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Zweite Ausgabe. Abends 6 Uhr. Donnerstag 29. Januar 1852 Kieipzig« Die Zeitung er. schein« mit Ausnahme de« Sonntag« täglich,«« mal und wird aulgegeben in k«ipgtg Vormittag« l l Uhr, Abend« « Uhr; inivretde« Abend« L Uhr, Vormittag« 8 Uhr. Dtk«i» für da« Vierteljahr lV, Thlr. i jede einzelne Nmn- mer l Ngr. —- Nr. 48. -— Deutsche Allgemeine Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Post ämter de« In - und Auslan des, sowie durch die Trpcdi- «ioncn in »«ipgig «Quer, straße Nr. 8) und Dresden (bei C. Höckner, Neustadt, An der Brücke, Nr. 2.) Jusertivnsgebühr für den Raum eiuer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Einer der piquanlesten der „Politischen Briefe" der Obcrpost- amts-Zeitung ist der achtzehnte, mit dem Motto: „Da denkt der alte Grei ner: «Es thut doch wahrlich gut, so sänstlich sein getragen von einem treuen Blut. In Fahrden und in Nöthen zeigt erst das Volt sich echt, drum soll man nie zertreten, sein altes gutes Recht.»" Der Brief besagt: „In Würt temberg ging die Strömung höher als in dem übrigen Deutschland, und hat fast die Krone erreicht. Der hungerigen Demokratie wurden Standes- Herren, Prälaten und Ritter, Lehnsabgaben und grundherrliche Rechte zum Futter vorgeworfen. Auf dem Lande lastet der Druck der Erinnerungen von 200 Jahren willkürlichen, grausamen Regiments. Wenn Eberhard im Barte vor Kaiser und Reich sich rühmen konnte, daß er im dichtesten Walde sicher im Schoose jedes seiner Unterthanen zu übernachten sich getraue, so haben die Schicksale Württembergs und die Charaktere seiner Fürsten im 17. und 18. Jahrhundert, die Launen, die Ausbeutung und die Maitressen herrschaft, die Jud' Süß und die Grävenitz, der Zeloteneifer und das Sol datenspiel so umstimmend gewirkt, daß man an das aus der geheimen Truhe der Landstände bezahlte Rasirmesser in Ludwigsburg glauben kann. Alle Sünden der Herrscher werden gerächt bis ins siebente Glied! Daher auch einer weisen Regierung es nicht gelingen wollte, aller Eindrücke der Ver gangenheit Herr zu werden und die Gewohnheit mistrauischcn Widerstandes zu besiegen. Ueber das übrige Deutschland ist nicht viel zu sagen. Küm mert sich doch Niemand darum, wie die Bäche heißen, die den großen Strö men ihre Wässer zuführcn. Hier fehlt das selbständige Leben. Vieles ist Caricatur, alle Antriebe kommen von außen. In Sachsen tritt der Trauer über die verfehlte Bestimmung der nicht überwundene Schmerz über die Zer reißung hinzu. Die Messe, welche dem Kurfürsten August den: Starken 1697 die polnische Königskrone einbrachtc, ist seinem Geschlechte und seinem Lande theuer zu stehen gekommen. Die Bewohner der kleinen Länder ver- schweigen ihre Herkunft und klammern sich an den geographischen Begriff, dessen die stärker» Volksmassen kaum gedenken. Man hat keinen rechten Ncspect vor dem eigenen Gewerbe. Wenn man den Tanzmeister nach sei nem Berufe fragt, antwortet er: Ich bin ein Künstler. Nun gar den Kleiderkünstler zum Geständniß zu bringen, daß er ein Schneider ist! Der Maler wirft den Kopf in den Nacken: 8on'pittors! Vom Trauerspiel in Kurhrssen kein Wort, außer daß, wenn nicht Kurhcsscn, dann Baden, oder Holstein, oder Hamburg der Boden gewesen wäre, auf welchem der alte Staatenbund dem Sondcrbunde den Fehdehandschuh hingeworfen hätte. Was vor dem Jahre 1818 irgendwo in Deutschland Unzufriedenheit verursacht hat, ist noch Alles vorhanden. Dazu ist große Verwirrung in den Ge schäften, große Schuldenlast, fast überall Steuerdruck gekommen, Verluste, die nicht vergütet werden können