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Die Ouvertüre zu Oberon, Carl Maria von Webers letzte Oper, vereinigt Mär chenstimmung und orientalisches Klangkolorit, wie es ein großer deutscher Mu siker erträumte. Mit dem ersten, sehnsüchtig langgezogenen Hornruf ist man schon eingesponnen in eine fremdartige, zauberische Welt; ein farbenprächtiger Klangreigen hebt an, in dem Kühnes neben Zartem steht, Heldisches mit elfenhaftem Spuk verwoben ist zu einem Tonbild, dessen strahlender Klang wie dessen Transparenz das selten erreichte Vorbild für viele spätere Werke abgegeben hat. Oberons Hornruf lockt die Geister aus Wald und Flur, sie huschen herbei in niederrieselnden Läufen der Flöten und Klarinetten; ein Marschrhythmus wird in Hörnern und Trompeten leise angestimmt, von den Violinen graziös umspielt, bis dann ein Orchesterschlag dem Elfenspuk ein Ende setzt und im unmittelbar sich anschließenden Allegro con fuoco die Ge stalt des Ritters Hüon heraufbeschworen wird. Sein Liebesthema, Vision der schönen Rezia, zuerst von der Soloklarinette zart gesungen, dann von den Violinen aufgenommen und weitergetrieben, vereinigt sich mit dem Gesang der Geliebten. Es geht über in das glanzvoll ritterliche Thema, bis im Schluß aufschwung Liebe und Treue alles überwinden. So wird die Fabel des „Oberon" allein durch die Ausdruckskraft der Musik deutlich gemacht: Der Elfenkönig Oberon streitet sich mit seiner Gemahlin Titania, wer bei den Menschen treuer sei, die Frau oder der Mann. Sie stellen das Liebespaar Hüon und Rezia auf die Probe, aber beide wissen — wie Tamino und Pamina in der „Zauberflöte" — alle Prüfungen zu bestehen. Aus: Karl Schönewolf, Konzertbuch I * Eines der bekanntesten und meistgespielten Violinkonzerte überhaupt ist neben den berühmten Konzerten von Beethoven, Brahms und Tschaikowski das Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64 von Felix Mendelssohn Bartholdy. Das Werk — übrigends wie die Schöpfungen der eben genannten Meister auch Mendelssohn einziger Beitrag zu dieser Gattung — entstand in seiner endgül tigen Gestalt im Sommer 1844 in Bad Soden, wo der Komponist im Kreise seiner Familie heitere, ungetrübte Ferientage verlebte; erste Entwürfe dazu stammen jedoch bereits aus dem Jahre 1838. Am 13. März 1845 wurde das Vio linkonzert im Leipziger Gewandhaus unter der Leitung des dänischen Kompo nisten Niels W. Gade durch den Geiger Ferdinand David (Konzertmeister des Gewandhausorchesters) uraufgeführt, für den es geschrieben worden war und der den ihm befreundeten Mendelssohn auch schon bei der Ausgestaltung des Soloparts in violintechnischer Hinsicht beraten hatte. Nach der erfolgreichen Uraufführung schrieb David an den gerade in Frank- furt/M. weilenden Komponisten einen begeisternden Brief, in dem es untei anderem über das Werk hieß: „Es erfüllt aber auch alle Ansprüche, die an ein Konzertstück zu machen sind, in höchstem Grade, und die Violinspieler können Dir nicht dankbar genug sein für diese Gabe" Bis heute hat sich an diesem Urteil nichts geändert; vereinigt das unverblaßt gebliebene Konzert, das sich vor allem durch seine harmonische Verbindung von (niemals leerer) Virtuosität und Kantabilität sowie durch seine ausgesprochen einheitliche Thematik aus zeichnet doch auch wirklich in schönster Weise alle Vorzüge der Schaffensnatur seines Schöpfers: formale Ausgewogenheit, gedankliche Anmut und jugendliche Frische Ohne Einleitungstutti beginnt der schwungvolle