DRESDNER CJ PHILHARMONIE durch die Befreiung vom Christentum neue Tatkraft gewinnen kann.... Ich will meine Alpensinfonie den Antichrist nennen, als da ist: sittliche Reinigung aus eigener Kraft, Befreiung durch die Arbeit, Anbetung der ewigen herrlichen Natur.« Am 5. August 1913 beendete der Komponist seine Kompositionsskizze in Garmisch, und zwischen dem 2. und 3. Akt der »Frau ohne Schatten« wurde das Werk in genau 100 Tagen instrumentiert, fertig gestellt am 8. Februar 1915. Das ursprüngliche Nietzsche-Konzept hatte Strauss in all den Jahren der Entstehungszeit bei behalten, auch wenn in der Reinschrift der Titel »Antichrist« nicht mehr erscheint. Die Tilgung des ursprünglichen Haupttitels mag mit Rücksichten auf seine damalige Position als preußischer Hofkapell- meister geschehen sein. Das Werk hat dem ersten Anschein nach das Bild jenes Alpenpanoramas zum Thema, wie es der Komponist aus dem Fenster sei nes Hauses in Garmisch sehen konnte. Weniger als in anderen Tondichtungen setzte er auf Assoziati ves, sondern legte mehr Wert auf möglichst genaue musikalische Naturbeschreibungen trotz aller latent vorhandenen philosophisch-metaphysischen Dop peldeutigkeit. Durch eine solche Tonmalerei ent standen aber derart originelle, kunstvolle Bilder, dass man beispielsweise wirklich einen feierlich-pa thetischen »Sonnenaufgang« zu erleben glaubt, i glitzernde Wasserfall-Kaskaden rauschen hört und »Auf dem Gipfel« in ein gewaltiges Orchestergewit ter gerät. Wind- und Donnermaschinen werden ein gesetzt, Herdenglocken läuten Die Komposition lebt von großartiger Instrumen tierungskunst, von einer Klangwelt voller Faszina tion. »Jetzt endlich hab’ ich instrumentieren ge lernt«, äußerte Strauss spitzbübisch-kokettierend nach der Generalprobe. Doch der Klang war für ihn | niemals Selbstzweck. Er nutze ihn für die Darstel- | lung seiner Inhalte, für den Ausdruck. Er versuch- I te - anders als Beethoven in der »Sechsten« (»mehr 1 Ausdruck der Empfindung als Malerei«) - Malerei und Empfindung zu mischen, zusammenzuführen, als Einheit zu verstehen. Friedrich Nietzsche (1844 bis 1900), Philosoph und Schriftsteller, hatte 1888 »Der Antichrist« geschrie ben und 1894, dem Jahr der »Guntram«-Urauffüh- rung, erstmals gedruckt. Dort forderte er »die Ehr furcht vor sich; die Liebe zu sich; die unbedingte Freiheit gegen sich« und »man muß geübt sein, auf Bergen zu leben« und »ein neues Gewissen für bisher stumm gebliebene Wahrheiten« haben.