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128« Die Proeession ging ruhig vorüber; blo- einige protestantische Zeloten zisch, ten und murrten über die Nichtintervention der Polizei. Am 28. Juni gab eS schon Boxereien zwischen betrunkenen Irländern und Engländern; jene hatten nämlich mit dem angeblichen Triumph, den der KatholiciSmuS am 27. Juni erfochten halte, öffentlich geprahlt. Die Nacht verging ruhig, aber da- Feuer glimmte unter der Asche. Am 29. Juni Abends endlich brach die Wuth in beiden Lagern los. Auf dem Platze Hillgatt kam ts zu tinrr förmlichen Schlacht zwischen Irländern und Engländern, und als die Polizei ins irische Viertel eindrang, um die Ruhe herzustellen, wurde sie beinahe gesteinigt; die Weiber und Kinder schleuderten Balken, Steine und Ziegelstücke von den Dächern. Man verlas die Aufruhrakte und re- quirirt« Militär, worauf der Pöbel floh, aber nur, um sein Wesen an- der-wo zu treiben. Die Irländer stürmten das HauS eines Arztes, Na- menS Graham, der bei ihn« verhaßt ist, und die Engländer demolirten dafür zwei katholische Chapels, warfen die heiligen Gerälhe auf die Straße, zerschmetterten eine Orgel, die 400 Pf. St. werth war, schleppten allen HauSrath aus der Wohnung eines katholischen Pfarrers auf die Gasse und machten damit Freudenfeuer an. Außerdem wurden an zehn theils englische, theilS irische Häuser demolirt und geplündert. Daß die Rasenden mit ih- ren Mistgabeln, Brechstangen und Ziegelsteinen einander nicht schonten, läßt sich denken. Einer Wöchnerin, Mistreß Ann Bradley, die im Bette lag, zerstörte man das Dach überm Kopfe, daß die Trümmer auf sie fielen. Ein alter Mann, der sich in seinen Keller flüchtete, wurde dort von iri schen Arbeitern erschlagen, und unter den 114 Personen, die man um Mit ternacht glücklich verhaftete, befanden sich 60 mehr oder minder schwer Verwundete. Gestern herrschte noch die bedenklichste Aufregung in Stock port; die Straßen waren vollgedrängt; Cavalerie und Infanterie stand un ter den Waffen. Eine telegraphische Depesche, die in der letzten Mitter- nacht abging, meldet, daß man einen neuen Ausbruch befürchtete. 500 freiwillige Constables wurden in Eid genommen. Pöbelbanden, welche die Häuser der armen Irländer stürmten, wurden von der Polizei mit Noth im Zaume gehalten. Am 30. Juni, Abends zwischen 8 und 12 Uhr, kamen zu Stock port trotz der getroffenen Vorsichtsmaßregeln wieder die empörendsten Ge- waltthaten gegen die armen Irländer vor. Die irische Bevölkerung des Orts beträgt zwar an 14,000 Seelen, aber die Masse derselben scheint einge schüchtert, Viele flohen nach benachbarten Orten, und so viel man hört, wurde von ihrer Seite kein Widerstand geleistet. Die Polizeimacht bewies sich zu schwach — trotz der 500 freiwilligen Constabler — und von der Verwendung des requirirten Militärs hört man auch nichts. Genug, am 30. Juni Abends zogen organisirte Banden durch die Stadt; die Wohnungen der Irländer und Katholiken schienen ihnen bezeichnet worden zu sein, da sie dieselben ohne langes Suchen heraussandcn. Ein Haufe Männer und Buben, mit schweren Hämmern und Acxten bewaffnet, brach in das Haus des irischen Invaliden Gsodier; da dieser entflohen war, zerschlugen sie seine Mcubleö und ließen seine Frau halbtodt liegen. Das anstoßende Haus, welches leer stand, demolirten sie. Später drang eine ebenso bewaffnete Bande in ein Haus in Watson's Square, wo sich ihr ein Gentleman in den Weg stellte mit der Frage, was man gegen die Inwohner habe. Es sind „verfluchte Rothhälse" (d. h. Papisten), war die Antwort. Als der Gentleman den Tumultuanten Vorwürfe machte, hieß es: Sind Sie vielleicht auch so ein vermaledeiter RothhalS? Dann wollen wir Ihnen den Garaus machen. Auf die Frage