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Dienstag. Nr. 360. 7. September 1852.' Leipzig. Die Zeitung erscheint mit Ausnahme d<S Montags täglich und wird Nachmittags <1 Uhr aus gegeben. Preis für das Viertel, jabr I /, Tblr; jede ein« jtlne Nummer 2 Ngr. Deutsche Allgemeine Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Sesehl» Zu beziehen durch all« Postämter des In- und Auslandes, sowie durch dle iLzpekiUon in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Anfertionsgebühr für den Raum einer Zeil« 2 Ngr. Die ZollvereinSconferenzcn in Berlin. X Berlin, 5. Sept. Es sind berei s die Meinungen mehrer Negie rungen der Coalitionssiaaten bei den betreffenden Bevollmächtigten cin- gelaufen, die vorerst freilich nur ein Urtheil über die preußische Erklärung enthalten sollen. Württemberg und Baden sollen sich sehr günstig über die Erklärung Preußens ausgesprochen haben; sie hielten sie für ein freundliches Entgegenkommen und für einen Vermittelungsvorschlag, der die wichtigsten Differcnzpunktc erledige, und glaubten, daß auf der nunmehr gewonnenen Basis eine Ausgleichung in dcmnächstigcr Aussicht stehe. Sie wünschen ein möglichst versöhnliches Auftreten ihrer Bevollmächtigten und daß diese den günstigen Einfluß ihrer Regierungen zu einer Vermittelung etwaiger noch cntgegenstehcn- den Ansichten geltend machen mögen. Weniger günstig, doch immerhin sehr befriedigend, soll sich die nassauische Negierung vernehmen lassen; sie halte die preußische Erklärung für einen bedeutsamen Schritt zur Versöhnung und sehe eine der Coalition gemachte Concesstvn von weitgehender Bedeu tung hierin; allein daß der Zeitpunkt der Verhandlungen mit Oesterreich nicht angegeben, halte sie für einen Umstand, der weitere Verhandlungen über diesen Gegenstand im Gefolge haben müsse. Die übrigen Negierungen haben sich noch nicht gegen ihre Bevollmächtigen ausgesprochen, doch glaubt man, daß Sachsen und Darmstadt diejenigen sein werden, welche am we nigsten von der preußischen Erklärung befriedigt sein möchten, während Baiern und Kurhessen sich gleichfalls mehr einer günstigen und thcilweise auch befriedigenden Auffassung hinncigen, woraus man denn wol auf eine günstige Antwort der Coalition im Ganzen zu schließen berechtigt sein dürfte. — In diesem Jahre findet am 3. Dec. die Zählung der Bevölke rung im ganzen Zollverein statt, zum Zweck der Verthcilung der Zollvercinsrevenuen. In den großen Städten soll für dieselbe drei Tage Zeit gewährt werden, wogegen sie sonst überall an einem Tage ins Werk gesetzt werden soll. Von kundiger Seite erfahre ich, daß die Steigerung der Bevölkerung im Verhältniß zu den Zollcinnahmen dieses Jahres ein sehr ungünstiges Resultat für die Zollvertheilung Herausstellen wird, indem bei einer geringer» Bruttoeinnahme als in den früher» Jahren die Zählung einen bedeutenden Zuwachs von Köpfen der Bevölkerung ergeben wird. — Der Handelsvertrag mit Belgien, welcher am 1. Sept. d. I. gekündigt wer den mußte, wenn derselbe nicht weitere Gültigkeit haben soll, ist noch nicht gekündigt, es ist aber von beiden Seiten das Uebereinkommcn getroffen, daß der Kündigungstermin bis zum 24. Dec. d. I. verlängert werde, bis wo hin wol die Angelegenheit über den Fortbestand des Zollvereins geregelt scin dürfte, um nach diesem Verhältniß eine Erneuerung oder Kündigung des Vertrags eintreten zu lassen. Auch wird bis dahin der belgisch-franzö sische Handelsvertrag, der dem neuen Vertrage zur Richtschnur dienen soll, der diesseitigen Negierung