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Freitag. Zweite Ausgabe. Abends 6 Uhr. 18. Juni 1852. Efipzig. Die Zeitung er. scheint mit «»»nahm« de, »onntag« Uj^tchzwei mal uu» mlrh ««»gegeben in Vormittag« l l Uhr, Abend« « Uhr! in Druden Abend« b Uhr, Normittag« 8 Uhr. »««ich für da« Vierteljahr »V.THlr^ jede einzeln« Num mer l Ngr. —- Rr.S82. -— DcuW AllMciiik MW. Zu beziehen durch alle Post ämter de« In - und AuNan» de«, sowie durch die Srptdi- tionen in Leipzig sOuer» siraße Nr. 8) und !v»»»d«» <bei L. HSckner, Neustadt, Au der Brücke, Nr. I.) »Wahrheit u»d Recht, Freiheit »d GesetzI» Insertionlgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Die Zoüvereinsconferenzen in Berlin. X Berlin, 17. Juni. Seltsamerweise findet man in der vsficiöfcn Presse Preußens und Oesterreichs die eigenthümliche Erscheinung, daß beide di« Unterhandlungen in der Aollfragc,. welche neuerdings durch Hrn. v. Bismark angeknüpst worden- ablrugnrn. Man muß dies aber sawol vom diploma tischen Standpunkte wie vom politischen Nühlichkeitspnneipe aus ebenso na- türlich als gerechtfertigt finden. Preußen, welches die Verhandlungen an- -eknüpft, hat alle Ursache- schon die Anknüpfung derselben, welche nicht ohne Grund als Nachgiebigkeit gedeutet wird, « Abrede zu stellen; dann aber muß es auch durch die Macht der äußern Verhältnisse und durch vollstän diges Schweigen möglichst günstige Bedingungen bei den Verhandlungen er zielen. Oesterreich hat dieselbe Veranlassung in Bezug auf den lctztgenann- ten Punkt. Durch immer wiederholte große Federungen in der osficiellen Presse glaubt es mehr zu erhalten, und dann ist es auch Brauch diploma tischer Courtoisie, während der Führung geheimer Unterhandlungen nichts in die Oeffentlichkeit dringen zu lassen. Dieser letzte Punkt muß aber bet diesen wichtigen Unterhandlungen, die noch obenein als „geheime" gel- len, doppelte Berücksichtigung finden, und bei der offenkundigen That- sache der Mission des An. v. Bismark unter den gegenwärtigen Ver hältnissen muß sogar direct das Gegentheil behauptet werden. Die Zei ten der ausschließlichen Glaubwürdigkeit officieller Versicherungen sind vorüber und dürften schwerlich je wiederkehren. Wollte man den of- fikiellen Berichten Glauben schenken, so stände es sehr traurig um die han delspolitische Angelegenheit in Deutschland und um den Zollverein. Oester reich hat die Verhandlungen abgebrochen (jedoch schon unterm 23. Mai) und sagt sehr deutlich in seiner letzten von Ihrer Zeitung veröffentlichten Not«: daß, da alle Erörterungen nichts fruchten und zu keinem Zwecke füh ren, man den Dingen ihren freien Lauf lassen müsse, um zu sehen, wer eher ohne den Andern fertig werden könne, ob Preußen mit Neconstiluirung d«S Zollvereins- oder Oesterreich mit dem Abschlusse seiner projectirten Ver träge. Oesterreich hat einstweilen sei» sicheres Gebiet, eö kann ruhig ab- warten, denn die Zeit drLigt nicht zum Abschluß jener Verträge, die erst neu ins Leben gerufew werden solle». Es befindet sich ruhig in einer De- sensivposition Und, kann mit Gteichmuth die Bewegungen des Gegners be obachten und seine Stellung jederzeit danach einrichten. Diesen großen Vor- «heil hat man auch in der Rot« ausgedrückt durch die sehr feine ironische Wendung: daß man es der Erfahrung überlassen müsse, darzuthun, wel cher von beiden Wege«, der Oesterreichs oder der Preußens, zum Ziele führe. Pr«ußen dagegen wird durch die Zeit arg gedrängt, die Ausführung