Volltext Seite (XML)
1611 Sohn als Oberstlieutenant beim österreichischen Infanterieregimente Prinz Emil von Hessen am 24. Juli-1848^ bei Somma Campagna den Helden tod gestorben ist. Der hartnäckige Widerstand de- jungen Stabsoffiziers, der an der Spitze von zwei Bataillonen, die sämmtlich in Plänkler aufge löst waren, um den Feind zu täuschen, fünf Stunden hindurch einer Macht von 25,000 Piemontesen die Spitze bot, wobei jedoch die Truppe fast gänz lich aufgeriebcn ward, wird von Schönhals als die nutzlose Bravour einer durch maßlosen Genuß des Weines erhitzten Rauflust geschildert, wogegen der greise Vater mit der Ansicht auftritt, es habe diese Aufopferung die Armee des Marschalls gerettet, indem sie die Umgehung derselben durch die Piemontesen verhinderte. Italien. Die Oesterreichische Correspondenz schreibt: Das Ehegesetz beschäf tigt in Piemont die Gemüther noch immer aufs lebhafteste. Eine stür mische Session steht deshalb nächstens dem Senate bevor. Der Graf Gi rolamo v. Cardenas hat in einem an die Redaction der Armonia gerichte ten Schreiben das Ministerium förmlich zu einer gerichtlichen Verfolgung seiner Person hcrausgefodert. Cardenas ist Lcgationssecretär und königlicher Kämmerer. Er wirst der Negierung geradezu vor, durch den an die In tendanten erlassenen Befehl, die Petitionen gegen das Gesetz zu hindern, der öffentlichen Meinung auf Schleichwegen beikommcn zu wollen. — Die französischen Generale Lannes und Forey, Beide Vertraute des Prä sidenten der französischen Republik, besichtigen mit Vorwissen der piemon- tesischen Regierung alle Truppengattungen und prüfen deren Kräfte. Der Kriegsministcr Lamarmora begleitet die Herren auf ihren Jnspectionsfahrten. — Französischen Blättern zufolge erzählt man in Turin mit vieler Be stimmtheit, daß Hr. Pernati seine Entlassung gegeben habe, weil der Ministerralh seinen Antrag: einen Proceß gegen den Grafen Cardenas ein zuleiten, verworfen hat. Genua, 27. Aug. Die Italia e popolo versichert, daß im Laufe die ser Tage ein Handelsvertrag, sodann eine Offensiv- und Defcnsivallianz zwi schen Rom und Rußland durch die HH. Antonelli und Buteniew un terzeichnet worden sei. (Was den ersten Punkt betrifft, sagt die Oesterrci- chische Correspondenz, so dürste es damit seine Nichtigkeit haben; der zweite aber scheint jedenfalls dem Reiche der Phantasien anzugchören.) — Das Leichenbegängniß von Mazzini's Mutter, welches am II. Aug. in Genua stattfand (Nr. 346), wird vom Daily-News-Corre- spondenten sehr ausführlich und mit tendenziöser Wärme beschrieben. Die englischen, amerikanischen, schwedischen, dänischen und holländischen Schiffe im Hafen senkten, zum Zeichen der Trauer, ihre Flaggen auf Halbmast; die Kapitäns wohnten in tiefer Trauer dem Begräbnisse bei und trugen um die Wette Grabtuch und Bahre. Joseph Mazzini, erzählt der Correspon- dent, hat seit seinem Knabenalter seine Mutter nur einmal, im Jahre 1848 in Mailand, wicdergesehen, stand aber 22 Jahre lang im fleißigsten und liebevollsten Briefwechsel mit ihr. Noch ist Leben in Italien, ruft der Be richterstatter des londoner Blattes. Das hat die Volksdemonstration am 11. Aug. gezeigt. Selbst Diejenigen, die Mazzini's politische Ansichten nicht theilen, sind gezwungen, seinen hohen Verstand, seine Aufrichtigkeit und Ausdauer anzucrkennen. Ein Volk, das einen solchen Mann so lieben und bewundern kann, ist noch fähig, frei zu werden. Frankreich. *Paris, 18. Aug. Der Ball der Damen der Halle, dem man mit so viel Neugierde entgegensah, hat endlich gestern stattgefunden. Man konnte in der That kein originelleres Schauspiel wahrnchmen; das sonderbarste Gemisch von den untersten und höchsten Ständen, von der Spitze und der untersten Basis der Staatspyramide. Man denke sich alle Sackträger, Gemüsehändler, Obst- und Fischwciber von Paris neben den Ministern und höchsten Staatsbeamten, und man hat ein Bild dieser un erhörten