Volltext Seite (XML)
Donnerstag. Erste Ausgabe. LvrmttagS II Uhr. 22. Januar L8S2 Eeipßig. Dir Zeitung er- schelnt mit Au«nuhme de« Sonntag« «»glich zwei mal und wird ausgegeben in Leip zig Vormittag« ll Uhr, Abend« « Uhr; in Dresden Abend« » Uhr, Vormittag« « Uhr. für das Vierteljahr I VrThlr.i jede einzelne Num mer I Ngr. Nr. 35. Deutsche Allgemeine Zeitung. -Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» Zu beziehen durch alle Post ämter de« In- und Au«lande«, sowie durch die Erpeditio- nen in Leipzig (Querstraße Nr. 8) und Dresden (bei E. Höckner, Neustadt, An der Brücke, Nr. U). Jnsertionsgebühr für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Die „politischen Briefe" an der Spitze der Oberpostamts-Zcitung ste hen am Vorabende des Dutzend. Der elfte ist zu cigenthümlich, als daß wir ihn unsern Lesern vorenthalten sollten. Er lautet: „Vielen europäischen Dynastien mag es schwerer werden, in Frankreich den Kaiserthron wieder aufrichtcn zu sehen, als vom Kaiser von Rußland vorauszusetzen ist. Ein Napoleon «von Gottes Gnaden» führt diese Titulatur auf den Werth zu rück, den die römische Kirche mit dem misoriooi ckia Doi oder clivins ig- vente oloinouti» verbindet, auf den Ausdruck der Demuth und die Aner kennung göttlicher Zulassung ohne Berufung auf Verdienst und Recht. Die Welt hat nun einmal vom Baume der Erkenntniß gegessen. Ganz neuer lich macht ein bekannter politischer Schriftsteller in Berlin der Legitimität der tausendjährigen Königsfamilie Bourbon den Proceß, weil sie von Hugo Capet, einem Empörer und Eroberer, abstamme und weil Pipin und Chlod wig keine bessern Grundlagen für ihre Herrschaft gehabt hätten. Mit so strenger Kritik braucht man nicht zu Werke zu gehen, um nachzuwcisen, daß die deutschen Dynastien in Anbetracht ihres Ursprungs sich wol die Begründung einer neuen neben sich gefallen lassen können. Wir nehmen Oesterreich aus. Es ist vielleicht die edelste Blüte in seinem Ehrenkranze, daß es seine Macht und Selbständigkeit nicht dem stillen Kriege oder der offenen Auflehnung seiner Fürsten gegen ihren Herrn und Kaiser zu dan ken hat. Oesterreich hat aber die wichtigsten Gründe, die neue Autorität in Frankreich als einen Glücksfall für sich anzusehen. Es athmet freier und kann endlich daran denken, zu den natürlichen Grundlagen seiner Entwicke lung zurückzukehren und seinen Haushalt zu ordnen. Wenn aus dem Im perator dereinst ein Feind werden sollte, so ist er doch ein Feind, mit dem man ringen, mit dem man sich versöhnen oder den man nicdcrwcrfcn kann. Lange nicht so gefährlich, als die unsichtbaren Gegner, die eine Republik Frankreich in jedem Augenblick entsendet." ^Berlin, 20. Jan. In der I. Kammer sind in der letzten Zeit wie der verschiedene Anträge wegen Abänderung einzelner Paragraphen der Verfassung gestellt worden. Dieselben betreffen die Verlängerung der Bud- gctperiode, die Beschränkung des Rechts, welches die II. Kammer hat, den ordentlichen Etat in den einzelnen Positionen abzuändcrn, endlich die Ein richtung eines Staatsgerichtshofs ohne Geschworene. Gegen das Institut der Geschworenen wird überhaupt neuerdings verschiedentlich agitirt. Da bei kann man die eigenthümliche Wahrnehmung machen, daß meist Diejeni gen, welche als Geschworene bereits thätig gewesen sind, diese Einrichtung tadeln. Irren wir nicht, so stehen über 5000 Namen auf der berliner Ge° schworencnliste. Nichtsdestoweniger führen Viele Beschwerde, daß sie so häu fig berufen werden, während man andererseits Hörl, daß eine große Anzahl der auf der Liste stehenden noch gar nicht berufen worden sei. Natürlich sind cs nicht Letztere, welche die Schwurgerichte lästig