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Der Gefangene. Don Berthold Ohlendorf. (Nachdruck verbaten.) Ueber der Heide schwebte der scheidende Sommer und streute seine roten Blüten aus. Sie glühten im flimmernden Sonnenlicht und bildeten den reizendsten Teppich für un bekleidete Mädchenfüße, die, des Wegs und Steges kundig, flüchtig darüber hineilten. Walli hatte den väterlichen Hof versorgt. Nun lief sie in die blühende duftige Heide hinaus, der sinkenden Sonne entgegen. Als sie glauben konnte, vom Hause aus nicht mehr ge- sehen zu werden, zog sie ein Paket unter der Schürze her vor, wickelte den Inhalt aus und betrachtete ihn lächelnd; ein paar Scheiben köstlichen Schwarzbrotes, eine Speck scheibe und ein handgroßes Stück Käse kamen zum Vor schein. Walli hatte diese schönen Dinge heimlich aus der Speisekammer bugsiert, sie waren für den russischen Ge fangenen bestimmt. Mit einem größeren Trupp seiner Landsleute war Nikolaus unter Aufsicht einiger deutscher Feldgrauen hier hergeschickt worden, um Hilse bei den Erniearbeiten zu leisten. Die Gefangenen waren fleißig und willig, am meilien aber tat sich Nikolaus unter ihnen hervor. Er gönnte sich den Tag über weder Rast noch Ruhe, trotzdem ihm die Arbeit schwerer wurde, als den anderen. Nikolaus hatte bei Warschau eine schwere Verwundung davongetragen und war dann in deutsche Gefangenschaft geraten. Nach seiner Wiederherstellung war er nach dem Heidedorfe gekommen. Er saß soeben mit hochgezogenen Knien, den breiten Rücken gegen den Stamm einer Birke gelehnt. Sein Ge sicht war lederartig eingetrocknet und von der Sonne ge bräunt. Ein Leidenszug fiel in deniselben auf. Die braunen Augen unter den buschigen dunklen Brauen blickten ernst sinnend in die Heide hinaus. Da die Gefangenen sich willig und gutartig zeigten, so genossen sie eine gewisse Vergünstigung, wurden nicht gar zu strenge überwacht und von den Ortsbewohnern nicht so ferngehalten wie die gefangenen Engländer, die fast ausnahmslos anmaßend, widerspenstig und arg listig sind. Nikolaus saß da ganz in sich zusammengesunken, und man sah es ihm an, daß dieses Ausrnhen bei ihm einem tiefinneren Bedürfnis entsprang. Ihm Fluchtgedanken zu- zumuten, wäre unsinnig gewesen. Und doch mißtraute Wallis Vater, der Bauer Panhus, dem Burschen. Er hatte bemerkt, daß seine einzige Tochter Walli, welche ja doch mit dem prächtigen Christoph, dem einzigen Sohn des reichen Nachbarn, fest versprochen war, daß Walli schöntat mit dem Russen, daß die beiden ewig heim- lich zujainmensteckten. Eine Täuschung war ausgeschlossen. Doch vieles oder gar unnützes Reden ist dem Heidcher fremd. Daher zögerte Panhus, feine Tochter zur Rede zu stellen oder darauf zu dringen, daß der fremde Bursche durch die Militärbehörde von hier ent fernt wurde. Seltsam war es, daß auch der Bauer warme Teil nahme für den gefangenen Russen hegte, und daß der Gedanke, den Heimatlosen anzuklagen und fonzuweisen, ihm schmerzliches Weh verursachte. Das sollte ihn jedoch nicht daran hindern, so zu handeln, wie er es für nötig fand. Der Christoph war vor einiger Zeit um Urlaub ein gekommen und hatte seinen baldigen Besuch in Aussicht gestellt. Panhus achtete gespannt darauf, ob die Walli dar- über Freude oder Bangigkeit und Verlegenheit zeigen würde. Die Walli jedoch hatte vor Freude darüber, daß sie ihren Schatz