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1072 Btalie». In Florenz ist der Marquis Ferd. Bartolommei wegen Verbreitung geheimer Druckschriften verhaftet worden. Spante«. Madrid, 27. Mai. Hr. Doral ist zum Marineminister ernannt worden. N*a«r*eich. Paris, 1. Juni. Das officielle Organ des Kriegsministeriums, der Moniteur de l'Ar- mö«, druckt heute die Erklärung der Regierung über die Stellung Frank- reichS zum Auslande ab und begleitet sie dann mit einem Commentar, worin eS heißt: „Diese feste und würdevolle Sprache, die auf der einen Seite gewisse lügenhafte Gerüchte widerlegt und den bestimmten Entschluß ankündigt, nichts zu thun, was die guten Beziehungen zwischen Frankreich und den übrigen Mächten Europas im mindesten stören könnte, stellt gleich- wol auf der andern Seite mit Bestimmtheit da- Princip seiner vollen Un abhängigkeit in Betreff seiner Rechte als Nation und seiner Regierungsform hin. Keine der Mächte denkt also daran, sich in unsere inner» Angele genheiten einzumischen, und sie lassen un- in dieser Hinsicht die Freiheit, deren sie für sich genießen. Die- ist die rationellste und auch die wei- feste Politik; denn jede andere würde unverzüglich die divergirenden Nuan cen der wirklich patriotisch gesinnten Parteien zu Einem Knäuel vereinigen. Mehre ihrer Organe haben sich in diesem Betreff schon erklärt: Memand will leiden, daß das Ausland sich erlaube, die Form unserer Institutionen zu bestreiten oder zu regeln. Wir brauchen hier nicht von der Stimmung der Armee zu sprechen: sie wartet in Ruhe und Gewehr beim Fuß ab, daß da- Land seinen Ruf an ihre Hingebung ergehen lasse; diese edle Haltung würde hinreichen, alle Besorgnisse zu beschwichtigen, wenn deren noch nach dem Lesen der officiellen Note übrig bleiben könnten." — Der Public, welcher alle drei Tage seine Redacteure und seinen Ton zu wechseln pflegt, kommt heute wieder auf sein Lieblingsthema, das Kaiserreich, zurück, ohne das es, seiner Meinung nach, kein Heil für Frankreich gibt. „Ludwig Napoleon", sagt er, „wird am Ende doch nicht anders können, als den heißesten Wunsch des französischen Volks er füllen müssen, er selber möge darüber denken wie er wolle." Und was die fremden Mächte betreffe, so verstehe sich von selbst, daß das sie nichts an- gehe, und daß eine nochmalige Heilige Allianz sich den Kopf an Frankreichs Grenzen einrennen würde. — Das Journal de la Belgique und der Prccurseur sind heute auf der Post mit Beschlag belegt worden, weil sie einen Artikel aus dem in Frankreich verbotenen Observatcur belge enthielten, der ein über den Gra- nier'schen Artikel gegen Belgien zwischen den HH. de Morny, de Per signy und de Maupas geführtes Gespräch persifflirte. — Aus Wien schreibt man der Neuen Preußischen Zeitung über Ber- ryrr's Mission nach Frohsdorf: Die durch mehre Journale verblei- tete Angabe, daß dem Grafen von Chambord auf vertraulichem Wege von Seiten des Prinz-Präsidenten Vorstellungen gemacht worden seien betreffs der Haltung, welche er und seine Partei der Negierung des Prinzen gegen über angenommen haben, bedarf insofern einer Berichtigung, als sich diese Nachricht nur auf die Besprechungen beziehen kann, welche in der letzten Zeit der Graf von Chambord in Frohsdorf mit dem französischen Legitimisten Berryer gehabt hat, wobei es sich aber von selbst versteht, daß von einem Auftrage des Präsidenten durchaus keine Rede sein konnte. Hr. Berryer hat, wie ich bestimmt versichern kann, den Grafen auf die nachtheiligen Folgen aufmerksam gemacht, welche sein Sendschreiben in dem Lager seiner Partei hervorgerufen hat, und zugleich die Bitte ausgesprochen, ihn zum Ueberbringer eines zweiten Schreibens zu wählen, in welchem die legitimi- stische Partei zur Eintracht ermahnt werden soll. Hr. Berryer ist gestern aus Frohsdorf zurückgckommen und reist heute nach Stuttgart ab. ck Paris, 21. Mai. Heute ist der letzte Tag, an welchem sämmtliche Mitglieder