erste Satz (Allegro molto appassionata) mit dem gleich im zweiten Teil einsetzenden, vom Solisten vorge tragenen gesanglichen Hauptthema von echt violinmäßiger Prägung. Neben diesem Thema werden im Verlaufe des von blühender romantischer Ppesie er füllten Satzes noch ein ebenfalls sehr kantabler Seitengedanke und ein lied haftes, ruhiges zweites Thema bedeutsam, das zuerst durch die Bläser über einem Orgelpunkt des Soloinstrumentes erklingt und dann von diesem aufge griffen und weitergeführt wird. Wie eines der Mendelssohnschen „Lieder ohne Worte" mutet der durch einen liegengebliebenen Ton des Fagotts angeschlossene dreiteilige Mittelsatz an, ein in weich wogendem %-Takt an uns vorüberziehendes Andante. Echt romantischer Elfenzauber wird schließlich im geistsprühenden, prickelnden Finale, das als eine kunstvolle Verbindung von Rondo- und Sonatensatzform angelegt ist und in seinem Charakter der kurz vorher vollendeten „Sommernachtstraum"-Musik des Komponisten nahesteht, in überaus poetischer, stimmungsvoller Weise heraufbeschworen. In festlichem Glanz beendet dieser besonders virtuose, dabei musikalisch ebenfalls substanzreiche Satz das Werk. Dr. habil. Dieter Härtwig * Für eines seiner „vorzüglichsten" Werke hielt Ludwig van Beethoven seine 7. Sinfonie A-Dur op. 92, die tatsächlich auch von ihrer triumphalen Urauffüh rung an bis heute stets ein Lieblingswerk des Publikums wie der Dirigenten gewesen ist und schnell eine außerordentliche Popularität errungen hatte, wenn es auch anfangs, durch die Kühnheit und Neuartigkeit dieser faszinierenden, aber höchst eigenwillig gestalteten Komposition bedingt, nicht an kritisch ab lehnenden Stimmen fehlte. Die von Beethoven 1811 begonnene (einzelne Skizzen reichen schon in führere Jahre zurück) und 1812 vollendete Sinfonie wurde zu sammen mit der naturalistischen Programm-Sinfonie „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“ in einem Wohltätigkeitskonzert zugunsten verwunde ter bayrisch-österreichischer Soldaten, die Napoleon 1813 in der Schlacht bei Hanau geschlagen hatten, am 8. Dezember 1813 in Wien uraufgeführt und versetzte dabei ebenso wie in den bald darauf folgenden Wiederholungen, die Zuhörer in unglaubliche Begeisterung. So schrieb die „Wiener Zeitung" zu diesem Ereignis: „Der Beifall, den Beethovens kraftvolle Kompositionen, von ihm selbst dirigiert, und die aus Eifer für die Kunst und die Sache des Vaterlandes zu diesem Feste der Kunst und der patriotischen Wohltätigkeit vereinigten ersten Künstler der Kaiserstadt bei allen Zuhörern fanden, stieg bis zur Ent zückung." Als hochbedeutender künstlerischer Beitrag des vom „reinen Gefühl der Vaterlandsliebe" durchdrungenen Meisters zum Befreiungskampf gegen die napoleonische Herrschaft steht das aufrüttelnde, Elan und aktivierende Kraft ausstrahlende Werk gewiß mit der Zeit seiner Entstehung in ideellem Zusam menhang, wenn es sich hier wohl auch weniger um direkte programmatische Bezüge handelt. Da Beethoven zu der „Siebenten“ im Gegensatz zu der vor angehenden 6. Sinfonie (Pastorale) keinen Schlüssel für eine bestimmte pro grammatische Deutung gegeben hat, hat das Werk immer wieder zu mancher lei, zum Teil sogar recht seltsam phantastischen Erklärungs- und Deutungsver suchen gereizt, die allerdings nur gewisse Wesenszüge nicht aber seine Gesamt heit erfaßten. Besonders berühmt wurde Richard Wagners von der ungemein starken Betonung des rhythmischen Elements in dieser Schöpfung ausgehende