und die auch nicht zu verschmerzen sind, vereitelte Hoffnungen. Alle die wohlthätigen Täuschungen sind zerstört, unter deren Schirm das Beherrschen sanft und das Gehorchen edel wer den konnte." — Der Weser-Zeitung schreibt man aus Frankfurt a. M.: Als Ver fasser der „Politischen Briefe", welche die Oberpostamts-Zcilung seit kurzem täglich an der Spitze ihres Hauptblattes bringt und die in ihrem orakeln den salbungsvollen Tone nun offen eine österreichische Hegemonie predigen, hören wir hier den katholischen Stadtpfarrer und weiland tirolischen Par lamentsabgeordneten, geistlichen Nath Beda Weber bezeichnen. Wir wissen nicht, inwiefern diesem Gerüchte Glauben zu schenken ist, daß aber diese po litischen Offenbarungen etwas an die Kanzel gemahnen, möchten wir nicht in Abrede stellen. Und nun gar das Motto des 11. Briefes: „Wenn der Kaiser sein wird wie einer der Jünger, so wird der Papst das Abendmahl halten wie Christus der Herr. Zu selbiger Zeit wird aber auch der Mund koch nicht mehr kredenzen." (Pius VI. an Joseph II.) — Die Preußische Zeitung fährt fort, der Veröffentlichung der Bundes- tagsverhandlungcn vorzuarbeiten und bringt jetzt einige Abstimmungen über die deutsche Flotte in der am 27. Dec. stattgehabten Sitzung dcö Bun destags. Nach denselben erklärte sich nur Oesterreich und Hessen-Homburg für die von dem Ausschüsse vorgeschlagenc Drcitheilung. „Es gereicht dem Gesandten zum besonder» Vergnügen, zu erklären, daß Se. Maj. der Kaiser bereit ist, nebst der Station im Mittelmeere auch den Dienst der Station Brasilien auf das österreichische Flottencontiiigent zu übernehmen, oder in längcrn Zwischenräumen ein zu diesem Contingente gehöriges Schiff zum Besuche sämmtlichcr Stationen zu entsenden. Endlich ist der Kaiser von Oesterreich auch damit einverstanden, daß die Flagge der zu Bundeszwecken verwendeten Schiffe durch ein gemeinschaftliches Zeichen erkennbar sei." Liech tenstein und Waldeck befanden sich ohne Instruction. Gegen die Errichtung einer Nordsecflotte überhaupt sprachen sich aus: Dänemark für Holstein und Lauenburg, die Niederlande für Luxemburg und Limburg, und von den deut schen Binnenstaaten Württemberg (^Berlin, 28. Jan. Briefe von kundiger Hand aus Paris stellen die dortigen Verhältnisse als nicht mehr so zufriedenstellend, wie vor noch ganz kurzer Zeit, dar. Der Cabinetswechscl mit seinen Motiven — dem Dccrct über die Güter der Orleans —, das Entlassungsgcsuch einer Hauptperson des 2. Dec., des Kriegsministcrs, haben auf die Geschäfts- und Börsenwclt vorzugsweise einen nicht guten Eindruck gemacht. Die Erhaltung St.-Ar- naud's auf seinem Posten war für den Prinz-Präsidenten eine ernste Frage der Armee wegen. Auf die bürgerliche Welt hätte das Ausscheiden dieses Ministers auch zurückgcwirkt, sein Bleiben hat jedoch geringe Bedeutung, weil der vorherrschende Einfluß Persigny's im Cabinct dadurch nicht ge stört ist. Persigny gilt aber vornehmlich als der Mann experimentiren- der Politik und so wird manche Besorgniß sonst entschiedener Anhänger eines bonapartistischcn Gouvernements erklärlich. Hr. de Persigny will bei den Wahlen eine große Thäligkeit entfalten, er soll darin wie in vielen an dern Dingen-mehr mit persönlichen Sympathie» Ludwig Napoleon's über- cinstimmcn als Hr. de Morny, sowie überhaupt, vielleicht eine Folge hiervon, sein Verhältniß zu dem Präsidenten ein weit vertraulicheres ist als das Hrn. de Morny's. Das Gebiet der auswärtigen Politik wird übrigens auch Hrn. de Persigny als Minister des Innern sicher nicht sehr fern bleiben. Als bloßer Vertrauter des