des Septembervertrags, der Ablauf des Zollvereinsvertrags, der sämmtlichen Han delsverträge rc. stehen vor der Thür; es befindet sich in einer offensiven Siel- iung und ist durch die Darmstädter Verbindung eingeengt. ES mußte her- austreten mit der Initiative, da sonst Alles in Frage stände. Die augsburger Allgemeine Zeitung theilt auffallenderweise erst jetzt die drei Aktenstücke der Darmstädter Konferenz mit, und zwar in Uebersetzung nach einem französischen Blatte, nachdem diese Akten stücke bereit- gegen Ende April dieses Jahres von den deutschen Blättern im Original veröffentlicht wurden. Die Deutsche Allgemeine Zeitung that düs in Nummer 194. Dent fehl arid. Frankfurt a. Nk., 16. Juni. Die Frankfurter Postzeitung vernimnjt, daß Oesterreich in der letzten Sitzung der Bundesversammlung den Antrag stellte, die Bundesversammlung möge nach vorheriger Erledigung mehrer wichtiger« Fragen ihre Sitzungen bis 1. Aug. vertagen. Unter diesen noch zu erledigenden Fragen nehmen diejenigen der Aufstellung glei cher normativer Bestimwungen für die Prcßgesctzgebimg innerhalb des Deut schen Bundes eine Stelle ein. Die Abstimmung» über den Vcrtagungsantrag soll in 14 Tagen erfolgen. — Bekanntlich haben die beiden in Schleswig-Holstein paciscirend ausgetretenen deutschen Großmächte Oesterreich und Preußen dem Bundes tage Bericht über ihre Thätigkeit zu erstatten gehabt. Oesterreich hat die ses Geschäft an Preußen abgetreten und dieses führt nun in seiner den ein zelnen Bundesregierungen mitgetheilten Denkschrift-in der schleSwig-holstei nischen Sache aut: „1) daß die Bewegung der Herzogthümer ein unberech- tigter Aufstand gegen den Landesherrn gewesen sei, und 2) daß der An- spruch der Herzogthümer Schleswig und Holstein auf eine immerwährende, un zertrennliche Verbindung verfassungsmäßig unbegründet sei." * Bott der Oder, 16. Juni. Die Dampfwallfahrt frommer Preußen zum Fronleichnamsfeste nach Wien ist nicht zu Stande gekommen. Die Jesuiten werden dies dem Mangel an römisch-religiösem Sinn, die gemüth- lichen Wiener dem Mangel an großdcutschem Patriotismus, die enragirten Preußen einem echtpreußlschcn Sinne zuschreiben; und dennoch irren sie Alle. Wie in so vielen Stücken herrschen hier profane Gründe vor. Die guten Wiener, welche cs 1848 sattsam bewiesen, daß sie für specifisches Römer thum eben nicht schwärmen, hatten es bei der beabsichtigten preußischen Dampfwallfahrt wol weniger auf die Erbauung der preußischen Seelen als auf die Acquisition einer guten Quantität harter preußischer Thaler abge sehen. Man kann ihnen das gerade nicht verdenken; allein wie die preu ßische Opposition in der Zollvereinssache haben auch die specifisch-römischcn Preußen, die jener Wallfahrt nicht abgeneigt waren, ihre Thaler sehr lieb und wollten deshalb auf die österreichische Bedingung, durchaus acht Tage in Wien bleiben zu müssen, nicht eingchen, weil sie die damit verbundenen Kosten scheuten. Allerdings konnten sie ihren frommen Zweck an Einem, dem Festtage, erreichen. Warum sollten sie noch sieben Tage in allerlei wiener Sinnenlust zubringen! Daher unterblieb diese jesuitisch-römisch-poli- tische Demonstration. Allein aufgcschoben ist nicht aufgehoben. Nach vie len, den berliner Zollvereinsconfercnzen ähnlichen schleppenden Unterhandlun gen mit der österreichischen Eisenbahnverwaltung hat diese es endlich erlaubt, baß die preußischen Wallfahrter schon nach vier Tagen von Wien in ihr Vaterland zurückkehren