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F e u i l I Berlin, 3. Sept. Das „Reich der Mitte" hat uns eine Probe seiner zwei beinigen unbefiedcrtcn Bevölkerung nach Berlin gesendet. Wir brauchen weder Segel- noch Dampfschiffe, noch die Ueberlandpost, um nach China zu gelangen. ES bedarf nur etwa 1000 Schritte zum Brandenburger Thore hinaus und eines Eingangszolles von 10 Sgr., um mit dem „himmlischen Reiche" in die freund schaftlichsten Beziehungen zu treten. Wir wandern zur hohen Pforte der Frl. Aug. Kroll hinein, steigen die breite Stiege des Prachtbaues hinauf und wenden unS zum „Rittersaal", um in diesem, mitten unter chinesischer Decoration, eine das Reich der Mitte repräsentirende kleine Colonie zu finden, keine Wachsfiguren, sondern veritable, lebendige Chinesen von Fleisch und Bein, die dort ihren Sa lon eröffnet haben, um Besuche zu empfangen. Man erwarte nicht etwa Jong- lcurkunststücke oder dergleichen Productionen. Wir machen die Bekanntschaft einer respectablen Kaufmannsfamilie, deren Haupt, Hr. Chung-Atai, ein achtbarer Bürger Kantons ist, der „in Thee macht", und gegenwärtig seine Reiselust auf die sehr ange nehme Weise befriedigt, daß neugierige, auf den Anblick chinesischer lebendiger und kod ier Seltenheiten lüsterne Europäer ihm die Reisekosten bezahlen. Chung-Atai ist ein lebhafter Dreißiger, der uns in recht geläufigem Englisch, wenn's noth thut auch in unzeläufigcm Französisch, begrüßt und uns mit chinesischen Sitten und Ge wohnheiten bekannt macht, unter Anderm mit der, daß es ihm erlaubt ist, zwölf Gemahlinnen auf einmal zu besitzen. Er hat es freilich nur auf zwei, und der Tod, der ihm im Juni seine jüngere Gattin in Antwerpen entriß, für ihn wieder bis auf eine gebracht. Madame Sen-Ahup ist eine, setzt man sich über die etwas gedrückte mongolische Physiognomie fort, ganz appetitliche Dame von etwa 27 Jahren, etwas streng und ernst mit den schief geschlitzten Augen die frivolen preu ßischen Gardelicutenants anblickend, was ihre Schwester, Frl. Chung-Ahoo, ein gar munteres und bewegliches Geschöpf von 18 Jahren, nicht thut, sondern mit possierlicher Tournure das zierliche Bartdrehcn der jugendlichen Vaterlandsverthcidigcr nachahmt. Seitwärts von dem Tische, an dem die beiden Schwestern sich sehr eifrig mit dem Dominospiele beschäftigen, sitzt eine zwar noch junge, aber etwas langweilige Die nerin, Jungfer Kiew. Dies die kleine chinesische Colonie, die in einem Engländer, Crawford, und einem sehr angenehmen, hübschen, jungen Franzosen, Monsieur Giral- don (der, wie wir bemerkt haben wollen, der klcinenwunden Chung-Ahoo nicht gleichgül tig sein dürfte), zwei sehr unterrichtete Führer hat, die zugleich als Dolmetscher die Unterhaltung zwischen Chinas und Berlins Staatsangehörigen vermitteln. Wenn wir nun gefragt werden, wie die fremden Herrschaften aussehen,so rufen wir in den ältern Fragern jene Zeit zurück, als vor 40 Jahren der Kaiser Alexander von Rußland auf dem Zuge nach Paris uns mit der Bekanntschaft plattantlitziger Baschkiren und Tataren beglückte. Wir beleidigen Hrn. Chung-Atai nicht, wenn wir auch bei ihm die scharfe Ausprägung dieses mongolischen Typus gefunden haben j wollen, gestehen aber mit Vergnügen ein, daß sein langer hellblauer chinesischer l Ueberrock nicht im Stande war, eine überraschend glatte gesellige Manier zu ver- hüllen, die uns mit ihm recht angenehm befreundet hat. Mit großer Bewunde rung hat uns der mit dunklem Scidcnbande durchflochtene Zopf erfüllt, der aus dem Wirbel wie eine glänzend schwarze Fontaine hervorquillt und über den Rücken fast bis zum Boden niederwallt. Wie viele unserer europäischen Stutzer des vorigen j Jahrhunderts hätten neidisch auf diesen chinesischen Haarzopf geschielt, wie unsere j jetzigen Lions nicht minder eifersüchtig auf die