22 Strauss I Alpensinfonie Aufführungsdauer: ca. 50 Minuten Das riesenhaft besetzte Orchesterwerk, wohl sein gewichtigstes Tongemälde, widmete Strauss der König lichen Kapelle zu Dresden. Unter seiner Leitung wurde es auch uraufgeführt, aller dings erst während eines Gastkonzertes am 28. Oktober 1915 in Berlin. »Also sprach Zarathustra« entstand als Tondichtung frei nach Friedrich Nietz sche. In seiner frühen Oper »Guntram« (1894) hatte Strauss den Titelhelden die bekenntnishaften Worte sagen lassen: »Mein Leben bestimmt meines Geistes Gesetz; mein Gott spricht durch mich selbst zu mir!« Nur so wollte Strauss das Weltgefüge sehen, selbst bewusst und als Religions verächter die Natur ver standen wissen. - wandte sich Strauss erst einmal vorrangig der Oper zu. Doch zwei Tongemälde sind quasi nachgereicht worden: die »Symphonia domestica« (1903) und später noch (1915) Eine Alpensinfonie. Als junger Mann hatte Strauss nach einer aufregen den Bergtour »mit steilen Anstiegen, Verirrungen, Regen, Sturm und Nachtlager in einem Bauernhaus« (Brief von 1878 an seinen Lehrer Ludwig Thuille) »die ganze Partie auf dem Klavier dargestellt. Natür lich riesige Tonmalerei und Schmarren (nach Wag ner)«. 1902 versuchte er sich an der Arbeit eines viersätzigen Naturpoems, das er schon jetzt »Der Antichrist, eine Alpensinfonie« nennen wollte. 1911 griff er den Plan wieder auf und begann, das Werk einsätzig auszuführen. Ob nun tatsächlich das Ju genderlebnis der Bergwanderung Anregung für das neue Werk war, ist nicht mehr festzustellen, doch einen symbolhaften Bezug zwischen Natur, Leben und Vergehen, zwischen Auf- und Abstieg im Le bensrhythmus hatte es für den Komponisten un zweifelhaft gegeben. Natur galt seit alters her als göttliche Komponente menschlicher Existenz. Das Gefühl für die göttliche Größe der Natur, Ausdruck der Gottnähe des Menschen, war spätestens seit Beethovens 6. Sinfonie, der »Pastorale«, in die Mu sik getragen worden. Doch Richard Strauss als Nietzsche-Jünger wollte, ja musste anders denken. Sein emanzipiertes Weltbild gründete auf einem prometheischen, entgötterten Naturbegriff. Zur eigentlichen Arbeit an seinem Tongemälde nutz te Strauss eine überraschend eingetretene »Zwangs pause«, weil Hugo von Hofmannsthal den Text zum Opernprojekt »Frau ohne Schatten« noch nicht lie fern konnte. »Ich quäle mich inzwischen mit einer Symphonie herum, was mich aber eigentlich noch weniger freut wie( 1) Maikäfer schütteln«, schrieb der Komponist dem Dichter 1911. Am 18. Mai 1911 starb Gustav Mahler. Unter diesem Eindruck notier te Strauss, den Verlust beklagend und eine gewis se Seelenverwandtschaft andeutend: „... alle großen politischen u. religiösen Bewegungen [können] nur eine Zeitlang wirklich befruchtend wirken.... Mir ist absolut deutlich, dass die deutsche Nation nur