Festlichkeit, die insofern ihre politische Bedeutsamkeit hat, als sie zeigt, wie sich die Negierung auf die untern Volksclassen stützen will. Auf dem Place de la Concorde trugen die Fahnen, die am 15. Aug. daselbst aufge stellt waren, die Inschrift: Vox pvpuli, vox cloi. Wer diese Devise des Festes nicht tief genug auffaßte, dem mußte der gestrige Ball, der nicht eine bizarre Caprice des Präsidenten, sondern ein wahres politisches Sym bol der Tendenzen desselben abgibt, die Perspective in die Zukunft eröffnen. Dies mußte vorausgeschickt werden, damit das bizarre Schauspiel, von dem wir sprechen wollen, gehörig gewürdigt werde. In dem schmuzigsten volks- thümlichsten Theile von Paris, in dem sich die großen Victualienmärkte der Stadt befinden, war wie durch Zauberei auf dem Platze des Marche des Innocents, auf dem man sonst nur Schmuz und Gemüseabfälle wahrnimmt, ein Feenpalast improvifirt worden, der, wenn auch von außen unansehnlich, so doch im Innern mit orientalischer Pracht ausgeschmückt war. Von der Ausdehnung des Gebäudes kann man sich einen Begriff machen, wenn man erwägt, daß über 20,000 Geladene sich in demselben befanden. Der Saal war ein Meisterwerk der prachtvollsten, geschmackvollsten Decoration. Nie sind vielleicht noch Sammet, Seide, Mousselin, Spiegel und Gas flammen zu einem reizendem Ensemble vereinigt worden. Im Mittelpunkt befand sich die berühmte Fontäne, aufs sinnreichste mit Blumen und Orna menten aller Art ausgeschmückt, die mit ihren Cascaden, Springbrunnen unter der magischen Beleuchtung des elektrischen Lichts einen bezaubernden Anblick gewährte. Nings um den Saal herum liefen weite, herrlich deco- rirte Tribunen, von denen die beiden entgegengesetzten von zwei sehr zahl reich besetzten Orchestern eingenommen, die übrigen aber, bis auf drei für den Präsidenten und sein Gefolge, dem Publicum eingcräumt waren, das sich nicht in daS ungeheure Gedränge deS SaaleS mischen und den Anblick über das Ganze haben wollte. Hinter den Tribunen befanden sich zwei sehr weit läufige Buffets, in denen Erfrischungen aller Art an die Gäste im ver schwenderischen Uebcrmaße verabreicht wurden. DaS Interessanteste aber war nicht der Schauplatz, sondern die Schauspieler. Die buntesten Abstufungen der Damen- und Herrentoiletten, die schlichtesten Häubchen neben Diamant- diademcn, der einfache bürgerliche Ueberrock eines bescheidenen Spargclhänd- lers, der cs nie bis zu einem Frack gebracht hat, neben der goldgestickten, mit Ordenssternen beladenen Uniform eines Senators, bildeten den seltsam sten Kontrast. Die Starken der Halle in weißbaumwollenen Handschuhen, welche vielleicht nie einen andern Ball als die Tanzvergnügen vor der Bar riere gesehen haben, waren die Ordnungsführer. Bis Mitternacht hatte man den Präsidenten erwartet, dieses Warten hatte die Versammelten ip einer gewissen Spannung gehalten; als es aber entschieden war, daß er nicht kommen wird, verließen die sogenannten Honorationcn den Saal, und die Zurückgebliebenen tanzten bis an den Hellen Morgen. Die einzige Stö rung verursachte ein kleiner Platzregen um Mitternacht, der sich durch die Fugen des Lcinwanddaches einen Eingang in den Saal zu verschaffen wußte. Sonst war nicht die allermindeste Unordnung zu bemerken. Das Nichter scheinen des Präsidenten hat Viele, die nur in der Hoffnung kamen, ihn zu sehen, desappomtirt. Hr. de Persigny und der General Magnan hatten den Ball eröffnet. Die Gemahlin des Hrn. de Pcrsigny tanzte in einer Quadrille, in welcher ein Mehlsackträger und ein Gemüsehändler von je doch sehr anständigem Aeußcrn figurirten, was auf die Versammlung einen sehr guten Eindruck hcrvorbrachle. Die Erfrischungen, welche für den Ball am 15. Aug. bestellt waren und nicht aufgehoben werden konnten, sind an die Kasernen und die Kuchen an die Armenanstalten vertheilt worden. — Zwischen Frankreich, Spanien und Portugal ist ein Abkommen ge troffen