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172 stände des Cantons Bern sagte kürzlich die radicale Berner Zeitung: „Ob gleich wir nicht zu den Leichtgläubigen gehören, so halten wir solche Plane allerdings nicht für gar unwahrscheinlich. Man denke nur zurück an die Erlachcrhofgeschichte von 1832, den Waldhutsverrath von 1813, den Rcckli- krieg von 1802, den Staatsstreich von 1801. Und kein vernünftiger Mensch wird glauben, daß die Moral gewisser Herren heute um ein Haar besser sei als in jenen Jahren. Wolf bleibt immer Wolf, und Fuchs immer Fuchs." — Der conscrvativen Gazette de Lausanne wird aus Paris geschrieben, der Prinz-Präsident der Republik Frankreich habe bei der Audienz am 1. Jan den Geschäftsträger der Eidgenossenschaft sehr freundlich empfangen und ihn versichert, daß er nie der Bande vergessen werde, welche ihn an die Schweiz knüpfen. Spanien. Aus Madrid vom 18. Jan. schreibt man der Kölnischen Zeitung: Allmälig zieht sich gegen die bestehende Verfassung ein Unwetter zusam men, das binnen kurzer Zeit losbrcchen wird. Durch die Ernennung des Generals Espeleta zum Kricgsminister sind die Verehrer und Anhänger der Constitution nicht wenig erschreckt, denn jetzt sitzt Keiner mehr im Minister- rakhe, der ihren politischen Glauben theilt und vertheidigt. Der thatkräf- tige Lersundy, der während seiner einjährigen Verwaltung der Kriegsange legenheiten so viel Nützliches eingeführt und große Reformen durchgcsetzt hat, ist als treuer und offener Bekenner des constitutioncllen Princips durch seine College« von seinem Posten verdrängt worden. Was lange schon Gerücht, wird nunmehr bald eine Wirklichkeit werden. Die Constitution, die von den Machthabern als verbraucht und als dem spanischen Charakter nicht zu sagend betrachtet wird, soll dem Lststuto koa!, der von der Königin Chri- stine während ihrer Regentschaft gegebenen Verfassung — das Kind der Laune eines Zca-Bermudez — Platz machen. Nach dem Estatuto bestehen nur 6oilo8 por L8t.gm6nt.o8, d. h. aus verschiedenen Ständen, aus der Geist lichkeit, der Ritterschaft und aus Städtern. Diese Cortes werden nicht re gelmäßig, sondern nur dann einberufen, wenn der König es für nöthig er achtet; jedoch sollen sie alle sechs Jahre wenigstens einmal abgehaltcn wer den. Der jetzige Kriegsminister ist ein alter und war von jeher ein kraft- und willenloser Mann, der zu allen Anordnungen seiner College« Ja sagen wird. Um der Wiedereinführung des Estatuto den Weg zu bahnen, sollen die durch die Constitution abgeschafften Majorate wicderhergestellt wer den, und liegt das betreffende Gesetz der Königin bereits zur Unterschrift vor. Nach diesem Gesetze müssen die Granden und Titulados, d. h. die Grafen, Marquis und Barone unabhängige Männer sein und vom Staate keinen Sold beziehen. Die Erster« sollen wenigstens 13,000 Piaster (un- gefähr 20,000 Thlr. Preuß.) jährlicher Einkünfte, die Titulados deren we nigstens 5000 haben. -kFrankireichl! Paris, 24. Jan. (Telegraphische Depesche der Kölnischen tu ng.) Der Kriegsminister St.-Arnaud und der Marineminister Du- cos haben ihre Entlassung angeboten, die Gesuche jedoch auf Anstehcn des Präsidenten Ludwig Napoleon wieder zurück gezogen. Paris, 23. Jan. Das Decrct über den Verkauf der Güter der Familie Or leans im Bereiche der Französischen Republik lautet: Zn Anbetracht, daß der Präsident der Republik, ohne das Eigenthumsrecht in der Person der Prinzen des Hauses Orl ans verletzen zu wollen, das Vertrauen des französischen Volke nicht rechifertigen würde, wenn er gestattete, daß Güter, welche Eigenthum der Nation sein sollen, den Domänen des Staats vorenthalten bleiben; in Anbetracht, daß gemäß dem alten öffentlichen französischen Rechte, das laut Decrct vom 21. Sept. 1790 und infolge des Gesetzes vom 8. Nov. 1814 noch in Kraft steht, alle Güter, welche den Prinzen zur Zeit ihrer Thronbestei gung gehörten, sogleich und mit vollem Rechte zu den Krondomäncn gezählt wur den; daß infolge dessen das Decret vom 21. Sept. 1790 sowie das Gesetz vom 8. Nov. 1814 verfügen: „Die Privatbesitzungcn des den Thron besteigenden Prin zen und jene, die er während seiner Herrschaft besaß, unter was immer für einem Titel, werden mit vollem Rechte und sogleich mit den Domänen der Nation ver einigt, und die Wirkung dieser Vereinigung ist immerwährend und unwiderruflich"; in Anbetracht, daß die Heilighaltung dieses Princips