Wiedersehen sollte, hell wie eine Lerche aus- gejubelt, und sie konnte kein Ende finden mit allem, was sie dem Heimkehrenden zugute tun wollte. Der Bauer hatte ihr mit ernstem, eindringlichen, Blick in die lieben, blauen Kinderaugen gesehen, sie waren so klar wie die Tiefen eine» Bergsees. Da hatte Panhus sich seufzend den ergrauenden Schopf gekraut. „Ein Jammer, daß die Bäuerin schon vor Jahren dahingegangen war. Wie follre er j,ch aus kennen mit dem jungen Volk!" Es war ihm nicht entgangen, oaß Walli Brot und Zubrot zur Seite schaffte. Und jetzt lief sie wieder hinaus in die abendliche Heide. Panhus folgte heute seinem Kinde. Er wollte sich endlich Gewißheit durüde, schätzen, was zwischen den beiden vorging. Ungesehen, durch allerhand an, jchnalen Rain schattendes Buschwerk gedeckt, gelang e? ihm, io weit vnr- zudringen, daß er die beiden nicht nur beobuacken konnte, sondern auch verstand, was sie sprachen. Der Nikolaus wollte sich erzeren, als die Walli, ein wenig atemlos, zu ihm beranhuschte und ihm die braune Hand auf die Schulier legie. „Bleib' du nur sitzen, Nikolaus, hast das Ausruhen nötig genug!" Der Russe nickte, und sic sahen sich herzlich in die Augen, freilich nicht wie Liebesleute, sondern mit ge schwisterlicher Innigkeit. Dem Bauern ging es durch und durch, und er mußte sich plötzlich seines kleinen Sohnes erinnern, welcher einst, drei Jahre alt, verschwunden und als tot beweint worden war. Man hatte damals als selbstverständlich an genommen, daß der Kleine sich in der Heide verirrt, dort in einen der tiefen Tümpel gefallen und um gekommen war. Woher kamen Panhus so unvermittelt diese Er innerungen und dazu das bange, schmerzhafte Herz- klopfen? Walli sagte: „Wenn du deiner Sache sicher bist, wollen wir es dem Vater Mitteilen. Er ist bereits auf merksam geworden auf unser Berlrautsein und sieht mich oft so vorwurfsvoll fragend an. Auch kommt mein Christoph demnächst heim. Er müßte es unbedingt erfahren." In den tiefliegenden Augen des Russen leuchtete es auf. „Nein, ich zweifle nicht langer. Da» Schicksal HB «ich in mein Elternhaus zurück geführt. Ich bin dein älterer Bruder, Walli. Dort drüben, wo die Onells rinnt, muß es gewesen sein. Ich erinnere mich dunkel der Einzel heiten. Ich konnte nicht noch Hanse finden und weinte. Da kam eine buntgeputzte Frau, hob mich auf ihren Arm und streichelte mich. Was sie sagte, konnte ich nicht ver stehe». Es muß eine Zigeunerin gewesen sein. Jeden falls bin ich dann eingeschiafen, und als ich wieder munter wurde, waren wir wokl weit fort von meinem Elternhause. Eine große Zigsunerbai.de »mwö mich. Wie ich später hörte, sind sie dann nach Rußland gewandert. Dort wurden sie meinetwegen scharf ins Verhör genommen. Sie machten sich heimlich aus dem Staube und ließen mich zurück. Ich kam zu meinem Pflegevater, einem bru talen Bauern. In unserem Dorfe wohnten Deutsche, zu welchen ich oft ging. So kam es, daß ich meine Mutter- spräche nicht verlernte. Ich habe nie über meine Herkunft gegrübelt, trotzdem ich oft ein brennendes Heimweh emp fand. Als ich hier Herkani, wurden unzählige Erinnerungen in mir wach. Ich erkannte unser Haus und den Garten wieder. Trotzdem, liebe Walli, möchte ich dich bitten, auch ferner zu schweigen. Der Vater könnte mich für einen Gauner halten. Und wozu der Aufruhr! Ich habe nicht mehr lange zu leben." „Das