finden. Inwiefern bei der Auswahl gewisse politische Richtungen gänzlich ausgeschlossen werden, lassen wir dahingestellt. — Zu dem vorgestrigen Ordens feste waren aus den Kammern sämmtliche der Rechten angehörige decorirte Mitglieder ein geladen. Von der Linken sind nur sehr wenige von den im Besitz von Or den Befindlichen eingeladen worden; wie wir hören, waren cs fünf aus der II. Kammer, darunter der Präsident Graf v. Schwerin, dann die HH. Sim son, Lensing, v. Sanckcn. Wenn die Neue Preußische Zeitung erzählt, daß Graf Schwerin in ständischer Uniform erschienen sei, so ist das unrich tig; derselbe trug die Uniform eines Landraths. Berlin, 21. Jan. In der heutigen Sitzung der I. Kammer wur den folgende drei Anträge von der Kammer unterstützt und an die betref fenden Commissionen verwiesen. I. Antrag des Abg. Grafen v. Jtzenplitz: Die Kammer «volle beschließen: im verfassungsmäßigen Wege den Art. 107, 62 und 64, den Art. SS der Verfassung abzuändern und dahin zu fassen: Es kann, durch ein mit vorheriger Zustimmung der Kammern zu erlassendes Gesetz, ein besonderer Gerichtshof errichtet werden, dessen Zuständigkeit die Verbrechen deS Hochverraths und diejenigen schweren Verbrechen gegen die innere und äußere Sicherheit des Staats, welche ihm durch das Gesetz überwiesen werden, begreift. II. Antrag des Abg. v. Zander: Die Kammer wolle beschließen: im verfassungsmäßigen Wege den Art 99 der Verfassung-Urkunde vom 31. Jan. 1850, abändernd, dahin zu fassen: Die ordentlichen Einnahmen und Ausgaben deS StaatS werden zu Anfänge jeder Le gislaturperiode der II. Kammer auf drei Jahre veranschlagt und durch ein Gesetz festgestellt. Als ordentliche Einnahmen und Ausgaben werden diejenigen betrach tet, welche sich auf die Dauer der ganzen Etatsperiode erstrecken. Außer diesem, für eine dreijährige Periode gültigen Etat legt die Staatsregierung alljährlich eine Veranschlagung" der für daS nächste Etatsjahr nothwcndigen außerordentlichen Ausgaben vor, und weist die dazu verwendeten Deckungsmittel nach. Dieser au ßerordentliche Etat wird alljährlich durch ein Gesetz festgestellt. III. Antrag hcs Abg. Grafen v. Alvenslcbcn: Die Kammer wolle, unter Abänderung der Verfassung, folgenden Zusatz zum Artikel 99 derselben ^beschließen: Der Ausgabcetat zerfällt in den ordentlichen, welcher die zu dauernden Staatszwecken erfoderlichen Bedürfnisse umfaßt, und in den außerordentlichen Etat. Zur Abänderung des ordentlichen Ausgabeetats ist die Uebcreinstimmung der StaatSregierung und der beiden Kammern erfvderlich, und werden die in demselben enthaltenen Ausgaben, bis diese Einigung erfolgt ist, fortgeleistet. Der Berichterstatter Abg. v. Zander erstattet darauf den zweiten Be richt der Commission über das Disciplinargesetz, und wird das fol gende Amendement des Abg. v. Zander angenommen: „Hinsichtlich der Beam ten bei den landwirthschastlichen (ritterschaftlichen) Creditinstituten kommen folgende besondere Bestimmungen zur Anwendung: I) Die Verfügung we gen Einleitung des Disciplinarverfahrenö und die Ernennung des Untcr- suchungscommissars steht der Eeneraldirection des Instituts zu, unbeschadet der Befugniß des vorgesetzten Ministers zu dieser Verfügung und Ernen nung. 2) Die entscheidende Disciplinarbchörde erster Instanz ist der engere Ausschuß des Instituts. Jedoch kann durch Beschluß des Staatsministe riums die Entscheidung in erster Instanz einer andern Disciplinarbchörde über tragen werden, wenn das Staatsintcresse cs erfodert", und sodann der ganze Gesetzentwurf in namentlicher Abstimmung mit 78 gegen 52 Stimmen. — Wie wir hören, sagt die Neue Preußische Zeitung, wird die Regie rung den Kammern in kurzer