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«84 und wird sich wahrscheinlich nach Belgien wenden, da er in Piemont eben- fak- nicht gern gesehen wird. — Zn dem am 28. Juni eröffneten Großrath von Zürich wurde von Seiten der Regierung die Hoffnung ausgesprochen, daß die Bersammlung die-mal nicht auSeinandergehen werdt, bi- das Gesetz über die Geschwo renen durchberathen sei. Turin, 29. Juni. Die Ehegesetzdebatte wird fortgesetzt. Der Priester Robecchi spricht für Annahme deS Gesetzes; er meint, die römische Kirche werde nicht zu Turin verdammen, wat sie in Paris gulheißt. Auch der Domherr Asproni räch wiederholt zur Annahme. Buoncampagni hält eine von häufigen Acclamationen unterbrochene Rede, worin er seinen guten katholischen Glauben betheuert, übrigens die Nützlichkeit und Nolhwendigkeit des Gesetzes darzuthun sucht. Nur der bekannte Menabrea, Führer der Rechten, spricht sich für Verwerfung aus. Turin, 50. Juni. Die Ehegesetzdebatte wird immer lebhafter. Die Abgeordneten Mamelli und Viora beziehen sich auf mehre von der römischen Kirche für verwerflich erklärte Lehrsätze des Professors Nuyh in Betreff der Ehe, was Anlaß zu großem Tumult gibt. Graf Revel erklärt, er wolle das theologische Feld erst betreten, er finde die Vorlage und die Dis kussion des Gesetzes voreilig, denn es mache eine befriedigende Uebereinkunft mit Rom geradezu unmöglich. Hierüber steigt der Tumult aufS höchste. Buoncampagni widerlegt Revel's Behauptung; dieser replicirt. Nach mehr fachen Hin- und Herreden wird die Debatte morgen fortzusehcn beschlossen. — Aus Florenz vom 25. Juni berichtet man der Preußischen Zei- tung: Um die ministerielle Thätigkeit noch mehr zu beleben und zu erleich tern, beabsichtigt der Großherzog, sich mit einem Hof- oder Cabinets- rath zu umgeben, welcher besonders die Revision der organischen Gesetze und die Abfassung der CabinetSordres zu seiner Aufgabe haben würde. Die ser Rath soll aus drei Mitgliedern bestehen. Als muthmaßliche Mitglieder desselben bezeichnet man die HH. Cempini, Ministerpräsident in den Jah ren 1845 — 47, Birchierai, Generalanwalt, und den Marquis Cesar Boc- cella, der somit aus dem Ministerium scheiden würde, um einen einflußrei chern Posten einzunehmen. Doch heißt es allgemein, Letzterer wünsche zu vor noch ein neues Gesetz über öffentlichen Unterricht zu entwerfen und durch zuführen. Alle diese Dinge sind im Werke, obgleich noch nichts Bestimm- les darüber feststeht. — Aus Rom, von wo die Allgemeine Zeitung von einem Kränkeln deS Papstes schreibt, berichtet dieselbe: Als am Gedächtnißtage der Erwäh- lung und Krönung Pius' IX. die große Festfahnc des Heiligen Stuhls auf den Wällen der Engelsburg aufgezogen ward, soll General Gemeau seinen frühem Wunsch, auf der Höhe des Mausoleums Kaiser Hadrian's auch die Farben der französischen Republik auSzuhängen, erneuert, doch wieder um höchsten Orts abschlägliche Antwort erhalten haben; es würde daS wie eine Eroberung aussehen. — Die Kapellmeister der Kirchen sind nach dem Willen deS Papstes aufS neue ermahnt worden, sich beim Orgelspiel wäh rend des Gottesdienstes jeder Beimischung weltlicher Musik und profanen Ohrenkitzels künftig zu enthalten. Der Papst wünscht, daß man fortan in den römischen Kirchen nur Musik höre, „wie sie sich für ein Gotteshaus ziemt". Krankreich. * Paris, 4. Juli. Die immer nach dem Prädicat „nobel" strebende Gazette de France nennt die Reise der Herzogin von Orleans, ihr Zusammentreffen mit den Generalen Changarnier und Lamoricicre, ihren Congrcß mit Hrn. Thiers und andern Notabilitäten der orleanistischen Par tei, einen Conspirationsplan, der äußerst gefährlich sei, und worauf die Auf- merksamkeit der französischen Negierung mit dem Bemerken gelenkt wird, daß man in Belgien schon von einem bevorstehenden Einfalle in Frankreich spreche. Die Gazette de France selbst glaubt gewiß ebenso wenig als die französische