bis in die entlegensten Zeiten der Monarchie zurückreicht, daß man unter Anderm das Beispiel Heinrich'« IV. anführen kann, denn als dieser Fürst durch Patente vom 15. April 1590 die Ver einigung seiner Güter mit den Domänen der Krone verhindern wollte, so verwei gerte das Parlament von Paris, diese Patente einzuregistriren durch seinen Be schluß vom 15. Zuli 1591, und Heinrich IV., welcher später diese Festigkeit lobend anerkannte, erließ im Zuli 1609 ein Edict, welches diese seine Patente revocirte; in Anbetracht, daß diese Fundamentalregel der Monarchie unter Karl X. und Lud wig XVIIl. in Anwendung gebracht wurde, ja sogar im Gesetze vom 15. Jan. 1825 reproducitt ist, daß sie durch keinen legislativen Act am 9. Aug. 1830, als Ludwig Philipp den Thron bestieg, revocirt worden war, daß also durch diese fac- tische Thronbesteigung alle Güter, die er zu dieser Zeit besaß, thatsächlichcs und unantastbares StaatSeigenthum wurden; in Anbetracht, daß die Universalschenkung mit Vorbehalt der Nutznießung, welche Ludwig Philipp zu Gunsten seiner Kinder, mit Ausschließung seines ältesten Sohnes, am 7. Aug. 1830 vorgenommen hatte, an dem Tage selbst, wo ihm die Königswürde übertragen wurde, und seiner erst am 9. Aug. 1830 erfolgten Annahme derselben, in der alleinigen Absicht gesche hen war, die Vereinigung der beträchtlichen Güter des zum Throne berufenen Für sten mit den Staatsdomänen zu verhindern, daß dieser Act in der Folgt, als er bekannt wurde, die öffentliche Meinung empörte; daß, wenn die Annullirung des selben nicht ausgesprochen wurde, dies bloS nicht der Fall war, weil nicht, wie unter dem alten Regime, eine Behörde vorhanden war, welche die Verletzung der Grundsätze des öffentlichen Rechts, deren Schutz ganz und gar den Parlamenten anvertraut war, hätte vereiteln können; daß Ludwig Philipp, indem er sich den Nießbrauch der in der Schenkung einbegriffenen Güter vorbehielt, sich in keiner Weife beraubte und seiner Familie blo» eine Domäne sichern wollte, die Staat«- eigenthum geworden war; daß die Donation selbst und die Ausschließung de- äl- testen Sohne« in Voraussicht seine» Gelangen« auf den Thron, von Seiten de« König« Ludwig Philipp die formellste Anerkennung dieser Grundregel war, da sie mit so viel Vorsicht umgangen werden mußte; daß man vergeblich h-rvorhöbe, baß die Vereinigung der Güter de« Fürsten mit den öffentlichen Domänen nur da« Resultat der Kronannahme von Seiten diese« war, und daß, da diese erst am 9. Aug., die Schenkung aber schon am 7. Aug. gemacht wurden, diese ihre Bedeutung haben mußte; in Anbetracht, daß zur Zeit diese« letzter» Datum« Lud wig Philipp keine Privatperson mehr war, da ihn die zwei Kammern zum Könige der Franzosen auSgerufen hatten unter der einzigen Bedingung, daß er den Schwur auf die Charte leiste; daß er also infolge seiner Annahme schon seit dem 7. Aug. König war, weil sich an diesem Tage der Nationalwille durch da« Organ der zwei Kammern manifestirt hatte, und daß der Betrug gegen ein Gesetz der öffentlichen Ordnung darum nicht weniger existirt, weil er in Aussicht einer bestimmten Lhatsache, deren Erfüllung unmittelbar ist, verübt wurde; in Anbetracht, daß die in der Schenkung vom 7. Aug. einbegriffenen, sicher auf unwiderrufbarc Weise, in Besitz de« Staat« befundenen Güter, durch die Bestimmungen de« Art. 22 de« Gesetzes vom 2. März 1832, nicht entzogen werden konnten; daß dies so viel wäre, als allen Principien zuwider diesem Gesetze eine rückwirkende Kraft ertheilen und einen zogen nach der Gesetzgebung, welche zu der Epoche galt, in welcher dieser Act voll wurde, ganz und gar nichtigen Act, zu bestätigen; daß übrigens dieses Gesetz von einer Gelegenheitspolitik, in einem Privatintereffe dictirt, nichts gegen die fortwäh renden Rechte deS Staats und die unwandelbaren Regeln deS öffentlichen Rechts gelten lassen könne; in Anbetracht übrigens, daß, wenn die Rechte des Staat« auf diese Weise geltend gemacht werden, der Familie Orleans mehr als 100 Mill, bleiben, mit welchen sie ihren Rang behaupten kann; in Anbetracht endlich, daß es schicklich ist, die Jahresstiftung von 300,000 Fr., welche im Budget als Witthum der Herzogin von Orleans figurirt, fortzusetzen: decretirt der Präsident der Republik: Art. 1. Die beweglichen und unbeweglichen Güter, welche den Ge genstand der am 7. Aug. 1830 vom Könige Ludwig Philipp gemachten Schenkung