Zeit einen Gesetzvorschlag, betreffend die künf tige Gestalt der I. Kammer, vorlegen und also diese Angelegenheit, über welche jetzt so viel gestritten wird, selbst in die Hand nehmen. — Die Neue Preußische Zeitung bringt unter ihren Inseraten abermals „gewichtige Stimmen vieler Patrioten", denen eine Revision der Ver fassungsurkunde nicht ausrcicht, die vielmehr durch die Kammern an den König die Bitte gerichtet haben wollen, „unter Aufhebung, resp. gänz licher Abänderung der Verfassungsurkunde vom 31. Jan. 1850 zu unserer alten ständischen Verfassung zurückzukehren, diese nach den Erfodernisscn der Zeit zu modificiren und zu verbessern, jedenfalls aber die Ihm von GotteS Gnaden verliehenen Zügel der Regierung wieder allein in Seine königliche Hand zu nehmen und Allerhöchstihren getreuen Ständen nur eine bcrathende Stimme bei der Gesetzgebung und bei dem Staatsschuldcnwcsen vorzubehal- tcn". Die Petition datirt aus Pritzwalk und trägt „über 100 Unterschrif ten von Mitgliedern der Städter in der Ostpriegnitz, und zwar von Kauf leuten, Gewerbetreibenden, Handwerkern, Bürgermeistern, Rathsmännern, Aerzten Superintendenten und Predigern, Lehrern, Rentiers, Gastwirthen, Ackerbürgern rc." — Der Gemeindcrath von Danzig hat mit 30 gegen 17 Stim men die Zahlung der Kosten für den Provinziallandtag abgclchnt. München, 19. Jan. Die Budgetberathung hat in der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten begonnen und zwar sogleich mit der Erörterung der Ausgaben, indem man beschloß, die allgemeine Discussisn erst der definitiven Abstimmung über das Ganze vorangchen zu lassen. Für den Etat des königlichen Hauses wurden 2,950,408 Fl. bewilligt, wo von die permanente Civilliste allein schon 2,330,580 Fl. in Anspruch nimmt. Abg. Kolb beantragte den Abstrich der Apanage des Königs Otto von Grie chenland im Betrage von 80,000 Fl. Man habe hierzu keine Verpflich tung, da jener Vertrag der Großmächte, durch welchen die Fortbezahlung dieser Apanage stipulirt wurde, niemals einer bairischen Kammer zur Geneh migung vorgelegt worden sei. Die Kammer ging aber auf Abg. Kolb's An sinnen, das von« Ministerpräsidenten lebhaft bekämpft wurde, nicht ein, sondern genehmigte das Postulat der Regierung. Der Etat des Staatsraths, den die Linke gänzlich gestrichen haben wollte, wurde auf den Antrag des Referenten von 104,642 Fl. auf 93,246 Fl. gemindert. Der einfache Abstrich dieses Postulats wäre überdies gesetzlich unthunlich gewesen, da den Gesetzen gemäß der Staats- rath nicht nur die Gesetzentwürfe vorzuberathen hat, sondern auch die höchste Instanz in der streitigen Verwaltungspflege bildet. Zudem muß jeder Mini ster Staatsrath sein. Größere Zustimmung fanden die vom Abg. Kolb bean tragten Reduktionen im Ministerium des Auswärtigen. Er wollte vor allem die Ersetzung der Gesandten durch Geschäftsagcnten, Nichtbezahlung zum Bundestage, Reduktion der Orden und Pensionen rc. Minister v. d. Psord- ten bemerkte hierüber, daß Diejenigen sich auf den revolutionären Boden stell ten, die den Etat für die Gesandten verkleinern wollten: denn die Armee und die Diplomatie seien die festen Säulen, auf welchen die Monarchie ruhe. Gegen diese Auseinandersetzungen regnete cS Verwahrungen von allen Seiten, und Abg. Frhr. v. Lcrchcnfeld selbst als Referent protestirte hier gegen. Die Abstimmungen über die Anträge des Abg. Kolb ergaben eine zweifelhafte Mehrheit dagegen, doch wurden auch die Postulate der Regie rung nicht angenommen, sondern die Vorschläge des Ausschusses, der 25,000 Fl. wcnigcr bewilligte als die Negierung fodertc, nämlich 435,321 Fl. Für den Landtag wurden ohne Erörterung 60,000 Fl. jährlich bewilligt,