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Freitag. Erste Ausgabe. Vormittags II Uhr. 3V Januar 1852. Eeinzig. Dit Ztllung er schein« mit Ausnahme de« Sonntag« täglich zwei mal und wird au«gegeben in Leip zig Vormittag« ll Uhr, Abend« « Uhr; In Dresden Abend« S Uhr, Vormittag« 8 Uhr. —- Nr. 49. -— Deutsche Allgemeine Zeitung. Zu beziehen durch alle Post ämter de» In und AuSlande«, sowie durch die Srpeditio- nen in Leipzig (Querstraße Nr. 8) und Dretden (bei iS. Höckner, Neustadt, An der Brückt, Nr. d) v««i» für da« Vierteljahr I V-Thlr^ jede einzelne Num mer 1 Ngr. Was haben wir zu thun, um Deutschland vor fran zösischen Zuständen zu bewahren? ---Unter dieser Ueberschrift brachte unlängst die ofsiciclle Preußische Zei tung einen Artikel, dessen Beleuchtung uns schon durch den Umstand nahegelegt ist, daß ein leipziger Localblatt sich sofort beeifert hat, demselben durch Abdruck in seinen Spalten größere Verbreitung in den hiesigen Krei sen zu verschaffen. Den Wunsch, Zustände, wie sie Frankreich seit dem 2. Dec. v. I. erträgt, von uns fernzuhalten, wird Jeder von Herzen theilcn. Erfreulich ist es, diesem Wunsche auch in einen, Blatte zu begegnen, wel ches nicht eben zu den Verehrern eines freien Volkslebens gehört und sonst im Punkte der Staatsstreiche kein besonders empfindsames Gefühl zu vcr- rathen pflegt. Zu wünschen wäre nur, daß man von jener Seite nicht blos so grobe Gewaltthaten und so gar nicht zu beschönigende Verletzungen ge schlossener Verträge und gegebener Zusicherungen, wie wir sie jetzt in Frank reich an der Tagesordnung sehen, sondern alle und jede politische Handlun gen, welche den Kreis der strengen Gesetzlichkeit und der unwandelbaren Vertragserfüllung, wenn auch unter minder schroffen Formen oder in ver steckterer Weise überschreiten, mit dem gleichen sittliche Abscheu zurückwcisen möchte. Doch, sehen wir zu, welche Mittel und Wege das gedachte Blatt angibt, um uns vor französischen Zuständen zu bewahren. Zunächst, sagt dasselbe, sei die „Continuität des Rechts" festzuhalten und alles politische Experimentiren zu vermeiden. Wir sind damit vollkommen einverstanden, vorbehaltlich einer Erläuterung der Begriffe: „Continuität des Rechts" und „politisches Experiment". Unter „Continuität des Rechts" nämlich verstehen wir eine solche Fortbildung der Ncchtszustände, welche, so weit möglich, das Neue aus dem Bestehenden hervorgehen, an dasselbe anknüpfcn läßt. „So weit möglich" müssen wir freilich Hinzusehen, denn, wo gewisse Nechts- zustä'nde völlig überlebt und einer Fortbildung unfähig sind, da bleibt aller dings nichts Anderes übrig als eine vollständige Neubildung nach den Be dürfnissen der Gegenwart, und Alles, was man in solchem Falle verlangen kann, ist, daß bei der Beseitigung des Alten mit möglichster Schonung ver fahren werde. Wir verstehen unter „Continuität des Rechts" nicht ein ab solutes Festhalten an dem einmal Bestehenden, wenn auch Veralteten und nicht mehr Lebensfähigen. Denn durch eine solche Deutung wäre jede Fort bildung, jedes „organische Leben" der Völker (worauf doch jene Schule so viel gibt) ein für alle mal unmöglich gemacht. Die Natur beobachtet in ihrem organischen Schaffen eine Continuität der Bildung und des Wachs thums, nicht indem sie diese Bildung und dieses Wachsthum in einem be stimmten Momente abschließt, sondern indem sie aus dem Vorhandenen im mer Neues, aus den absterbenden Formen verjüngte Gestaltungen in unun terbrochenem Flusse hervorgehen läßt. Wo des Menschen Vernunft den Schöpfungstrieb der Natur am vollkommensten