des französischen Lehrkörpers der Constitution und dem Präsidenten den Eid der Treue schwören oder im Verweigerungsfalle ihre Stelle verlassen müssen. Mehre Entlassungen sind bereits aus der Provinz angekommen und auch hier sind einige Mitglieder der Universität entschlos sen, den Eid zu verweigern. Es werden diese Entlassungen oder Eidver- Weigerungen nicht so geräuschvoll als diejenigen eingereicht, denen in der letzten Zeit wol die politische Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, nicht aber den nachhaltigen Eindruck, auf den sie berechnet schienen, hervorzubringen gelungen ist. Es haben die Leute nicht begriffen, daß das Opfer, das sie ihrem Gewissen zu bringen haben, an sich allein um so sicherer, tiefer und erfassender wirken müsse, je weniger sie an den Werth ihrer eigenen Per son dabei gedacht zu haben schienen -der Andere daran erinnerten. Gewiß werden jene Offiziere — denn auch in der Armee verweigert man, wiewol selten, den Eid—welche der Constitution und dem Präsidenten der Repu- blik keine Treue schwören mögen und die man, um kein Aufsehen zu ma chen, „auf ihr Verlangen in Ruhestand verseht", unter ihren Waffenbrü dern einen ticfern Eindruck zurücklassen als die Generale Changarnier, Lamo- riciere und Leflö, die mit administrativer Genauigkeit bei ihrer Verweige rung des Eides all ihr« Dienste und Verdienste herzählten. Gewiß werden die Worte: „Herr Dekan, ich habe dem Unglück den Eid der Treue geschwo ren, kann daher keinen andern Treuschwur mehr leisten", gewiß werden diese wenigen Worte, mit welchen vr. Chomel, Professor an der Klinik des Hötel-Dieu, seine Entlassung dem Dekan der medicinischen Facultät zu- gesendet, einen liefern Eindruck zurücklassen als daS langbeinige geschwätzige Schreiben, worin der ebenso eitle als gelehrte Astronom Arago gegen seine Entlassung eher protestirte, als er dieselbe einreichte. Wie man versichert, hat die Regierung wie bei Hrn. Arago auch bei Hrn. Chomel eine Aus- nähme gemacht und ihm den Eid au- Rücksicht seiner Verdienst« wi« der eigenen Beziehungen, in welchen «r mit der Familie Orleans gestanden, er lassen wollen. Allein der gelrhrt« und ehrenwrrthe Proftssor hat d«r Per- son, welche drn Auftrag hatt«, ihm dies« Btgünstigung in Aussicht zu stellen, bemrrkt, «r mög« kein« Begünstigung vor seinen übrigen Collegen annehmen und werde ftinen Lehrstuhl nur dann nicht verlassen, wenn man allen seinen Collegen den Eid erließe. Als am 27. Mai den zu diesem Behufe versammelten Professoren der medicinischen Facultät der Dekan den Brief des Hrn. Chomel, welcher nebst den oben angeführten Worten nicht- als den Ausdruck seines lebhaften Bedauern-, sich von seinen ehrenwerthen Collegen trennen zu müssen, enthalt««, vorgelesen hatte, erhob sich Hr. Orfila und stellte den Antrag, die Versammlung möge das Schreiben des gelehrten Professor- so wie den Ausdruck des tiefsten Schmerze«, daß si« von nun an auf die Mit wirkung eine- ihrer ruhmvollsten und von ihr hochgeachteten und geliebten Mitgliedes verzichten müsse, zu Protokoll nehmen und durch eine besondere Deputation aus ihrer Mitte diesen Ausdruck ihrem scheidenden College» übcr- bringen. Die ganz« V«rsammlung erhob sich und stimmte dem Antrag ohne alle DiScussion bei. Grotzvrita»«ie«. London, 1. Juni. Der bedeutsame Artikel des pariser Moniteur, der jede Absicht des Präsidenten, die Regierungssorm in Frankreich zu modificiren, mit Entschiedenheit in Abrede stellt, veranlaßt die Times zu folgenden Betrach tungen : „Wenn der Moniteur versichert, daß der Präsident gegenwärtig nicht an die Proclamation eines erblichen Kaiserthums denkt, so wollen wir diese Erklärung willig aufnehmen und registriren. Wenn dagegen der Moniteur die Genauigkeit unserer Angaben über die Haltung bezweifelt, die von den übrigen europäischen Mächten bei einer solchen eventuellen Usurpation beob achtet werden würde, so ist dies ein Punkt, über welchen wir unsere