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Sonntag. Nr. 3L7 18. Juli 1852. Leipzig. Di« Zeitung «scheint mit Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags 4 Uhr auS- g'geden g»r«i« für da« Biertel, iahr I'/, LHIr-i jede ein« -eine Nummer 2 Ngr. DellW Mgkmciilc Zcitung. «Wahrheit aud Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Postämter des In- und Auslandes, sowie durch die Expedition in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Wrferttonsgebühr für den Raum einer Zeil« 2 Ngr. Die Zollvereinsconferenzcn in Berlin. Berlin, 16. Juli. Der preußischen Regierung liegt zwar sehr an der Erhaltung »es Zollvereins und an dem Fortbestände naher Beziehun gen zu den südlichen Staaten Deutschlands, da ein großer Theil preußischer Fabrikate gerade dort den geeigneten Markt findet; und deshalb zeigt sie auch das bereitwilligste Entgegenkommen gegenüber den mit Abfall vom Zollver ein drohenden Regierungen, sobald diese nur auch ihrerseits durch ihre Vor schläge an den Tag legen, daß ihre Bemühungen mit Wahrhaftigkeit dem Gemeinwohle ihrer einzelnen wie der Gesammtbevölkerung Deutschlands gel ten. Daß Preußen aber sich nicht selbst aufgeben, durch eine Zolleinigung mit Oesterreich seine Zolleinkünfte nicht in fremde Hände geben kann, ver steht sich ebenso von selbst, als daß von einem Handelsverträge mit Oester reich erst dann die Rede sein kann, wenn diesem Staate gegenüber ein an derer Contrahent vorhanden, d. h. wenn der Zollverein rcconstituirt sein wird. Ebenso liegt cs auf der Hand, daß dieses Letztere nur auf der Grundlage des thatsächlich Vorhandenen, d. h. auf der Basis des Septcmbervertragö, geschehen kann. Dies ist im Wesentlichen noch heute die Lage der Ange legenheit. Daß der hieraus entspringenden Ungewißheit noch immer nicht ein Ende gemacht worden, ist ohne Zweifel zu beklagen, allein man mache nicht der preußischen Regierung hieraus einen Vorwurf. Das kleinere Uebel dem größern vorziehmd, hat sie deshalb die Initiative immer noch hinaus- gcschoben, weil die Verhältnisse im jenseitigen Lager zu der Erwartung be rechtigen, es werde schließlich dennoch der Zollverein auf der erweiterten Grundlage neu errichtet werden, ohne eins seiner bisherigen Glieder zu ver lieren. Die neuen wiener Conferenzen sind nicht zu Stande gekommen, weil sich die zu denselben eingeladenen Staaten, indem sie keinen Nutzen davon erfahren, nicht bereit finden ließen, nochmals Zeit und Geld zu ver schwenden. Die einzige Ausnahme, daß Darmstadt Hrn. v. Biege- lebrn dennoch geschickt hat, bestätigt als Ausnahme nur das Behauptete. Demnach scheint die Innigkeit des Verständnisses zwischen dem wiener Ca- binet und den Coalitionsregierungen eine Lockerung erlitten zu haben, die leicht in Erkältung übergehen dürfte, besonders wenn man erwägt, daß Baden neuerdings zu Preußen eine entschieden 'freundschaftliche Stellung eingenommen hat. XBerlin, 16. Juli. Der momentane Stand der Zollangelegenheil, deren principielle Gestaltung wol als entschieden anzusehen ist, hängt nun von der in Kissingcn tagenden Darmstädter Cvalition ab, die jedoch, wenn auch vielleicht noch nicht für den Augenblick, so doch später, die Ver einigung auf Grundlage der zwischen Oesterreich und Preußen getroffenen Vereinbarung annehmen wird; doch immerhin bleibt der dort gefaßte Be schluß der Coalitionsregierungen von Wichtigkeit, ob auf eine Ausglei chung der Differenzen schon bald zu rechnen sei oder ob es hierzu noch fer nerer weitschichtiger Unterhandlungen bedarf. Die officiöse und inspirirt« Presse beobachtet jetzt ein consequentcs