nachgeahmt, wo das Staats- und Volksleben sich in stetigem, ruhigem Flusse, ohne gewaltsame Stürme, Jahrhunderte lang entwickelt hat, wie z. B. in dem gepriesenen „Lande der Erbweisheit" jenseit des Kanals, da ist cs ebenfalls nicht der absolute Still stand, welcher als leitender Grundsatz den Staatsmännern und den öffent lichen Gewalten vorschwebt, sondern die rechtzeitige, nicht verspätete, nicht gewaltsam abgedrungene, darum auch zu keinen gewagten Sprüngen ge zwungene Reform. „Politische Experimente" sind nur dann gefährlich, wenn sie von dieser Linie der ruhigen, rechtzeitigen Reform sich entfernen, und in den cxcentri- scheu Kreisen, sei es eines allgemeinen Umsturzes aller bestehenden Verhält nisse: der Revolution, sei es eines maßlosen Widerstandes gegen alles Neue: der absoluten Reaction, sich bewegen. Ein Experiment freilich ist jede po litische Neuerung, denn die Probe der Erfahrung muß das Neue, welches man schafft, allemal erst machen — das bleibt auch der gemäßigtsten und bedachtest vorbereiteten Reform nicht erspart. Ein Experiment war des so anerkannt conservativen und besonnenen englischen Staatsmannes N. Peel neue Finanz- und Steuergesetzgebung; ein Experiment waren ihrcrzeit die Stein-Hardenberg'schcn Reformen in Preußen — die Geschichte hat beide Experimente gerechtfertigt und bekräftigt. Wodurch kann man also solche politische Experimente unschädlich und heilsam machen? Dadurch, daß man das wahre,.Pedürfniß der Zeit recht erkennt und rechtzeitig befriedigt, daß man aufricl g und ganz thut, was einmal als nothwcndig erkannt ist, und daß man dem Neuen, sobald es die Feuerprobe dieser Prüfung bestanden und die Sanction der gesetzlichen Gewalten erhalten hat, ganz dieselbe Au- torität eines festen und unantastbaren Rechtszustandes einräumt, wie bisher dem Alten. Ob eine solche Politik der weisen Voraussicht, der männlichen Entschlossenheit in der Durchführung, der Ehrlichkeit und Selbstachtung in der Aufrechthaltung einmal gewährter Reformen bei uns in Deutsch land und speciell in Preußen von oben her und von den cinflnßübcnden » -L m JnsertionSgedühr für Mr Wahrheit und Recht, Freiheit und Geseh!» «-.um -werZ-il-» Ngr. Parteien befolgt worden sei und gegenwärtig befolgt werde, diese Frage möge sich das preußische Blatt selbst, die Hand aufs Herz, beantworten. Wir bekommen hier auch wieder die oft gebrauchte Phrase zu hören von „natürlichen Organen", den „organischen Unterschieden", den „geschichtlich erwachsenen Gliederungen und Modalitäten des politischen Lebens", die man bewahren müsse. Darunter versteht man, wie wohl bekannt, hauptsächlich die Erhaltung, beziehentlich Wiederherstellung der privilcgirten Stellung des Adels und seiner Herrschaft über die andern Classen des Volks. Wenn man dies „natürlich" nennt, so fällt uns unwillkürlich jener witzige Ausspruch ein: daß nicht der eine Theil der Menschen mit Sporen an den Füßen, ein anderer mit Sätteln auf dem Rücken geboren werde. Und wenn man das Zeugniß der Geschichte zu Gunsten jener Ungleichheit der Stände an ruft, so bezeugt diese vielmehr, daß in den frühesten Zeiten deutschen Volks lebens von einer solchen nicht die Rede, vielmehr alle freie Männer gleich und gleichberechtigt waren, und daß in den neuesten Zeiten wiederum die selbe Gleichheit, wenn auch auf andern kulturgeschichtlichen Grundlagen, durch die Gesetzgebung hergcstcllt ober wenigstens ungebahnt ward. Mit welchem Fug will man nun diese zwei Perioden aus unserer vaterländischen Geschichte streichen und nur die dazwischenliegende Zeit des Fcudalwcsens