Regierung an diese Fabel, und der ganze Aufsatz hat der Ga zette de France zu weiter nichts gedient, als ihrem Haffe Luft zu machen, der sich in nachstehender Schilderung der Orleanisten lebhaft malt. Die Gazette de France hofft oder wünscht vielmehr, daß zu den vom Präsiden ten angedeuteten Aenderungen der Constitution die Streichung des Artikels, welcher den Eid der Treue von allen Angestellten erheischt, gehören werde, weil diese Bedingung alle braven Legitimisten von der Staatsverfassung ent- fernt und den „perfiden" Orleanisten Thor und Riegel öffnet. Sie sagt: „Die orleanistische Partei ist geschmeidig, geschickt im Umwandeln, je nach dem eine Gewalt über die andere triumphirt. Ihre Devise ist: unterthänig zu sein, um zu herrschen. In ihrer Moral ebenso elastisch, wie in ihrem Falle, schnellt sie wieder auf und verwandelt sich während des Aufstehens. Wenn sie aber Formen und Farben wechselt, in ihrer Natur verändert sie sich nicht. Beugsam unter dem Windhauch, ist sie unbeugsam in ihren Be strebungen. Die Eide sind wohlfeil bei ihnen. Die Legitimisten aber sind gerade, bieder und offen, sie wollen keinen Eid leisten mit der Absicht, ihn nicht zu halten." Die Gazette de France hat mit diesem Artikel allen Be sorgnissen der Regierung vor einer Fusion oder von der Gefährlichkeit der bourbonischen Parteien ein Ende gemacht. — Ein legitimistisches Blatt, die Esperance du Peuple in Nantes, hat wegen Besprechung des Briefes vom Grafen von Chambord eine erste Verwarnung vom Präfecten mit fol gender Motivirung erhalten: „In Anbetracht, daß dieser Artikel eine direkte Auffoderung zur Verweigerung des im ß. 14 der Constitution vorgeschrie- denen EideS enthält und daß eine solche Sprache unter den Bürgern dessel ben Landes Spaltungen hervorruft, denen der unermeßliche Zuruf von acht Millionen Stimmen hätte «in Ende machen sollen; in Anbetracht, da nach einer so großartigen Manifestation des Rationalwillens es ein Ver kennen der großm LandeSinteressen anzeigt, wenn man an ihre Stelle die ausschließlichen Interessen einer Partei setzt: ordnen wir an ec." — Ein Complot gegen das Leben des Präsidenten und gegen dessen Regierung ist in der Rue de la Reine Blanche bei der Barriere von Fontainebleau entdeckt worden. Die Verschworenen, welche in Verbindung mit den De magogen von Brüssel und London standen, sollen starke eiserne GaSröhrrn in eine Art kleine Kanonen verwandelt und deren Wirkungen in den Fe stungswerken bei BatignollcS versucht haben. Der Ehcf der Verschwörung heißt Viguier. Der Ciseleurarbeiter S/galon hat die Geschütze angefertigt. Im Ganzen sind 25 verhaftet worden; 13 auf frischer That ertappt und 12 aus den Wohnungen in der Nacht geholt: Die Verhaftungen dauern nach den ersten Verhören fort und werden von den Polizeikommissarin Baltrino und Nus dirigirt. * Paris, 2. Juli. Das gestern entdeckte Complot wird von keinem oppositionellen Blatte besprochen, wenn man nicht etwa den Constitutionnel dazu rechnen will, der vielleicht noch dem Polizeiministerium di« beiden er- haltcncn Verwarnungen nachträgt, und deshalb die Sache als unbedeutend und deren Schilderung als übertrieben darstellen will. Bis zur Anfertigung einer Höllenmaschine ist cs, wie das Pays vermuthet, allerdings noch nicht gekommen, die Sache ist aber trotzdem sehr ernster Natur, und in ihren Folgen für Niemanden ernster als für die wenigen noch hier wohnenden politischen Flüchtlinge, die von den allzu eifrigen Angebern gewöhnlich mit einem jeden derartigen Vorgänge in Zusammenhang gebracht werden. Na mentlich sind cs die deutschen Flüchtlinge, auf denen die ganze Wucht des Verdachts zu lasten pflegt. Es gibt allerdings unter ihnen entschiedene De mokraten, von avancirtcn politischen Grundsätzen, aber Keinen, den nicht der Gedanke an einen politischen Mord mit Abscheu erfüllte, und wir glauben gut unterrichtet zu sein, wenn wir berichten/daß