Nach richtenquelle für mindestens ebenso bewährt als die des Elyste halten. Trotz Hrn. de Heeckeren's sonderbarer Mission nach Wien und Berlin, trotz des abgenutzten Mittels, einen entlassenen Dimer mit einer Aussöhnungsbot- schaft zu dessen früher» Herrn zu schicken, haben wir unsere guten Gründe, zu glauben, daß das französische Cabinet nur geringe Veranlassung haben dürfte, mit den vertraulichen, von außen empfangenen Mittheilungen zu prahlen. Wir haben nie daran gedacht, das Schreckbild der großen Coa- lition von 1815 wieder ins Leben zu rufen, einer Coalition, die aus den ungeheuersten Anstrengungen aller Nationen und Armeen entstand, um für ihre eigene Unabhängigkeit in die Schranken zu treten und Frankreich jenes Uebergewicht nach außen, das von ihm seit 20 Jahren gemisbraucht wor den war, zu entreißen. Die gegenwärtigen Verhältnisse erfodern glücklicher- weise keine derartigen Anstrengungen. Europa ist durch kriegerische Einfälle und Niederlagen nicht zerstückelt; Frankreich hat an Stärke nicht zugenom men, und solange es sich im Bereiche der Verträge von 1815 hält, würde die Erneuerung einer großen militärischen Coalition ein Unsinn sein.... Wenn der Moniteur versichert, daß jene angedeuteten Eventualitäten nicht wahrscheinlich sind, trotzdem sie erst kürzlich von den Organen der französi schen Regierung mit der größten Energie angekündigt worden waren und durch die Vertheilung der Adler ihren symbolischen Ausdruck erhalten hat ten, so liegt doch nichts in dem innigen Verständnisse der andern Mächte, was im Geringsten Furcht- oder Rachcgefühle erregen könnte; aber gerade diese Erklärung der französischen Regierung ist der beste Beweis, daß die Warnungsstimme vergangener Begebenheiten und vielleicht auch jener eben jetzt abgcleugneten Thatsachen für Ludwig Napoleon nicht verloren ist. Wie alle gutgewählten und erfolgreichen Vorsichtsmaßregeln, so hat auch die ge genwärtige Einigung Europas die drohende Gefahr, die abzuwenden war, erstickt; und nichts ist leichter, als die Existenz Desjenigen zu leugnen, daS ohne jene Vorsicht schädlich und furchtbar gewesen wäre.... Die Isolation Frankreichs inmitten von Europa ist nicht größer als Lie Isolation der fran zösischen Regierung in Frankreich, und eS ist kein Wunder, daß man aus wärts miStrauisch geworden ist, seitdem kaum ein einziger Mann von Be deutung oder Charakter im Lande selbst Vertrauen zeigt. Eine durch län gere Zeit mit Bescheidenheit und Ehrlichkeit fortgeführte Regierung hätte Ludwig Napoleon die Unterstützung der Intelligenz und Moralität seines Volks gesichert, selbst nach dem Acte deS 2. Dec-, aber er reizte die hö- hern Classen durch die Rücksichtslosigkeit seiner Maßregeln. Dieselbe Wir kung, im Guten sowol wie im Bösen, mag auch außer Landes erzielt werden. Es liegt in seiner Gewalt, daS von ihm gefoberte Vertrauen zu rechtferti gen. ... Was Frankreich betrifft, müssen wir eingestehen, daß wir jene Erklärung des Moniteur gern ohne den witlaufenden Vorschlag einer Ar- meevermehrung um 51,000 Mann gesehen hätten; denn trotz der Schluß phrasen deS officiellen Blattes wird man in keinem Theile Europa« der Vermuthung Raum geben, -aß diese Rüstungen nvthwendig sind, um das französisch« Volk vor irgend einer fremden Intervention zu Gunsten einer der unterlegenen Parteien zu schützen. Wir wären verlegen, irgend eine dieser «gefallenen Partei««» zu bezeichnen, für die eine solche Intervention nicht ein tödtlicher Schlag wäre, und der Gebrauch, der hier davon gemacht wird, zeigt nur, daß Ludwig Napol«on sich noch immer auf die Wirkung dieses alten Popanzes, auf die nationale Eitelkeit, verläßt. ... Fried« und Freiheit haben nur von Ueberraschung und Verheimlichung etwas zu furch- teu, und wir sind zufrieden, wenn die französische Regierung darin un terrichtet wird, die Rechte und Unabhängigkeit anderer Nationen durch den Wunsch, ihre «igen« zu btschühen, in Achtung zu halten."