können. Unterdcß ist freilich, wie das bei diploma tischen Verhandlungen nicht selten geschieht, die schickliche Zeit vergangen. Das.Fronleichnamsfest ist vorüber. Jndeß hindert dies deutsch-patriotische Preußen nicht, ihre guten Thaler nach Wien zu tragen, wenn auch nicht zu römischen, doch zu politischen Demonstrationen. Die Entrepreneurs wenig stens haben ihre Wallfahrt noch nicht aufgegeben. Sie fodern zu einer neuen unter der obbenanntcn österreichischen Concession auf. Wir zweifeln jedoch, daß der beabsichtigte Kreuzzug, der, nun alles kirchlichen Charakters entkleidet, einen rein weltlichen, wo nicht politischen hat, nun noch zu Stande kommen wird. — Aus dem Jahrbuch der römisch-katholischen Kirche erfahren wir folgende statistische Notizen: „Unter Sr. Heil, dem Papste, als Ober haupt der katholischen Kirche, leiten jetzt 147 Erzbischöfe, 584 Bischöfe, 71 apostolische Vicare, 9 apostolische Präfecte, 1 apostolischer Custos und 3294 Missionare, die über alle fünf Welttheile verbreitete, fast 200 Mill. Gläubige zählende Christenheit. Die katholischen Missionen bestehen aus 140 Bischöfen und 4800 Priestern." Frankreich. PariS, 15. Juni. Die Kölnische Zeitung gibt folgenden Bericht über die heutige Sitzung des StaatsratHS, in welchem über die Confiscationsdecretc bezüglich derOr- leans'schen Güter verhandelt und entschieden werden sollte. Den Vorsitz führte Hr. Barsche, der Vicepräsident des Staatsraths. Um 10'/- Uhr wird die Sitzung eröffnet. Hr. Cornudet, Berichterstatter des Conflictco- mite, hat das Wort. Er wiederholt nur die schon bekannten Hauptpunkte der Frage: „Durch ein Dekret vom 22. Jan. 1852 hat der Prinz-Präsi- denk der Republik alle Güter, über dke der König Ludwig Philipp durch einen Schenkungsact vom 7. Aug. 1830 zu Gunsten seiner Kinder verfügt hatte, al» dem Staat angehörig betrachtet, weil der Schenkungsact dem alten Grundsatz des französischen StaatörechtS von der Vereinigung der Pri vatgüter jedes Fürsten bei seiner Thronbesteigung mit den Staatsdomänen zuwider war und in trügerischer Absicht das dem Staat erworbene Eigcn- thum demselben zu entziehen bezweckt hatte. Die Prinzen des Hauses Or leans haben nun gegen die Agenten der Domänenvcrwaltung wegen Besitz ergreifung der Domänen Neuilly und Monceaux beim Cwilgericht von Paris eine Klage eingeleitct und letzteres sich in Betracht, daß es sich um eine Eigenthumsfrage handle, für kompetent erklärt. Hiergegen hat nun der Seinepräfect im Namen der Domanenverwaltung ein« Conflictbeschwerde beim Staatörath erhoben. Die Prinzen des Hauses Orleans behaupten nun ihrerseits, dem Entscheid des Livilgerichts entsprechend, daß ihre Klage keinen andern Gegenstand hatte als die Frage, ob sie Eigenthümcr seien oder nicht; daß in jedem Falle ein Theil der streitigen Güter ihnen nicht kraft der Schenkung vom 7. Aug. 1830, sondern durch, Erbschaft der Ma dame Adelaide zugchöre, und ersuchen deshalb den Staatsrath, den vom Seinepräfect erhobenen Conflict zu annulliren." Unter tiefem Schweigen ergreift hierauf der Advocal Paul Favre, Sachwalter der Orleans'schen Erben, das Wort. „Gewöhnlich", sagt er im Eingänge, „handelt es sich bei Conflict- sachen blos um die Frage, ob man durch diesen oder jenen Richter gerichtet werden soll. Heute handelt cs sich aber darum, ob man überhaupt einen Richter haben soll. Kein Richter, kein Recht, war daö Axiom des Mittelalters, und dies ist eine Wahrheit aller Zeiten. Die Sache, die uns beschäftigt, ist