Schweigen, namentlich seitdem nun auch die Arenzzeitung sich zu den wenigen Eingeweihten hinzugesellt hat, und sogar mit der Veröffentlichung des Wortlauts der Verträge drohte, die ihr bei ihrer intimen Verbindung mit Hrn. v. Bismark leicht zugegan- gen sein können. Es wird zur Aufklärung des Zwiespalts zwischen dem Ministerium und der Areuzzcitung wol von Interesse sein zu erfah ren, daß die Zollfrage lediglich den Vorwand hierzu gab; denn in der aus wärtigen Politik ist die Partei der Areuzzcitung gleichfalls für eine Ver- Mittelung mit Oesterreich gewesen, was der ehrenwerthe Nundschäuer nur zu deutlich letzthin ausgesprochen hat. Das Organ hielt jedoch, indem es auch seine freihändlerische Seite zur Geltung bringen möchte und dabei gleich zeitig den Feinden Preußens drohen konnte, daß man preußischerseits even tuell eine freihändlcrische Politik mit Norddeutschland anzufangen gedenke, sich seine Meinung in letzter Instanz offen und da nun aus verschiedenen anderweitigen Ursachen der Ministerpräsident Miene machte, den vielseitigen Bestrebungen der Areuzzeitungspartci entgegenzutreten, so wurde die Oppo- sition auf dem Felde der Zollfrage eröffnet. Wäre demnach ein Ministe rium der Areuzzcitung am Ruder, der Verlauf der Zollfrage würde gerade dieselbe Wendung genommen haben, darüber darf man sich nicht täuschen; denn auch bei ihr stehen die diplomatischen und politischen Beziehungen höher als einseitige materielle, ökonomische Fragen. — Das Dresdner Journal hält, wenigstens zur Zeit noch, die Nach- richt von einer bevorstehenden Conferenz der Darmstädter Verbün deten in Frankfurt oder Darmstadt für unbegründet und glaubt glcichzei- lig, unsere Mitthcilung, daß die österreichische mit der preußischen Negierung ein Abkommen in der Art getroffen oder versucht habe, daß es der preußischen Negierung überlassen bleibe, eine Vereinbarung mit den Darmstädter Negierungen hcrbeizuführen, als irrig bezeichnen zu können. Von Seiten deS-kaiserlichen CabinetS sei aber ebenso wenig ein Schritt ohne Mitwissen der demselben näher befreundeten Staaten geschehen als von Seiten der letzter» in umgekehrter Weise verfahren worden sei. Deutschland. -s-Berlin, 16. Juli. Seit langer Zeit hat kein politisches Ereigniß eine solche Aufmerksamkeit erregt als der gegenwärtige Conflict der „kleinen, aber mächtigen" Areugzeitungspartei mit dem Ministerium. Es ha ben schon zu verschiedenen malen Differenzen stattgefunden und eS wurde auch «ine heftige Opposition geführt, allein diesmal ist der Streit und der Aampf auf eine Weise auSgebrochen, daß wirklich «ine der beiden Partkien sieg«» und die andere unterliegen muß. Die Spannung ist dieserhalb eine ungewöhnliche, da beide Theile an höchster Stelle einen ziemlich gleichbe deutenden Einfluß besitzen und es sich nur fragt, nach welcher Seite hin die Entscheidung fallen wird. Nicht die Zollfrage ist der streitige Punkt, bei welchem man der Ocffentlichkeit gegenüber angelangt, sondern der stei gende Einfluß des Hrn. v. Manteuffel und seines Protege, des Hrn. Quehl, die gemeinschaftlich Miene machten, den Einfluß der Areuzzeitungspartei, so- wol höher» Orts als auch in der Gesetzgebung der Innern Fragen zu neu- tralisiren. Die Gemeindeordnung, die Bildung der l. Aammcr und andere Dinge sind der Kern der Frage, und auch nicht einmal die einzelnen Fra gen für sich, sondern das Herausdrängen der Partei aus dem von ihr be sessenen Einfluß auf die Leitung der Geschäfte im Allgemeinen, hinter den Coulissen, Hr. v. Manteuffel scheint in der That die Absicht zu haben, die Partei mit ihrem Einfluß zu vernichten