zolllangen Nägel des Hrn. Chung- l e t o n. Atai sein dürsten. Diese letztere Zierde finden wir auch an den zarten Händchen der beiden Damen wieder; nie aber haben wir eine glänzendere Schwärze gesehen wie die des Haupthaars beider chinesischen Huldinnen. Die Coiffure L la ekinois ist nicht unbekannt, doch in Europa nur zur Hälfte angenommen. Ich wünschte, eine Friscurzunge zu besitzen, um das wunderbare Haargebäude würdig beschrei ben zu können, das vom Hinterhauptc in ganz absonderlicher Form hinausragt. Ein riesiger ausgebreiteter Rabenfittig ist daß Einzige, was wir als entfernten Vergleich für diese Coiffure benutzen können. Wir steigen rasch vom Haupte, auf die vollen weiblichen Umrisse der Büste und Hüften keinen unfreundlichen Blick werfend, zu dem Non plus ultra chinesischer Schönheit, zu dem Fuße hinab und finden hier die Verse des andalusischen Zigeunerliedeß: ,,8i la jambe 68t uns roalitd, 7s pisü ost uns illusion." lebendig verdolmetscht. Man denke sich das Gehwerkzeug eines einjährigen Kin des und hat damit das Modell der Miniaturfüße der Damen Sen-Ahup und Chung- Ahoo. Neben mir stand der Erfinder des neumodischen königlich preußischen Zei- tungszollstockS; er zog die Beschränkungsmaschine aus der Tasche und legte sie an Frl. Chung-Ahoo's Fuß. Drei Zoll — nicht einen Strich mehr! Daß mit sol chem, eigentlich nur durch ein Vergrößerungsglas wahrzunehmenkcn Pedal von „Sylphen - Schweben" ebenso wenig die Rede sein kann wie von elegantem Wal zerschritt, versteht sich von selbst. Statt dessen bewegen sich die Damen mit et was unbeholfenem Stelzengang durch den Saal, der wenigstens für mich den Vor theil brachte, daß ich hülfreiche Hand leisten konnte, als sie die Stufen zu ih rer Tribune wieder emporstiegen, und dabei Gelegenheit hatte, die Rundung einet vollen Arms krnnen zu lernen. Was das Costume der Damen betrifft, so verweise ich, was den Schnitt betrifft, auf die Bilder chinesischer Originaltheekistchen und bemerke nur, daß die Stoffe zu Kleid und Pantalons schwere Seidenzeuge find. Der Saal, in dem sich unS dieses lebendige Schauspiel zeigt, enthält eine zahlreiche und interessante Sammlung alles Dessen, was zum chinesischen häuslichen Comfort gehört, und was der bekannte chinesische Kunstflciß hervorbringt: Meubel, Geräth- schaften, Instrumente, Waffen, Bilder, Stoffe, und selbst ein. kleiner Altar mit drei behaglichen Götterbildern für die Haußandacht fehlt nicht. Unter den Kunstgegcn- ständen ragen besonders die säubern Schnitzarbeiten in Elfenbein, und trefflich lakirte Sachen hervor. Hr. Chung-Atai entließ unS sehr artig, nachdem er rasch noch als Erinnerung ein paar Visitenkarten für uns geschrieben, oder vielmehr gemalt. Wir hörten, daß die kleine Colonie auch nach Leipzig übersiedeln wird, und so mögen diese Zeilen zugleich als Empfehlung derselben für Goethe's „Klein- Paris" gelten. * Man schreibt uns aus London vom 4. Sept.: Ferdinand Hiller war in den letzten Tagen hier, um seine Angelegenheiten mit Director Lumley zu ord nen. Es ist nämlich bestimmt, daß Letzterer die Direction der italienischen Oper in Paris nicht wieder übernimmt, daß er somit seinem noch für die beiden näch sten Jahre mit Hiller abgeschlossenen Contracte nicht nachkommen kann. Es freut uns, berichten zu können, daß das Berhältniß deß londoner Impresario und unser- deutschen Tondichters auf eine für beide Theile ehrenhafte Weise gelöst worden ist. An kündigungen. Anzeigen werden angenommen in den Expeditionen in Leipzig (Querstraße, Nr. 8) und Dresden (bei L. Höckner, Neustadt, Au der Brücke, Nr. 2). — 1 lotste Lxtr»Mrt von und nach allen Stationen «r«» LS. L86S zur halben Taxe ohne Gepäck unter den bereits bekannten Bedingungen. . Abfahrt von und irr»««!