eines Andern, was sie denn eigentlich wollten, hieß es: Die Wan zen ausrotten. Als Einer fragte, wer die Angreifer wären, sagte ein junger Bursch kichernd: Holzhauer sind's, die eine kleine Handthierung vornehmen. In- dessen schien die Rotte durch jene Fragen einigermaßen beschämt zu sein und zog ab, worauf der Gentleman nach der Polizei schickte. Noch eine Menge anderer Wohnungen erfuhren eine ähnliche Haussuchung und wurden demolirt; glück licherweise waren die Bewohner meist ausgeflogen. Ein gewisser Caton, der als «in harmloser armer Mann geschildert wird, wurde durch mehre Straßen geschleppt und halb todt geschlagen; ein gewisser Williamson, der sich über ihn warf und mit seinem eigenen Leibe deckte, rettete sein Leben. Daß sich in den Religionshaß auch Brotneid mischte, ist offenbar, denn Mehre aus dem Haufen, die den Caton mishandelten, schrien: „Die Irländer müssen Alle fort, sie nehmen weniger Lohn und ruiniren das Gewerbe." Auffallend ist, daß es der Polizei am 30. Juni nicht gelang, einen einzigen Tumul tuanten zu verhaften. In der Nacht ging das Gerücht, daß große irische Massen aus Manchester, Hydes und andern Städten im Anzuge seien, um an den Protestanten Rache zu nehmen. Dann stände großes Unheil bevor, aber Cardinal Wiseman und Lord Derby könnten sich wenigstens rühmen, daß eS ihrem glücklichen Zusammenwirken gelang, im 19. Jahrhundert das freieste Land der Welt zum Schauplatze eines kleinen ReligionSkriegcs ge- macht zu haben. — Die Times hat heute einen Leitartikel über den vielbesprochenen Fall von Hrn. Mather und die Vertreibung der schottischen Missionare aus Oesterreich, der, von den Ansichten der meisten englischen Journale bisse- rirend, Oesterreich gegen die heftigen Angriffe der englischen Presse in Schutz nimmt. — Auf der Themse nicht weit von GraveSend stieß gestern der stromab dampfende Rav enSbourne gegen die herauffahrende Ducheß of Kent und bohrte sie in Grund. Fast alle Passagiere des letzter» Schiffes, 200 an der Zahl, befanden sich auf dem Verdeck und wurden wie durch ein Wunder von dem Dampfer Meteor gerettet. » elgie«. Griechenland. Triest, 27. Juni. Die mit dem heutigen Levantedampfer auS Athen eingetroffenen Nachrichten sind geeignet, die Besorgnisse, welche die letzten Mittheilungen erregten, einigermaßen zu beschwichtigen. Die Regierung hat sich endlich ein Herz genommen und den Tomuö oder vielmehr di- Ant wort auf denselben, d. h. auf den VerkragSvorschlag des Patriarchen von Konstantinopel, den Kammern vorgelegt. Unter dem Titel eines „organi- schen Gesetzes der Heiligen Synode des Königreichs Griechenland" und auf der Grundlage der von der Regentschaft im Juli 1833 ausgesprochenen Unabhängigkeitscrklärung der hellenischen Kirche räumt dieses ministerielle Projekt der Regierung nicht blos ein, was sie bisher an kirchlichen Befug nissen übte, sondern dehnt ihre Gewalt noch aus; eine Maßregel, die na türlich der ultraorthodoxen Partei, welche gerade das Gegentheil erwartete, sehr unerwartet kommt und ihre Bestrebungen vorderhand zu Schanden macht. Denn di« Kammer der Abgeordneten hat den ministeriellen Ent wurf einstimmig, ohne DiScussion, angenommen und dem Senat überant wortet. Gleichzeitig erfährt man aus Berichten, die der Triester Zeitung zukommen, daß der Mönch Populakis in der Maina verschwunden ist, viel leicht weil die heimlichen Anstifter seiner Umtriebe, di« der Sache, welche sie befördern sollten, mehr schadeten als nützten, eS gerathen fanden, ihr» vom Schauplatze zu entfernen, ehe die Fäden des ComplotS allzu greifbar am Tage lagen. Amerika. x * Neuyork, 19. Juni. Nach 31 Ballotagen war der Whigkonven-t in Baltimore noch nicht soweit gekommen, um sich über die Aufstellung ei nes Whigcandidatcn