bilden, sind der Domäne des StaatS zurückgestellt. Art. 2. Der Staat bleibt ver pflichtet, die Zahlung der Schulden der Civilliste der letzten Regierung vorzuneh men. Art. 3. Das Witthum von 300,000 Fr., welches der Herzogin von Orleans votirt wurde, wird beibehaltcn. Art. 4. Die infolge des Art. 1 an den Staat zu- rückfallcnden Güter werden theilweise von der Verwaltung der Domänen verkauft und das Erträgniß auf folgende Weise verwendet werden: Art. 5. Zehn Millionen fallen den Gesellschaften für gegenseitige Unterstützung zu, welche durch das Gesetz vom 15- Juli 1850 autorisirt worden sind. Art. 6. Zehn Millionen werden dazu verwendet werden, die Wohnungen der Arbeiter in den großen Fabrikstädten zu verbessern. Art. 7. Zehn Millionen werden zur Errichtung von Anstalten für den Bodencredit in den Departements, welche diese Maßregel beanspruchen und sich den hierzu als crfoderlich fcstgestellten Bestimmungen unterwerfen, bestimmt werden. Art. 8. Fünf Millionen werden zur Errichtung einer Pensionskaffe zum Besten der ärmsten Ausgedienten dienen. Art. 9. Der Rest der im Art. 1 erwähnten Güter wird, mit der Dotation des Ordens der Ehrenlegion vereinigt werden, um dessen Erträgnisse zu den nachbenanntcn Bestimmungen zu verwenden, unbeschadet, daß, im Falle dieselben nicht genügen sollten, die übrigen Einnahmequellen verwendet werden können. Art. 10. Alle Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten zu Land und Meer im activcn Dienste, welche künftig in den Nationalorden der Ehrenlegion werden erhoben werden, sollen ihrem Grade in der Legion zufolge die nachfol gende jährliche Geldentschädigunz erhalten: die Legionäre (wie bisher) 250, die Offiziere 500, die CommandcurS 1000, die Großoffiziere 2000, die Großkreuze 3000 Fr. Art. 11. Es wird eine militärische Ehrenmedaille errichtet werden, welche zu Gunsten von Soldaten und Unteroffizieren der Armee zu Land und zu Wasser^ die sich in Bedingungen, die durch ein weiteres Reglement bestimmt werden sollen, befinden, den Anspruch auf eine Jahresrente von 100 Fr. gibt. Art. 12. Ein Nationalschloß wird als Erziehungsanstalt für Töchter oder arme Waisen von Fa milien dienen, deren Häupter diese Medaillen erhalten haben. Art. 13. DaS Schloß Saverne soll hergestellt und vollendet werden, um den Witwen hoher Civil- und Militärbeamten, die im Dienste des Staats gestorben sind, al« Zufluchtsstätte zu dienen. Art. 14. In Anbetracht deS Gegenwärtigen verzichtet der Präsident dex Republik auf jede Reklamation in Betreff der in den Jahren 1814 und 1815 ge gen die Familie Bonaparte ausgesprochenen ConfiScationen. Gegeben im Luile- rienpalaste, 22. Jan. 1852. Ludwig Napoleon. Durch den Präsidenten: der StaatSminister Casabianca. — Man schreibt der Kölnischen Zeitung: Die im heutigen Moniteur er-- schienenen Decrete haben im Volke ein tiefes Gefühl der Entrüstung her vorgerufen und werden wol dieselbe Stimmung im Auslande Hervorrufen. Sie erscheinen im Widerspruche mit den beständigen Versicherungen der Ver trauten des Elyse'e, daß jeder Wunsch der Rache und der Wiedervergeltung gegen seine politischen Feinde dem Herzen des Präsidenten fern liege. Sie erscheinen auch durch keine politische Nothwendigkeit geboten und können nur dazu dienen, die nicht ganz erloschenen Sympathien für das Haus Orleans in der Bourgeoisie wieder zu beleben, und unter den Legitimisten die Furcht zu erregen, die Reihe könnte auch an ihren Liebling kommen. Schon erin nert man sich, daß der Chef des jüngern Zweiges der Bourbons, gegen welche mit solcher unmotivirten Härte verfahren wird, das Leben des bo- napartistischen Prätendenten geschont und in einem Augenblicke, wo das 8slu8 popnli mit mehr Grund anzurufen war. Diese Maßregeln erschei nen vor allem in Widerspruch mit den Worten des Briefes, worin Lud wig Napoleon vor wenigen Tagen den fremden Mächten seine Wiedererwäh lung notificirte. (Nr. 41.) Was werden nun die fremden Höfe, bei denen der Haß gegen die orleanistische Familie nicht jedes andere Gefühl über wiegt, zu den Decreten vom 23. Jan. sagen, welche in so kurzer Frist auf die freundschaftlichen Versicherungen gegen die fremden fürstlichen Häuser folgen? Oder wäre die Maßregel nur der Anfang zur Ausführung der Drohung Ludwig NapoleoN's, daß er die Opposition in den pariser Sa lons und an den fremden Höfen durch Strenge, nicht aber durch Entgegen kommen brechen wolle?