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»«4 dabei beruhigen wird, daß in seiner Kirche eine katholische Civilgemeinde ge bildet werde. Die Sache erregt hier Aufsehen, und man hort starte Ut- thcile über den katholischen Klerus. Der Ausfall der allgemeinen Kirchen- collecte zu Mitteln gegen die Jesuiten ist hier über alle Erwartung reichlich ausgefallen. Spccielle Mittheilung behalte ich mir vor. > Breslau, 15. Juni. DaS große Fest, welches die Stadl dem zur Besichtigung der Industrieausstellung anwesenden Königspaare vorgestern im Theater veranstaltet hatte, wäre gestern fast Veranlassung zu einem Theaterbrande geworden. Die Direclion hatte nämlich auf die schaulustige Neugier des Publikums spcculirt und auf dem gestrigen Zettel angezeigt: „Der Zuschauerraum bleibt zur heutigen Vorstellung in derselben Weise be- corirt, wie zum gestrigen Feste." An demselben Abende eröffnete die unver gleichliche Fran Bayrr-Bürck ihr Gastspiel als Julia in „Romeo und Julia". So verdankte die Künstlerin den bunten chinesischen Lampen, welche diesmal die Shakspeare'sche Tragödie im rothen und grünen Farbenschim- mer erscheinen ließen, ein, mit Ausnahme des ersten Range-, volles Haus. Frau Bayer-Burck, zum ersten male in Breslau anwesend, brachte einen Eindruck hervor, der mit den drei Worten: gewaltig, erhebend, zauberisch- nachklingend bezeichnet werden kann. Während das Auditorium, von der schö nen Kunstlristung hingerissen, lauschend den Athem anhielt, erscholl plötzlich von der Galerie herab der Ruf: Es brennt! Alles blickte starr auf. Eine der papierenen chinesischen Laternen war in Brand geralhen, der bereits eine Säule zu erfassen drohte. Das ängstliche Drängen der Anwesenden, die nun fast Alle zugleich hinaus wollten, sah gefährlich aus. Die Besonnen heit einiger Personen hielt jedoch den größern Theil noch zurück, sich selbst durch überstürzendes Hinausdrängen Unglück zu bereiten. Die Laterne brannte auch allein ab, ohne weitern Schaden zu thun, die andern Laternen wurden aus Vorsicht ausgelöscht und die Vorstellung nahm ihren Fortgang. — Graf Ne- ventlow, ehemaliger Statthalter von Schleswig-Holstein, weilt gegenwärtig mit seiner Familie hier. Wo er sich blicken läßt, erregt die edle Erscheinung Aufsehen. Derselbe beabsichtigt, sich in Schlesien, wahrscheinlich in der Nähe von Oels, anzukaufen. — Während seit längerer Zeit bereits die amtlichen Bekanntmachungen nur der Conservativen Zeitung für Schlesien mitgetheilt werden und es den andern drei hiesigen Zeitungen unverboten bleibt, sie TagS darauf nachzudrucken, hat der hiesige Magistrat dieser Tage eine der artige Demonstration gegen die Breslauer Zeitung kundgegeben, welche Demonstration darum von Bedeutung erscheint, weil die genannte Zeitung die einzige konstitutionelle in Breslau ist. Während nämlich die konserva tive und Schlesische Zeitung das Glückwünschungsschreiben des Magistrats zur silbernen Hochzeit des Prinzen Karl und die darauf erfolgte Antwort erhielten, wurde dir Breslauer Zeitung bei dieser Zusendung übergangen. We gen der neuen Stcmpelabgaben, die bereits vom 1. Juli ab ins Leben tre ten, wird der Preis einer jeden der hiesigen Zeitungen um 15 Sgr. vier teljährlich erhöht werden. *Aus der Provinz Preußen, 15. Juni. Die Jesuiten Mission in Danzig hat den ersten Abschnitt ihrer Thätigkeit beendigt. Nachdem die drei Missionare seit, dem Pfingstsonntage -12 Misfionspredigten in der Bri- gittenNonnenkirche gehalten, haben sie seit vorigem Sonnabend eine Pause eintreten lassen, um acht Tage auszuruhen und dann eine zweite Mission in einer andern Kirche Danzigs zu beginnen. Hierauf werden sie ihre Wan derung durch die Provinz fortsehen und sich zunächst nach Marienburg wen den, wo sie sehnsüchtig erwartet werden. Bei allen diesen Jcsuitenmissionen, in Schlesien, Westfalen, hier und andern Orten, zeigt sich ein und dieselbe planmäßige Einrichtung des Geschäfts: es arbeiten, sich ablösend, drei bis vier Prediger; drei Vortrage finden täglich statt, Morgens 9, Nachmittags 3, und Abends 7 Uhr. Nach der ersten Predigt wird ein Hochamt, nach der zweiten die Vesper, nach der Abendpredigt die Beichte gehalten. Die Predigten stehen in organischem Zusammenhänge und bilden rin fortlaufen des Ganze, bei welchem der Hauptnachdruck stets auf das Alleinseligma chende der katholischen Kirche, auf die unbegrenzte Hoheit der priesterlichen Autorität und auf die Höllenqualen der ungläubigen Sünder gelegt wird. Diese Höllenschilderungen sind so gräßlich und tief ergreifend, daß der größte Theil der Zuhörer von Entsetzen und Zerknirschung überwältigt wird und so wohl präparirt vor den BiichtstUhl kommt, daß eine unbedingte Unter werfung der Beichtenden unter die priesterliche Gewalt völlig gesichert ist. Zu einem erfolgreichen Kampfe gegen diese gefährliche Macht fehlt »S ge genwärtig an wirksamen Mitteln. DaS Danziger Dampsboot, ein notorisch subventionirtes Blatt von echter Kreuzzeitungsfarbe, enthält einen Corre- spondenzärtikel aus Marienburg, worin der dortige evangelische Prediger R. sehr hart getadelt wird, weil er in starken Ausdrücken von der Kanzel herab vor den Jesuiten gewarnt hatte. Unter Anderm sagt jener Corrrspondent: „Es ist von einem Geistlichen unverantwortlich, dergleichen öffentlich von der Kanzel zu reden; er hat durch diese Rede offenbar «ine Aufreizung gegen die Regierung zu Wege gebracht: denn das Predigen ist den Jesuiten von der Negierung gestattet." ^Bom Main, 15. Juni. Es ist wahrhaft komisch, mit welcher Nai- vetät die österreichische Presse die Fesseln rühmt, welche ihr durch die neuesten dortigen Strafbestimmungen über Preßvergehen angelegt werden. Sie jauchzt über die Aufhebung der Censur. Wenn aber Ver- fasser, Uebersehrr, Verleger, Herausgeber, Redakteur und „die übrigen Schul digen", also wol auch die Leser eines misliebigen Products der Presse der Strafe des Gesetzes verfallen, hängt dann nicht daS Damoklesschwert in Oesterreich über Allem, was sich in irgend einer Art bei der Presse, sei cs nun als Producent oder als Consument, betheiligt? War gegen dieses Joch j nicht daS der Censur ein sanftes? Allerdings war eS höchst unangeNehM, wmn ein ängstlicher Ccnsor jedes nur irgend freie, aber wahrheit-treue Wort strich; aber damit war eS auch abgethan. Wenn aber, wie jetzt, in Oester- reich die Preßpolizei die Censur darüber übt, waS dort gelesen werden darf oder nicht, dann ist e» nicht damit abgethan, daß da« verpönte Wort ver- nichtet wird, sondern wehe den Allen, die vom Verfasser an zu den „übri gen Schuldigen" gehören. Vielleicht will man durch solche Hoflannirung des oster- reichischen PreßgesetzeS den Deutschen da-BundeSpreßgeseh empfehlen, welches der österreichische, sächsische und kurhessische Fachmann dem Bundestage vorgclcgt hat und welches bisher an der Opposition des preußischen Fachmannes gescheitert ist. Die neuen wiener Strafgesetze über Preßvergehen sind aber nicht geeignet, in Deutschland irgend ein Gesetz über die Presse zu empfehlen, an denen österreichische Fachmänner theilnehmen. Preußen hat in der neuern Zeit in der öffentlichen Meinung Deutschlands viel verloren; es wird aber viel wieder gewinnen, wenn es da- gemeinsame Vaterland von dem Drucke ähn licher Preßgesctze befreit, wie das neueste österreichische ist. — AuS Nürnberg vom 17. Juni schreibt der dortige Corrrspondent: Der wegen seiner Wirksamkeit al- Redakteur des Nürnberger Kurier von dem hiesigen königlichen Stadteommissar au- Nürnberg au-gewicsene vr. E. Feust hatte nach seiner Ausweisung in dem nahen Steinbühl ein Asyl ge- sucht und gefunden. Auf eine durch ein königliches RegierungSrescript un terstützte Requisition des hiesigen königlichen Stadteommissar- ist er indeß nach vierwöchentlichem Aufenthalt auch von der dortigen District-polizeibe» Hörde, dem königlichen Landgerichte