sie sich sämmtlich über die so frühzeitige Entdeckung eines derartigen Complots gefreut haben. Man spricht sogar von einer Deputation der Exilirten, die beauftragt ist, dem Polizeipräfecten Pietri ihre Gesinnungen in dieser Hinsicht und ihre Ent rüstung über einen politischen Meuchelmord auszudrücken. Seit gestern fan den in der Complotangelegenheit acht neue Verhaftungen statt. Unter den Verhafteten befindet sich ein Advocat und ein Mediciner; ein ehemaliger Ar- tillerielieutcnant ist entflohen. Es circuliren verschiedene Gerüchte darüber, denen man jedoch nur wenig Glauben schenken darf. Das Steigen der Börse beweist, daß diese Gerüchte keinen Einfluß auf die Curse ausgeübt haben. — Aus Lille schreibt man über seit einigen Tagen fortdauernde Trans porte mit Ketten aneinandergeschlossener Soldaten, die von St.- Omer nach der Citadelle von Lille unter GendarmeneScorte gebracht werden. Man vermuthet, daß ein Complot die Veranlassung dazu gegeben habe. Hoffentlich wird die Negierung bald darüber Aufklärung geben. — Die unabhängigen Deputirten sollen vor ihrer Abreise eine Art Rechenschaftsbericht abschriftlich zu verbreiten beschlossen haben. — Die Regierung soll ungeachtet der Eidesverweigerung der Generale Bedeau, Changarnier, Lamoriciere und Lcflö deren Pensionirung verfügt haben. — Amtliche Berichte aus Algier vom 25. Juni bestätigen, daß der Araberaufstand im Osten überall unterdrückt und der Feind auf der Flucht war. Der Generalgouverneur hatte daher sein Vorhaben, selbst auf den Schauplatz der Ereignisse zu eilen, nicht ausgeführt. Neber die Vorfälle bis zum 25. Juni sind wenig Einzelheiten nachzutragen. Bei dem Angriffe auf die in die Felsen geflüchteten Kabylen verloren diese viele Leute; auch einige mit den Waffen in der Hand getroffene Frauen wurden niederge macht. Die Franzosen zählten den officiellen Angaben zufolge blos zwei Tobte und vier Verwundete. Der Ueberfall des Holzhauerlager bei Barral durch einen insurgirten Kabylenstamm war nur durch die Schuld eines treu losen Boten herbeigeführt wotden, der den von Barral aus abgefertigten Befehl zum schleunigen Rückzüge drei Tage lang bei sich behalten hatte. Bou-Barghla, der herbeigekommen war, um einen ihm ergebenen Stamm gegen französisch gesinnte Kabylen zu schützen, die ihm unter der Leitung eines Capitäns seine Ernte abmähten, hatte eine Schußwunde am Kopfe erhalten. Die ColonisteN mähen, wie die officiellen Berichte sagen, ruhig unter dem Schutze der Bayonnete ihre Ernte, die sehr ergiebig ausfallen wird. London, 2. Juli. DaS Parlament wurde, wie bemerkt, heute um 1 Uhr Mittags, mit dem üblichen Ccremoniel von der Königin in Person geschlossen. Die Rede der Königin lautet wörtlich: Mylords und Gentlemen! Zch finde mich durch Staatsrückfichten bewogen, Sie früher als üblich Ihrer legislativen Pflichten zu entbinden. Der Fleiß und Eifer jedoch, mit welchem Sie sich Ihrer parlamentarischen Arbeit unterzogen, haben mich in den Stand gesetzt, in dieser vergleichsweise kurzen Session vielen Maßregeln von hoher Wichtigkeit, und wie ich hoffe, von großem und dauern dem Nutzen meine Zustimmung zu ertheilen. Ich erhalte von allen fremden Mäch ten Versicherungen, daß sie von den freundlichsten Gesinnungen gegen England beseelt sind; und ich hege die zuversichtlichste Hoffnung, daß die freundschaftlichen Verhältnisse, welche glücklicherweise zwischen den Hauptstaaten Europa- bestehen, sich so befestigen werden, daß eS mit Hülfe der Vorsehung gelingen wird, der Welt eine lange Fortdauer der Segnungen d«S Friedens zu sichern. Diesem gro ßen Ziele wird meine Aufmerksamkeit unablässig zugewendet sein. Ich freue mich, daß die endliche Beilegung der schleSwig-holsteinischen Angelegenheiten durch daS allgemeine Zusammenwirken der dabei vorzugsweise betheiligten Mächte eine Ur sache neulicher Differenzen und künftiger Besorgnisse beseitigt hat. Die gütliche