bekannt werden. — Dem berliner Corrcspondenz-Bureau geht eine genauere Mittheilung über den Bundesbeschluß zu, welchen man nach den gestern gegebenen Andeutungen als bundcsrcchtliche Basis für die eventuelle Verlegung der Bcrathungcn über die handelspolitische Frage an den Bundestag zu benutzen beabsichtigen soll. Jener Beschluß ist in der 55. Sitzung der Bun desversammlung vom 19. Mai 1848 gefaßt worden und soll ungefähr da hin lauten: „Um zu der Einführung der nolhwcndigcn Freiheit des innern Verkehrs und zu einem großen einheitlichen deutschen Handels- und Zoll system in möglichst kurzer Frist gelangen zu können, beschließt die Bundes versammlung, an die sämmllichen jetzt noch durch verschiedene Zollsysteme getrennten deutschen Bundesstaaten, nämlich 1) an Oesterreich, 2) an Preu ßen und die mit Preußen in einem Zollvereine verbundenen Staaten, 3) an Hannover und die mit ihn, im Steuervcreine verbundenen Staaten, 4) an das Hcrzogthum Holstein, 5) an die beiden Herzogkhümcr Mecklenburg, 6) an die drei freien Hanscstädte Lübeck, Bremen und Hamburg die Auffoderung ergehen zu lassen, sofort sachverständige Männer hierher nach Frankfurt zu senden, welche über ein gemeinschaftliches Handels- und Zollsystem sich ver ständigen und die geeigneten Vorschläge zur Ausführung zu niache» haben." Das soll im Wesentlichen der Inhalt jenes Beschlusses sein, dessen Wiedcr- auffrischung schon in Stuttgart ohne Erfolg versucht scin soll. — Der Oesterreichischen Korrespondenz liegt nun die preußische Er klärung vom 39. Aug. vor. Sie gibt eine kurze Jnhaltsanzcige und be merkt, daß Preußen auf seiner schon früher kundgegebenen Ansicht, daß der Zollverein zuvor reconstruirt werden müsse, ehe die Verhandlungen über einen Zoll» und Handelsvertrag mit Oesterreich beginnen können, verharre. — Die Neue Preußische Zeitung ist heule sehr kriegerisch gefinnnt. Sie sagt: „Hoffen wir, daß unser Gouvernement mit Festigkeit auf Alles vor bereitet und gerüstet ist, auf Alles, selbst einen Krieg nicht ausgenommen, denn einen gerechten Krieg haben wir noch niemals gescheut oder gefürchtet. Das, worum cs sich diesmal handelt, ist aber nichts Geringeres denn die Existenz Preußens als europäische Großmacht, und wir müßten über die Intentionen Oesterreichs weniger genau unterrichtet sein, als wir cs in dcr That sind, um nicht zu wissen, daß man dort auf alle Eventualitäten vor bereitet und entschlossen sein soll, den Zollverein schließlich mit Pulver zu sprengen. Zuerst — so soll man cs in Stuttgart verabredet haben — zu erst die diplomatischen Minirer, dann die nöthigcnfalls durch «BundeSexc- cution» unterstützte Behauptung, daß Braunschweig und die thüringischen Staaten den Zollverein nicht rechtzeitig gekündigt, und dann als rühmlicher Abschluß der schon lange von Oesterreich getriebene Versuch, die Zollsachcn, wie so manches Andere, mit vollständiger Jsolirung Preußens vor den Bun destag zu ziehen. Ein wohlausgedachter Plan, doch, wie es heißt, «dcr Mensch denkt und Gott lenkt», und es müßte uns Alles täuschen, oder cS dürfte bald die Zeit kommen, wo Italien und Ungarn, Frankreich und man ches Andere Oesterreich wieder daran erinnern werden, daß cin Niese mit thönernen Gliedern doch nur ein zerbrechliches Wesen ist. Schlägt man also dort an den Degen, wir werden das Echo nicht schuldig bleiben." Deutschland. Das Preußische Wochenblatt theilt mit, daß der BundcSpräsidial- gcsandte auch an die Negierung von Luxemburg eine Erinnerung habe ergehen lassen, worin er sich