worden, um die Erbauung einer Eisenbahn, welche Lissabon, Ma drid und Paris untereinander verbinden soll, durch Gewährleistung der Zinsen vom Anlagecapitul zu begünstige». Die Vermessungen einer Eisen bahn von Lissabon nach der spanischen Grenze haben bereits stattgefunden. — Der ehemalige Chef des Generalstabs der Nationalgarde, OberstVieyra, hat die Direction eines neuen Tabacksdcpots in der Chaussee d'Antin mit einem Gehalte von 9000 Fr. erhalten. — In Frejus, Departement Var, hat sich eine Wolke von Heuschrecken, eine in Frankreich seltene Erschei nung, niedergelassen, die in einem Augenblicke alle Wiesen und Gärten in Wüsteneien verwandelten; sie liegen an manchen Stellen Fuß hoch. — Auch von einem pariser Korrespondenten der Neuen Preußischen Zei tung wird jetzt gesagt, daß es nicht wahr sei, daß unlängst das Denkmal des Herzogs von Enghien weggeschafft wurde. Schon seit vielen Jah ren befinde cs sich in der Kapelle von Vincennes. Aus fortificatorischen Gründen sei es zur Zeit Ludwig Philipp's aus dem Graben dorthin gebracht worden. * Nantes, 16. Aug. Bei der unaufhaltsamen Annäherung des Tages, der dem Staatsstreiche vom 2. Dec. die Krone aufsctzen soll, wird cs Ih nen nicht unangenehm sein zu erfahren, wie denn unsere Stadt sich dabei verhält. An der Grenze der Vendee und Bretagne gelegen, war Nantes schon in den ersten Nevolutionskricgen der bedeutendste Platz des Westens, den „Gott und der König" vergebens zu nehmen suchte, war es nach der Julirevolution der Stützpunkt für die Herzogin von Berry, die hier gefan- gen ward, und ist es noch heute der Knotenpunkt für alle politischen Be wegungen. Es ist wahr, die Zeiten haben sich geändert und das Volk mit ihnen. Die Bretagner glauben nicht mehr an die tröstlichen Verhei ßungen ihrer Priester ü la Münzer, daß sie drei Tage nach dem Tode in der Schlacht wieder auferstchcn würden; höchst selten zogen bretagnische Bauern an meinem Fenster vorüber, singend: ^IIoN8 NOU8 eil <lsn8 >88 Iancls8 Henri Ling nou8 üemgncie, und dann noch waren sie sicherlich trunken vom Kon vin Vallet, der zu den übrigen Landweincn ebenso im Verhältniß steht wie Essig zur Blau säure. Die Priester haben ihre Taubenfrömmigkeit mit Schlangenklugheit vertauscht, statt fanatisch aufrichtig sind sie poliiisch schlau geworden und su chen durch Accommodirung an jede beliebige neue Verfassung, sei cs Re publik oder Kaiserthum, sich zu erhalten, wenn zu befestigen unmöglich ist. Der Adel ist noch eigensinnig, bleibt wol auch hier und da noch hart näckig auf seinen Schlössern, aber »»merklich zerbröckeln ihre Mauern und zerfällt die Macht, die er sonst ausübtc; der Courricr de Nantes, Organ der Handelsbourgeoisie, darf ihm ungestraft den guten Rath geben, sich mit industriellen Unternehmungen zu befassen, seine Kapitalien z. B. in Nun- kclrübenzuckerfabriken anzulcgen, statt auf seinen Gütern steril zu vegctircn, wenn er nicht den Nest von politischem Einflüsse noch verlieren wolle, den er noch besitze. Ja, das „stockige Vendcerthum verrotteter Provinzen" ist zur Tradition geworden, aber auch Traditionen werden noch gefürchtet, solange ihnen eben auch Traditionen feindlich gcgenüberstehen. Nantes selbst ist eine gute Stadt, der politische Ideale nicht viel Alpdrücken machen, wenn auch die republikanische Partei nicht ganz unbedeutend ist. Der Handel dominirt und der Handel will Ruhe, außerdem versinkt der Wohlstand und die Bedeutung der Stadt zusehends um vielfacher Conjuncturen willen, und da die Geschäfte schlecht gehen, verstecht der Muth. Eine neue politische Phase" wird kein Hindcrniß im Westen finden. Bei alle dem hat man cs für gut befunden, die Traditionen nicht außer Acht zu lassen. Wie der Präsident seine Neise nach Strasburg, so hat Prinz Jerome Bonaparte seine Reise in den Westen gemacht und wahrscheinlich nicht ohne Zufall war cs, daß er, schon Tage lang erwartet, am Vorabend des 15. Aug.