wollen wir nicht hoffen!" sagte Panhus, tief er schüttertvortretend, „und du brauchst lücht zu fürchten, daß ich an deinen Worten zwrisle, Niklas. „Der Vater!" rief Walli aufspringend. Auch Nikolaus hatte sich erhoben. „Meine Kindheit war hart und liebelcer, doch schlecht bin ich nicht ge worden l" „Dafür sei Gott Lob und Dank. Aber zeig' mir deinen Nacken! Dort hattest du, kaum ein Jahr alt, ein böses Geschwür. Die Narben müssen noch vorhanden sein." Der Bursche streifte das grobe Hemd zurück. Zwei schmale Narben wurden sichtbar. „Mein Sohn!" „Mein Vater — meine geliebte Schwester!" Eng umschlungen standen sie da, Unbeschreibliches ging in den drei Menschen vor. „Wir werden alles aufbieten, um deine Gesundheit zu kräftigen und dein Los zu erleichtern," sagte Panhus end lich, „und wenn wir Frieden haben, kommst du nach Hause und trittst dein Erbe an. Daß Gott meine alten Tage so reich segnen würde, ahnte ich nicht!" Glücktrunken schaute der Gefangene um sich. Er hatte die Heimat wiedergejuuden, die geliebte deutsche Heimat. So hatte der unheckschmere Kriege auch einmal Sezen ge stiftet und diejenigen wieder ver int, welche durch die Willkür einer Landstreicherin au-ei landsrgerisjsn worden waren. Kleine Nachrichten. kk Eicks unserer Unterseeboote hat im englischen Kanal einen großen englischen? Kreuzer'^mit 4 Schornsteinen (kl 150 Tonnen) durch Torpedoschuß versenkt. Unsere Unterseeboote haben im Sperrgebiet um England wieder 55 500 Tonnen versenkt. kJ Die Vielverbandskonferenz in Paris hat nach einer italienischen Meldung den vierten Winterfeldzug end gültig beschlossen. Am Chemin des Dames wurden den Franzosen wichtige Höhenstellungen genommen und über 1500 Gefangene gemacht. Die russische Regierung übernahm nach einer eng lischen Meldung das Oberkommando des russischen Heeres. Die schwedische Amerikakommission erhielt von Wilson den Bescheid, daß Schweden die gesamte Ausfuhr nach Deutschland einstellen müsse. Allerlei aus nah und fern. — Durch Kali vergiftet. In der Gemeinde Steinheim in Westfalen hatte ein 3jähriges Söhnchen'der Familie Wilhelm Rüsenberg während des Spielens mit anderen Kindern aus einem Sack mit Kalisalz gegessen. Trotzdem sofort ärztliche Hilfe zur Stelle war, trat der Tod infolge innerer Verbrennung ein. — Der Wert der Zeitungen in Kriegs zeiten. Die in den Vereinigten Staaten von der Volksvertretung zu Fall gebrachte Absicht, das Porto für Zeitungen zu erhöhen, hat die „Financial Times" zu einem Leitartikel veranlaßt, in dem unter anderem gesagt wird: „Von allen Formen der Sparsamkeit, die non den Bürgern einer freien Nation geübt werden können, würde eine Sparsamkeit in der Verbreitung von Kenntnissen, eine Verringerung der allgemeinen Intelligenz, die unheilvollste sein. Es bedarf sicherlich keines Be weises, daß, wenn wir die Presse vernichten, wir die Quelle der Zivilisation und des Fortschrittes versiegen lassen. Die Presse ist, gleichviel, was sie für ihre Be sitzer abwirst, eine öffentliche Einrichtung, eine soziale Notwendigkeit unseres Daseins als eines einigen und gesetzmäßigen Volkes". — Eine neue Raupenplage in Sicht. Der Kohlweißling'ist in diesem Jahre infolge der großen Trockenheit in größeren Mengen aufgetreten. Er hat seine Eier schon abgelegt, und zwar in solchen Mengen, daß für August, wo die zweite Generation auskriecht, eine