zu einigen. Die letzten telegraphischen Depeschen rei chen bis 2 Uhr Nachmittags des 19. Juni, wo General Srott 134, Fill- more 128, Webster aber nur 30 Stimmen hatte. — Aus Hondura schreibt man, daß die Insel Ruatan und fünf andere Baiinseln die briti sche Autorität nicht anerkennen wollen und den Schuh des unabhängigen, Staates Honduras angesprochen haben; derselbe soll ihnen auch gewährt worden sein. Die Inseln werden als in voller Rebellion begriffen geschil dert und man befürchtet ernsthafte Verwickelungen. — Nach der New-Jork Tribune herrscht in Neuorleons große Angst vor einer pestartigen Seuche,, die auf einigen westindischen Inseln grassirt und viel bösartiger als die Cholera ist. Das Boston Medical Journal glaubt, die Krankheit sei un verkennbar die echte orientalische Pest, welche ein Schiff aus Afrika, oder Asien nach Madeira und von dort nach Westindien verschleppt hat. Es sei zu verwundern, daß sie noch nicht auf das amerikanische Festland gedrungen. Königreich Sachfen. Dresden, 3. Juli. Die Königin von Preußen ist heute Nach mittag nach Potsdam wieder abgereist. — Von der Polizei wurde hier ge stern der erste Band des Buches: „Reisen nach Nordamerika und zurück in den Jahren 1835—48" von C. E. Richter, nebst Zugabe: „Ein Brief aus Californien", von demselben, Leipzig, Verlag von Kollmann, 1852, mit Beschlag belegt. — Die seit dem Jahre 1842 schwebende Angelegenheit wegen der Anstellung eines Fremdencommissars hat nun endlich ihre Erledigung gefunden; wie wir hören, ist diese Stelle dem zeitherigen Po- lizciakcessisten Bernhard v. Bose übertragen worden. * Leipzig, 5. Juli. DerJnstrumentmachergehülfe Stockinger, eines der leipziger Maiverurtheilten, ist, unter Erlassung von vier Jahren, von der Anstalt zu Waldheim entlassen worden. — In einem ziemlich umfang reichen Preßprocesse, zu welchem der wegen Autorschaft zu acht Monaten- Haft in Hubertusburg verurtheilte ehemalige preußische Lieutenant Heugel Ver anlassung gab, sind schließlich die Urtel gegen die Verbreiter rc. der damals incriminirten Druckschrift gefällt worden. Von den höchsten Strafsätzen wur den Antiquar Jänich mit vier Monaten, Buchhändler Kori mit drei Mo naten und der seit längerer Zeit flüchtige Tischler Gräfe mit ebenfalls drei Monaten getroffen. Kori ist an die Gnade des Königs gegangen. — Die vom Stolle'schen Dorfbarbier in seinen Abonnementseinladungen selbst gebrachte Nachricht, daß er in Preußen von dem Aeitungsstempel befreit sei, stellt sich als durchaus irrig heraus; das Stempelsteuergesetz erleidet in Bezug auf den Dorfbarbier seine normale Anwendung, was für das ge nannte Blatt einen jährlichen Zuschlag von 15Ngr. (den Mimimalsatz) aus macht.— Vor einigen Tagen war die Gattin Robert Bl um's, die schon seit längerer Zeit in der Nähe von Zürich lebt, hier anwesend, um von ihren Freunden auf längere Zeit Abschied zu nehmen, indem sie sich nach. Amerika begibt. Blum's Kinder bleiben bis zu ihrer vollendeten Erziehung, in einem schweizerischen Pensionat. Neuere Nachrichten. ' Köln, 2. Juli. Die Kölnische Zeitung berichtet über den Besuch des Doms durch die Kaiserin von Rußland: Der Platz vor dem Dome war abgesperrt; im Dome selbst befanden sich der Cardinal-Erzbischof, der Dombaumeister und der Präsident des Dombauvereins. Die Kaiserin trat am Arme des Königs durch das mit Laub verzierte Hauptportal und wurde im Langhause von dem Cardinal-Erzbischöfe bewillkommt und namens de- Vrreins von dessen Präsidenten begrüßt. Der Cardinal-Erzbischof erklärte der Kaiserin die Vorwürfe der neuen Glasfenster und führte dieselbe durch das Langhaus bis zum Hochaltäre, wo sie sich auf einen Sessel niederließ und zum Andenken ihres Besuches, auf besondere Bitte, auf einem dazn