Prinzen, ohne besonderes Amt, entwickelte, was für viele Personen kein Gchcimniß war, Hr. de Persigny gerade auf diesem Felde die Thätigkeit und die Macht eines sehr vertrauten und einflußreichen Rath gebers. Ihm wird von den jüngsten Maßregeln des Präsidenten auch die Erinnerung Belgiens an seine Schuld wesentlich zugcschricben. — Die öster reichische Negierung läßt den in Frankfurt berathenen Entwurf von Normen für die deutsche Preßgcsetz geb uiig den einzelnen Regierungen direct zugehcn, um ihr Urtheil zu vernehmen. Der Entwurf, wie er aus den Be- rathungcn der Prcßfachcommission noch nicht vollständig abgeschlossen hervor gegangen ist, wurde auf höhere Anordnung von dem österreichischen Com- missar vervollständigt und es geht somit den Regierungen ein österreichischer, nicht aber ein den Berathungen der Preßfachcommsssion entsprossener Ent wurf zur Begutachtung zu. Die Preßfachcommission bleibt übrigens zu sammen und soll dieselbe wol auch nach der österreichischen Intention ihre Berathungen noch einmal aufnehmcn. — Hrn. de Persigny würdigt ein berliner Artikel der Schlesischen Zeitung wie folgt: „Wer Hrn. de Pcrsigny kennt, weiß, daß derselbe vor nichts zurück» schreckt, möge es noch so sehr das Maß und die Grenze gewöhnlicher Dinge überschreiten. Die Ernennung des Hrn. de Persigny ist daher geeignet, in man- nichfacher Beziehung zu beunruhigen, insofern sich das Ende, wohin die Dinge in Frankreich werden getrieben werden, nicht absehcn läßt. Man verhehlt sich daher hier nicht, daß die gegenwärtige Lage Frankreichs zu vielen wirklichen Besorgnissen Anlaß bietet, und Preußen sowol wie das gesammte übrige Deutschland alle Ursache hat, in jeder Beziehung auf der Hut zu sein und sich keiner gefährlichen Sorglosigkeit hinzugeben. War Frankreich von je her unberechenbar, so ist cs dies unter gegenwärtigen Umständen in einem noch um so größern Grade, worauf auch von bedeutender Stelle hier aufmerk sam gemacht worden ist. Durch die wiederholten Friedensversicherungen darf sich Deutschland wenigstens nicht einlullen lassen. Es ist hierbei darauf hinzuweisen, wie oft im vorigen Jahre versichert worden ist, daß kein Staats streich gemacht werden würde. «Man muß bedenken», wie ein hoher Mund hier sich ausdrückte, «daß die gegenwärtig in Frankreich herrschende Macht keine legitime ist, und ebenso leicht fallen kann, wie sic emporgcstiegen. Preu ßen muß auf alle Fälle gerüstet sein.»" ü Kassel, 26. Jan. An den Namen des neuen Kriegsministcrs in Berlin knüpfen hier Manche die Hoffnung einer Acnderung der deutschen Politik Preußens, insbesondere auch in Bezug auf Kurhcssen. Solchen Hoffnungen begegnet man jedoch nur in höhcrn Bcamtenkrcisen, die große Mehrzahl der Gebildeten im Volke wird noch lange nicht Vertrauen zu Preußen wiedergcwinnen. Inwieweit jene Hoffnungen gegründet sind, kann ich natürlich nicht wissen, jedoch weisen mehre Zeichen allerdings daraufhin, daß Preußen jetzt erst zur Erkenntniß kommt, wie nachtheilig es für seinen Einfluß in Norddcutschland sein würde, wen» Kurhessen wirklich seine po litischen lind materiellen Interessen mit denen Oesterreichs eng verknüpfte, wozu das Ministerium Hasscnpflug, welches stets im österreichischen Inter esse gehandelt hat, überwiegende Neigung zeigt. Zu jenen Zeichen gehört die Abberufung des preußischen Geschäftsträgers, Hrn. v. Thile, von seinem hiesigen Posten. Er soll durch eine andere Persönlichkeit ersetzt werden, welche mehr im Stande ist, dem österreichische» Einflüsse am kurfürstlichen Hofe cnlgcgenzuarbcilen und die traditionelle Verbindung Kurhesscns mit