Raupenplage bevorsteht. Die Kohlernte, die gut zu werden verspricht, kann enormen Schaden erleiden, wenn keine Schritte zur Abwendung der drohenden Gefahr unternommen werden. — Von der Polizei wurden in Naumburg 3000 Schock Gurken beschlagnahmt, die ihr Aufkäufer über den Höchstpreis hinaus bezahlt hatte. Die Gurken wurden an die Einwohnerschaft zum Preise von 5,50 M. für das Schock verkauft. — Die Gefahr des Starkstroms. In Pader born hatte ein Sturm im Garten der auf dem Inselbad be findlichen Wirtschaftlichen Frauenschule einen elektrischen Leitungsdraht abgerissen. Als mehrere der Schülerinnen den Garten betraten, kam die 19jährige Gerta Kroll, die einzige Tochter einer in Aachen wohnenden Witwe, mit dem Draht in Berührung und brach tot zusammen. Eisenbahn-Fahrplan. Gültig vom 13. Juli bis mit 24. August. Kipsdorf—Hainsberg—Dresden. *) 8) Ab Kipsdorf 4,45 8,27 12,05 4,12 5,45 6,05 8,— „ Dippoldisw. 5,25 9,07 12,47 4,54 6,25 6,49 8,42 „ Malter 5,36 9,19 12,59 5,06 6,407,00 8,53 „ Seifersdorf 5,43 9,25 1,06 5,13 6,47 7,07 9,— „ Spechtritz 5,50 9,32 1,12 5,19 6,53 7,14 IV. 9,07 „ Rabenau5,58 9,39 1,19 5,267,007,21 — 9,14 „ Coßmsdrf. 6,09 9,50 1,30 5,37 7,117,32 — 9,25 An Hainsberg 6,14 9,55 1,35 5,42 7,16 7,37 — 9,30 „ Dresden 6,46 10,24 2,06 6,118,06 8,06 — 10,11 „ Tharandt 6,3011,05 1,51 6,017,527,52 —10,26 „ Freiberg 7,45 1,39 4,23 7,57 9,37 9,37 — 1,14 *) Nur Sonn- und Festtags und nur nach Bedarf. §) Verkehrt Sonnabends nicht. Außerdem aus Rabenau VV. morgens 6,55, ab Coßmannsdorf 7,06, an Hainsberg 7,11, an Dresden 7,39. Dresden-^Hainsberg—Kipsdorf. 'M 8) Ab Freiberg 5,31 6,39 7,46 12,37 12,37 3,29 5,46 8,51 „ Tharandt 6,17 7,27 9,57 1,38 1,38 5,43 7,36 9,42 „ Dresden 5,587,26 8,56 1,15 1,15 5,317,20 9,54 „ Hainsberg 6,35 8,0210,08 2,— 2,155,598,-10,26 „ Coßmsdrf. 6,428,0910,14 2,06 2,21 6,058,0610,33 „ Rabenau6,548,23 10,26 2,17 2,326,168,1810,45 „ Spechtritz 7,- 8,30 10,32 2,23 2,386,228,2410,51 „ Seifersdorf 7,068,3810,38 2,29 2,44 6,28 8,3010,58 „ Malter 7,148,4910,46 2,37 2,526,378,3811,06 „ Dippoldw. 7,28 9,0610,58 2,50 3,056,528,52 11,19 An Kipsdorf 8,109,4711,38 3,30 3,457,329,3211,59 -ff) Nur Sonn- u. Festtags und nur bis auf weiteres, ch-fi) Nur Sonn- und Festtags und nur nach Bedars. tz) Fällt bis 24. August ganz aus. Außerden ab Dresden VV. nachm. 6,28. ab Hains berg 7,01, ab Coßmannsdorf 7,07, an Rabenau 7,17. §ür Zis E» EssE Äinnrer,kr- unseren Uok44<- 4444^3 §4^44 Die MMem m Max Mrs, am Markt, empfiehlt sich zur Anfertigung aller ins Fach schlagender Arbeiten. Ausführung von Einbänden von den Einfachsten bis zu den Elegantesten, Mappen, Kästen, Einrahmung von Bildern usw. KrAkter^uM (Treibriemen - Wachs), Riemen binder (Zick-Zack), Motoren bläser sind wieder eingetroffen und empfiehlt ümmuon Liglkr. Adretten, hochfeine Marken, auch in Feldpost packungen empfiehlt Holzrechen empfiehlt Fritz Pfotenhauer. Einlfleißiges, kräftiges hausmätlchen zum baldigen Antritt gesucht. Gasthof „Amtshof", Rabenau. Gesucht wird ein Dienstmädchen für Privat nach Auswärts. Zu erf.Gärtnergasse 108. in grünem Lederarmband von Stuhls. Beckert bis Bahnhof Ra benau verloren. Gegen Beloh nung abzugeben aus Bahnhof Ra benau. Wes Mm M ziö^ei aus Priv. zu k. ges. Angeb. m. Preis Ikvgvl, 0r«8ä«n-^Il8t,, Rosenstr. 941. keimten in Keles und Muschelfleischpaste empfiehlt Fritz Pfotenhauer.