«« früh 5 Uhr. Rückfahrt auf diese Extrabillets mit allen bis Dienstag den L4 September Abends abgehenden Zügen, ausge nommen den früh 2'/, Uhr von Dresden abgehenden Eilzug, für welchen diese Extrabillets nicht gültig sind. Leipzig, 8. September 1852. Direktorium -er Leipzig-Dresdner Eisenbahn--Compagnie. G. Harkort» Vorsitzender. .2282-831 U. Busse, Bevollmächtigter. en Plane mstralion Bind da- alten, er- verhaftet md ame- )azu gab Her tran statt der >tlich sein Köln. Z.) mmlung >ncertsaalc f eröffnet. ! zur Be- oenz statt- Nroßartig- nern nicht Vie Ver- : v. Alten- der Ent- , dem KL- , dies der m Wirken azu beitra- llgemcinen dt und des rungen der gereichen, in andern iges Volk, schon seit erschlossene ze berührt -den abge- mlung am chen, daß so zweck- r auch die durch die Decennien >e die Ver- wcnn man wo Thaer sm Namen ng herzlich ,e ein drei- oann wur- rsammlung , Böhmen, , Mecklen- üben über- ihm daS ng zu er- ilung auch mgsablage i des nicht dere Com- o. Reichen- Schließ- ch ein per- Leichmann erfoderlich a auch die Geschäfts ligen Vor- d ortßkun- ll ein Mis- ein Mis- solcher sei csammlung lehnte den rmanentcn 25 u. 25'/« Thlr. bcz.; mit Faß per Sept. 24 u. 24'/, Lhlr. bcz.,- 24'/, Br., 24 G.; Sept./Oct. 22'/, ä 22'/« Lhlr. bez., 23 ü 227, Br., 22'/, G.; Oct./Nov. 207« ü 21 Thlr. bez., 21 Br., 20'/, G.; Nov./Dee. 20'/, Thlr. Br., 197, G.; April/ Mai 20'/, ä 7,Lhlr. bez., 21 Br., 20'/, G. Geschäftsverkehr M Allgemeinen belanglos. Weizen ohne Geschäft. Roggen matter. Rüböl ohne wesentliche Aenderung bei schwachem Umsatz. Spiritus zuerst besser gehalten und so be zahlt, schließt etwas ruhiger. Dresden, 6. Sept. Weizen braun 62—64 Thlr. bewilligt, Weizen weiß 64 — 65Lhlr. bew. Roggen 49—51 Thlr. bcw. Gerste 35 Thlr. gef. Hafer 20— 23 Thlr. bew. Spiritus nominell. London, 4. Sept. Reichliche Zufuhr, besonders Weizen; von lctzterm schwim mende Ladungen 1 Schill, niedriger. Liverpool, 2 Sept. Baumwolle, 7000 Ballen Umsatz. Preise gegen gestern un verändert. Berlin, 6. Sept. Freiw. Anl. 1037« Br.; St.-Sch.-Sch. 95; Seehdl. - Pr. - Sch- 1287,; Bankanth. 1087, Br.; FriedrchSdr. 1I3'/„; LSdr. 1107,; Berl.-Anh. I-it- X. u.8. 139, Pr.-Act. 101Br.; Berl.-Hamb. 107, Pr.-Act. 105'/, Br.; Berl.- Potsd.-Magd. 84'/,, Pr.-Act.997, i Berl.-Stett. 1457,, -Pr.-Act. 103'/,; Köln- Minden 1127,, Pr.-Act. 1047, Br.; Fr.-W.-Nordb. 467,,Pr.-Act. 102'/,; Halle- Lhüring.95'/, Br., Pr.-Act. 1037, Br.; Magd. Wittenb. -, Pr.-Act. -; Krak.- Vberschl. 91 Br., Pr.-Act.—; Oberschl. Iüt. ä. 1727,, 9.1487,; Poln. Schatz- Obl.92'/, Br.; Poln. Pfdbr. alte—; Poln. Pfdbr. neue 98; Part. 500 Fl. 92 Br.; 300 Fl. 153; Poln. Bankcert. l.il. >1. 300 Fl. 97 7«! 9. 200 Fl. 22; Amsterd. k. 1427,; 2M.I427,; Hamburg k. 1527, , 2M.I517,; London 3 M. 6. 237,; Paris 2 M. 807,; Wien 2 M. 857,; AugSb. 2 M. 1017«! BreSI. 2 M. 997,; Leipzig8Lg. 997,; Franks, a. M.2 M. 56. 16; PeterSb. 3W. 1087,. Mien, 4. Sept. Silbcranlcihe 1117«, 5pc. Mct.96'/,; 4'/,pc. Met. 86'/,; Bankact. 1358; Nordb. fest, 225'/,; 1839er Loose 138; Gloggn. Actien 158'/,; lomb. Anl. -; Lvnd. 11,46; Amsterd. 1647,; Augsb. 1177,; Hamburg 1757«! Paris 140; Gold 257,; Silber 18. Paris, 4. Sept. 3pc. 77; 4'/,pc. 105 50. London, 3. Sept. Cons. 100'/,. Spanier 23'/,. * Leipzig, 7. Sept. Leipzig-Dresdner 178'/, Br., 178 G.; Sächsisch-Baierschc 917, G.; Sächsisch-Schlesische 102 Br., 101'/, G.; Löbau-Zittauer 25 Br., 24 G.; Magdeburg-Leipziger 268'/, G.; Berlin-Anhaltische 139'/, Br.; Berlin-Stettiner 147 Br., 146 G.; Köln-Mindener 113Br., 1127« G.; Thüringer 95 Br.; Altona- Kieler 105 G.; Anhalt-Dessauer Lanbesbankact. 13t. ä. 158'/, G.; I-it. 9. 135'/, Br., 135 G.; Wiener Banknoten 867, Br., 86'/, G. Landes 000 Thlr. n. 14,353 . 15,246 i. 19,905. Lhlr. l loco 43' Thlr. Bi. 41'/, G- 43'/, Br., )ct. 50pfd. r. Wintcr- Thlr. bc;., , 10 Br., aez. u. Br., !ärz 107,2 ül/Mai do. > ohne Faß