und der Unterdrückung der gemeinen Freiheit als die allein geschichtlich be rechtigte gelten lassen? Deutschland. Aus Frankfurt a. M. vom 27. Jan. berichtet die Preußische Zeitung: „Die Entscheidung über die Flotte »frage ist wiederum und zwar bis zum nächsten Monat verschoben worden. Es ist bereits erwähnt, daß Hannover als Mitglied des Ausschusses den Antrag gestellt hat, das Nechtsverhältniß der Nordseeflotte festzustellen und dieselbe als Bundeseigenthum ausdrücklich an- zuerkenncn. Der hannoversche Gesandte v. Bothmer hat jetzt in einem be- sondern Promemoria diese Nechtsansicht näher motivirt. Ebenso soll Preu ßen dem Vernehmen nach darauf angetragen haben, die Flotte als Bun- descigcnlhum anzuerkenncn, woraus von selbst folgen würde, daß diejenigen Staaten, welche noch keine Matricularbeiträge zur Begründung der Flotte gezahlt haben, dieselben nachzuzahlen hätten. Es sollen deshalb die letztem Staaten, zu denen namentlich Oesterreich, Baiern, Sachsen und Kurhessen gehören, diesen Antrag auf das lebhafteste bekämpft haben, da ein derarti ger Beschluß sie nöthigen würde, für die Flotte dieselben Opfer zu bringen, welche die andern Staaten bereits durch ihre Zahlungen getragen. Wenn der Bund sich aber nicht entschließen könne, die Nordseeflotte als Bundes eigenthum anzuerkenncn und zu behandeln, um auf diese Weise endlich den Streitigkeiten ein Ziel zu setzen, so hätte Preußen dem Vernehmen nach ohne weitern Verzug die Auflösung der Flotte verlangt. Dies ist auch in der That der einzige Weg, Wilcher für die Ncgulirung dieser Angelegen heit übrig bleibt, da, wie es scheint, eine Anerkennung der Flotte als Bun- descigcnthum schwerlich zu erlangen sein wird. Ist diese aber nicht erfolgt, so ist auch der Bund nicht competent, weitere Maßnahmen in Betreff der Nordseeflotte zu treffen, und er kann solche nur lediglich denjenigen Staa ten überlassen, durch deren Beiträge dieselbe begründet ist." Dasselbe Blatt fährt in seiner Mittheilung über die Bundesoerhand lungen vom 27. Dec. in Betreff der Flottenfragc (Nr. 48) fort. Es berichtet: Unter denjenigen Staaten, welche sich zwar gegen die beantragte Contingentsflotte, jedoch nicht gegen eine deutsche Flotte überhaupt ausge sprochen haben, nimmt Baiern die erste Stelle ein. Dasselbe kann sich nicht verbergen, daß, wenn zur Gründung der Nordseeflotte keine entsprechendem Vorschläge gemacht werden, es sich zu seinem Bedauern durch die gegen das eigene Land ihm obliegenden Pflichten genöthigl sieht, jede Betheiligung an der Ausführung des Planes abzulehnen. Demnächst hat Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen erklärt, daß es zwar die Nützlichkeit einer allgemeinen Bundesflotte nicht verkenne, jedoch gegen die dreithciligc Contingentsflotte stimmen müsse, weil die Unterhaltungskosten für die deutschen Staaten mit Ausschluß von Oesterreich und Preußen vcrhältnißmäßig zu groß seien, so wie daß allein die Nordsecflotte für das deutsche Interesse von wesentlichem Nutzen sein würde und daß daher nur diese Abtheilung als deutsche Bun- dcsflotte angesehen werden könne. Ferner hat Anhalt-Wernburg seine Zu stimmung zu den Ausschußanträgcn versagt, da es unter den vorliegenden Verhältnissen sich nicht dazu verstehen könne, zur Nordsecflotte Beiträge zu leisten. Endlich will Schwarzburg-Rudolstadt auch größere Opfer, als die bisher gebrachten, nicht scheuen, wenn sämmtlichc deutsche Bundesstaaten die Erhaltung der Flotte als eine gemeinsame betrachten, d. h. wenn die deut sche Flotte, wie die Bundcsfestungen, eigentliche Bundesanstalt wird.