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DRESDNER PHILHARMONIE Sonnabend, den 13. Mai 1972, 20.00 Uhr Sonntag, den 14. Mai 1972, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 9. ZYKLUS-KONZERT UND 9. KONZERT IMANRECHT C Dirigent: Martin Flämig Solisten: Ute Mai, Leipzig, Sopran Johannes Kemter, Dresden, Tenor Karl-Heinz Stryczek, Dresden, Bariton Chor: Philharmonischer Chor Dresden Einstudierung Wolfgang Berger Adam Krieger 1634-1666 Fünf Arien für Sopran, Bariton, Streichorchester und Continuo Ein freier Leib begehrt kein Weib (Bariton) Die unfreundliche Mopsa. Der verliebte Dafnis (Sopran und Bariton) Wer freundlich ist, auch gerne küßt (Bariton) Adonis Tod bringt mich in Not (Sopran) Der Rheinsche Wein tanzt gar zu fein (Bariton) PAUSE Carl Orff geb. 1895 Carmina burana Weltliche Gesänge für Soli und Chor mit Begleitung von Instrumenten Adam Krieger, der genialste, erfindungsreichste deutsche Liederkom ponist des 17. Jahrhunderts, der als „Schubert seines Jahrhunderts" bezeichnet worden ist, wurde 1634 zu Driesen (Neumark) geboren. Nach Studien bei Samuel Scheidt in Halle war er 1655 bis 1657 Nikolaiorganist in Leipzig und seit 1658 Kammerorganist in Dresden, wo er — erst 32jährig — 1666 verstarb. Die anmutigen, frischen Melodien seiner „Arien" — darunter sind sowohl schlichte strophische Lieder als auch längere, kantatenmäßig angelegte Solo stücke zu verstehen — sind noch heute unverblichen, wie auch seine meist selbst gedichteten, kraftvoll-urwüchsigen Texte als typische literarische Dokumente ihrer Zeit heute noch von starkem Reiz sind. Liebes- und Trinklieder stehen im Vorder grund — sie geben von der Studentenmusik des 17. Jahrhunderts, der sie sozio logisch zuzuordnen sind, einen hohen Begriff. Die in unserem Konzert erklingen den Gesänge Kriegers entstammen sämtlich der 1676 in Dresden posthum er schienenen Sammlung „Neue Arien", die Instrumentalbegleitung ist einem fünf stimmigen Streichorchester mit Continuo anvertraut. Die selbständigen Zwischen- und Nachspiele (Ritorneile) des Orchesters knüpfen bei einzelnen Motiven der Liedmelodik an oder entwickeln sich frei. Die Gefühlsskala der Kriegerschen Arien bewegt sich zwischen ausdrucksstarker Lyrik und deftigem Spaß. Carl Orff, eine der bedeutendsten, anregendsten Persönlichkeiten des zeit genössischen Musiktheaters, hat mit „Carmina burana", die am 8. Juni 1937 im Opernhaus Frankfurt M. ungemein erfolgreich uraufgeführt wurden, einen wahren Welterfolg errungen. Schlagartig wurde der 42jährige Komponist durch dieses Werk bekannt, das er weder als Oper, Kantate noch als Oratorium bezeichnete, obwohl es mit seiner 25 geschlossene Nummern umfassenden Anlage mehr zur letzteren Gattung tendiert. Die Texte stellte Orff aus der anonymen Liederhandschrift „Carmina burana" (= Beurenische Lieder) zu sammen, die um 1280 im oberbayrischen Kloster Benediktbeuren niederge schrieben wurde und heute in der Bayrischen Staatsbibliothek München ver wahrt wird. Hierbei handelt es sich um mittelalterliche Studentenlieder, moralisch-satirische Natur-, Trink- und Liebeslieder in lateinischer, mittelhoch deutscher und altfranzösischer Sprache, um mittelalterliche christlich-heidnische Lyrik der sogenannten fahrenden Gesellen, um derbe Sauf- und Vaganten poesie also, die aber auch von der sublimen Sprache des höfischen Minne gesangs beeinflußt wurde. Die Auswahl, die Orff aus diesen Dichtungen traf, ordnete er in die drei Teile „Versis leta facies" (Frühling), „In taberna" (Schenke), „Amor volat undique" (Liebe), d. h. die Begegnung des Menschen mit der Natur, ihren sich im Wein offenbarenden Gaben und mit der Liebe. Am Anfang und Schluß des Stückes steht ein Chor, der die Göttin Fortuna anruft. Das Schicksalsrad der Fortuna ist „das Gleichnis für das Auf und Ab des menschlichen Lebens". Neben dem trotzigen Aufbegehren gegen Schick salsmächte ist der vorherrschende Grundzug des Werkes die Bejahung des Diesseitigen, der Schönheit, der Freude und Genüsse dieser Welt. Einfache strophische Formen des Volksliedes und Volkstanzes, eine lapidare, einprägsame Melodik, eine vitale, suggestiv-erregende Rhythmik sowie diato nische Harmonik sind zu einem höchst wirkungsvollen Ganzen verbunden. Im Solo- und Chorsatz herrscht das deklamatorische Prinzip, typisch auch ist der weitgehend auf Bläser- und Schlagzeugwirkungen (einschließlich des stäh lernen Martellatoklanges zweier Klaviere) gestellte Klangapparat.