Geschichte, Sitte und Religion näherstehende Land einen großen Nachtheil darin erblicke», alle gewohnten Verbindungen zerrissen und uns aus der Milte des aufgeklärtesten Theiles Deutschlands zu einem verlorenen Grenzposten eines zum Theil der Kultur noch gänzlich entbehrenden Gebiets herabsinkcn zu sehen. Es ist aber darum nicht weniger wahr, daß diese Nachthcile selbst dann in den Hintergrund treten, wenn ein freisinniges Zollsystem in dem österreichischen cingcführt und das bisherige in dem preußischen fortdauern würde. Es ist auch unzwei felhaft, daß, welche Unterschiede jetzt unsere Neigung für den preußischen Zollverein begründen, diese in einiger Zeit aufhörcn müssen, wenn Preußen nicht ein freisinnigeres Zollsystem als Oesterreich ergreift, wenn es nicht die Hoffnungen und bestimmten Zusagen erfüllt, welche in seiner Gesetzgebung von 1818 ausgcdrückt sind. Daß Oesterreich in Culturcntwickclung und Finanzlage so weit gegen Preußen zurück ist, hat seinen Hauptgrund eben in der verkehrten Handels- und Gewcrbcgcsctzgcbung; preußische Blätter selbst haben in diesen Tagen vorgerechnct, daß bei Zollcinnahmen wie die j österreichischen die Staatsschulden der Zollvercinsstaalen einige Hundert Mil- lioiic» Thaler mehr als gegenwärtig, daß sie bei Zollcinnahmen wie die deö