und sich als alleinige „bureau- kralischc Spitze" ohne jedwede Beimischung zu installiren; wenigstens deutet dies die Sprache des osficiösen Organs des Ministers und seines Adjutanten, des Hrn. Quehl, seit einigen Tagen vollständig an. Der Redactcur Wage ner wird als „fanatischer Jrvingianer" und seine Partei als „fanatisirte und gcmisbrauchte Verführte" bezeichnet. Wenn aber noch irgend welche Zweifel möglich wären, daß es wirklich auf Beseitigung der Junkerpartci abgesehen ist und daß das bureaukratische Regiment rein in vormärzlicher Form wiedcrhergestcllt werden soll, so beseitigt diese ein Leitartikel der heu tigen «Zeit», offenbar aus der Feder des Hrn. Quehl, der gleichzeitig zeigt, daß Hr. v. Manteuffel sich kräftig genug fühlt, seinen Einfluß an höherer Stelle geltend zu machen, die ganze Partei aus dem Sattel zu heben. Zur Beurtheilung theile ich Ihnen deshalb die Hauptstellcn jenes Leitartikels mit, der nur gegen die Krcuzzeitung und ihre Partei gerichtet ist: „Aber der Minister- Präsident hat die Erwartungen der Kreuzzeitung nicht erfüllt, er würdigt unsern König und Herrn nicht herab zum Sklaven einer Coterie, er läßt sich Befehle für sein Verhalten nicht von Jrvingianern oder protestantischen und katholischen Jesuiten dictircn. Daher ihr Zorn und daher ihre Angriffe.... Die Negierung konnte der Coterie, auf deren Schultern das Organ mit dem mis- btruchten Motto «Mit Gott für König und Vaterland» ruht, nichts Schlim meres thun, als daß sie sie bis auf einen Punkt gewähren ließ, an dem die Areuzzcitung bei einer offenbaren Verhöhnung jeder Art der Autorität an langte, die sich ihrem Willen nicht fügte. Einzelne königliche Beamte, die Polizeibehörde, die Staatsanwaltschaft, die Gerichte, daS Ministerium, alle siub-von dem Blatte besudelt und die Creaturen dieses Blattes haben öf fentlich verkündet, daß der Sturz des Ministerpräsidenten nunmehr beschlossen sei und fcststehe. Der blinde Egoismus dieser Leute ruinirt sie sehr schnell.... Mr begreifen, daß die Zeit nicht ausblcibcn konnte, wo es zum entschiede nen Bruch kommen mußte zwischen der Politik des Hrn. v. Manteuffel und der Kreuzzeitungscotcrie. Immerhin! Je früher dieser unvermeidliche Bruch eintritt, desto besser. Er kann nur Schmach abwchrcn und Frieden brin gen. ... Gewiß ist, daß sein völliger Bruch mit einer dem Throne wie dem Lande gleich verderblichen Coterie dem Throne wie dem Lande nur Segen bringen kann. Darum möge sich die Krcuzzeitung mit ihrer kleinen aber mächtigen Partei nur geben. Ihr seid längst erkannt und eure Rodomontaden sind hohl. Wir aber danken euch, daß ihr endlich die Frage zur Entscheidung gebracht habt, ob in Preußen die Könige oder eine kleine und mächtige Partei regieren werden." Die letzte Frage stellt sich richtiger, ob in Preu ßen die Bureaukratie allein oder ob sie mit Hülfe des ständischen Junker- thums und der Adelspartci regieren soll. Die Sprache ist deutlich und für ein ministerielles Organ fast etwas zu handfest. Der Siegcsgewiß- heil, die herausathmet, darf man aber wol noch nicht so unbedingt trauen, denn auch die andere Partei hat tüchtige „Steine in: Bret". Wir se hen den. Streite theilnahmlos zu und können nach keiner Seite Partei er greifen. Die Stellung der beiden Parteien und ihre Nivalisation hatten eine gegenseitige Controle zu Wege gebracht, wobei jede für die andere Rücksich ten zu nehmen hatte, wodurch noch manche schlechte Gesetze und Bedrückungen verhindert wurden; kommt eine dieser Parteien absolut ans Rudcr, so hört jede Controle aus und wir gehen weiter zurück: entweder in bureaukratischer