beschwert, daß Luxemburg seltsamerweise seine Bundespflichtcn säumig erfülle, während Limburg stets pünktlich ihnen Nachkomme, und daß der luxemburger Gesandte immer nach Instructionen auS dem Haag und nicht nach den Instructionen seiner Negierung verfahre. Dcr Präsidialgesandte verlangt daher solche Aendcrungen der Verfassung, welche hinreichende Garantien für die Erfüllung der Bundespflichtcn gewäh ren könnten. — Die Bundesversammlung hat kurz vor ihrer Vertagung 100,009 Fl. bei Rothschild unter Verpfändung dcr Neste dcr deutschen Flotte aus genommen. (Pr.W.) Berlin, 5. Sept. Daß unser Ministerpräsident und General Nadowih wieder versöhnt sind, hat nicht blos die Wicdcranstellung des Letzter» im hohen Staatsdienste thatsächlich bezeugt, sondern das ministe rielle Blatt «Die Zeit» documentirt cS den Ungläubigsten sc! oeulos. Wer hätte seit 1851 in diesen» Blatte ähnliche Expectorationen erwartet, wie die jüngsten gegen Oesterreich! (Nr. 352.) Man liest darin ganz die Nadowitz'- schen Ideen über Oesterreich, die kremsiercr Verfassung, seine Stellung zu Deutschland, wie in den weiland crfurtcr und vorolmützcr Zeiten. Man kann dem berühmten General manche zu phantasicreiche Idee Nachweisen. Jndeß was er über Oesterreich gesagt und gewollt, das trug den Stempel des Praktischen an sich, nur daß es unter den gegebenen Umständen schwer zu realisircn war. Darüber war die öffentliche Meinung in Preußen wol immer im Klaren, wenn sich auch die specifisch-preußische Partei, welche sich mit ihren Ideen von den Neminiscenzen der Heiligen Allianz nicht trennen konnte, lange nicht davon überzeugen wollte. Die Manoeuvres der österreichischen Politik in der Zollvercinssache haben endlich auch diesen Preu ßen die Augen geöffnet. Sie sehen es nun auch cin, daß Preußen durch die Allianz von 1813 nur momentan, solange die Noth und die gemein same Gefahr dauerte, an Oesterreich einen Alliirtcn hätte, daß aber das erste Misvcrsiändniß diese Allianz wieder lösen mußte. Bei dcr deutschen Zerrissenheit werden die beiden deutschen Großmächte nie wahre Freunde für die Dauer werden. Erst eine gemeinsame Gefahr könnte sie wieder, frei lich auch nur für einige Zeit, miteinander verbinden. Ob solche Gefahren fern oder unmöglich, wer kann das wissen! Oesterreich indeß scheint cs zu glauben. Denn es handelt gegenwärtig ganz so, als ob es Preußen nie mehr brauchen werde. Wie es daher die Sympathien des preußischen Volks längst verloren hat, so verliert es nun, wie man sieht, auch die Freund schaft dcr dcrmaligen preußischen Staatsmänner. Nutzen kann Oesterreich dies nimmer, Schaden jedoch bei verändertcr Weltlage leicht bringen. Am »reisten ist dabei zu bedauern, daß das Heil des gemeinsamen deutschen Vaterlands bei der Zwietracht zwischen seine» beiden Hauptstaaten nicht ge deihen kann. Berlin, 5. Sept. Der Prinz von Preußen langte vorgestern Nachmittag in Begleitung seines Sohnes, des Prinzen Friedrich Wilhelm, in erwünschtem Wohlsein aus Stettin in seinem Palais hier an, wo der selbe durch einen von den Sängern Mantius, Zschiesche, Mickler und Hein rich ausgeführtm vierstimmigen Männcrgesang überrascht wurde. Hr. Sta- Winsky, welcher den Text dazu gedichtet, war bei dieser Begrüßung auch anwesend. Der Prinz scheint sich von seinem in Stettin erlittenen Un fälle gänzlich erholt zu haben und drückte tief gerührt seinen Dank für den Empfang aus. (Pr.-Z.) — Wie die Neue Preußische Zeitung meldet, ist das Preußische Wo chenblatt vom 4. Scpt. mit Beschlag belegt worden.