Nürnberg, ausgewiesen worden und Hat nun „bei Vermeidung von Zwany-maßregcln" binnen drei Tagen sich än seine Heimat zurückzubegeben. — Die Nummer des Nürnberger Kurier vom 13. Juni ist unter Allegirung de- h. 16 de- Preßgesetzet mit polizei lichem Beschlag belegt. Veranlassung gab ein Artikel über „die Lage der deutschen Mittelstaaten". — Der Hamburgische Correspondent schreibt: Wir können heute da- Auf- Hören der Neuen Bremer Zeitung mit dem 1. Juli d. I. als be stimmt mittheilen; der Grund dazu ist in den steigenden Opfern, welche dieses Unternehmen den Aktionären (circa 60 Personen) gekostet hat, zu. suchen. Kiel, 16. Juni. Zufolge der mit dem gestrigen Dampfschiffe einge- troffcnen officiellen Mittheilung sind die Bestallungen folgender vorchärz- lichen Beamten, nämlich des Landvogts der vormaligen Landschaft Nor derdithmarschen, Boysen in Heide, dcS ObergerichtsratHS Eckart in Glück stadt, des Bürgermeisters vr. Balemann in Liel und des Polizeimeisters Krohn in Kiel nicht zur Bestätigung geeignet, und folgende nachmärzliche Beamte, der Landdrost der Landschaft Pinneberg, Rathgen in Pinneberg, der Polizeimeister v. Warnstedt in Altona und der Kirchspielvogt der Kirch spiele Raumort und Jevenstedt, v. Dorrien in Rendsburg, der mit ihren Aemtern verbundenen Functionen, die sie nach dem Patente vom 29. März, d. I. einstweilen sortzuführen hatten, enthoben worden. Ueber die Nach folger der Entlassenen verlautet bisher nur, daß der bekannte Etatsrath. Schrader wieder als Polizeimeister in Altona eintreten wird. — In Ratze burg ist eine Bekanntmachung erlassen worden, die das Verbot deS öffent lichen Singens des Liedes „Schleswig-Holstein meerumschlnngen" für das Herzogthum Lauenburg betrifft. — Ein in Breslau eingegangenes, der Neuen Oder-Zeitung zur Ein sicht übergebenes Privatschreibcn bringt eine allerdings noch der Bestätigung bedürfende Nachricht. Nach derselben soll der Kaiser von Oesterreich bei sei- ner Anwesenheit in Ungarn den verurtheilten Ungarn „ohne Ausnahme" Amnestie gewährt und Aufhebung der angeordneten ConfiScation be fohlen haben. Vtalie «. Turin, 15. Juni. Minister Buoncompagni legte in der Abgeord netenkammer den Entwurf eines EhegeseheS vor; Brofferio schlug vor die Dringlichkeit desselben zu erklären, waS auch geschah. — Dem Verneh men nach hat der Papst den ihm von der hiesigen Regierung gemachten Vorschlag, wonach für Turin ein Diöcesenadministrator eingesetzt wer den sollte, nicht genehmigt.— Die Gazetta Piemontese widerlegt amtlich das Gerücht, -ls beabsichtige die Regierung die Ausschreibung einer neuen Anleihe. GranDvrich. * Paris, 15. Juni. Die Gesetzvorschläge über Besteuerung der Luxus wagen, Pferde, Hunde und des zum Consumv in Getränken bestimmten Alkohols sind im Ganzen sehr günstig ausgenommen worden. Man hätte freilich lieber keine neuen Steuern auftauchen sehen, wenn sie aber gur Deckung -des Deficits, das nun einmal existirt (40 Mill. Fr.), nothwcndig geworden sind, so sieht man es allerdings lieber, daß di« neue Auflage eher die Reichen als die Armen trifft. Die Papiersteuer aber -hat auf bedeutenden Widerspruch gestoßen. Das Papier gehört zur Domäne dar allgemeinen Bedürfnisse und ist gleichzeitig das Hauptmaterial des geistigen Strebens, Kas man lieber unterstützt al« belastet sehen möchte. Der Alkohol wird nach dem Gesetz- Vorschläge 45 Fr. für den Hektoliter, statt 34 Fr., bezahlen; man verspricht sich von der Erhöhung einen Mehrertrag von 7 Mill. DaS Packpapier und Pappendeckel zahlen 10 Cent, und alle übrigen Sorten 25 Cent, für 2 Pfund (Kilogramm). Bei Ausfuhr von Papier, Büchern, Pappsachen qc. wirö die Steuer zurückcrstattet. Man verspricht sich einen Ertrag von 10 Mill. (Die Besteuerung der Wagen, Pferde und Hunde ist so, wie wir si« bereits früher angaben. Nr. 273.) Ausgenommen von der Besteuerung sind alle Lohnfuhr werke, alle zum Handel dienenden Wagen, alle Zugpferde, alle Pferde unter