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Beilage zur zweiten Ausgabe der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 12. Januar 1852. Die deutsche Auswanderung. L Araakfnrt a. M., im Jan. In Bezug auf die allgemeine Organ!- sation der deutschen Auswanderung und ihren RkgierungSschutz hat da» v«r- flossen« Jahr Hoffnungen zerstört, welche neu erweckt worden waren, al- man in Erfurt ein auf das Rrich«au«wanderuntzSgrsrtz gegründete- AuSwan- derungSgesetz für die Union vorlegte. Jetzt ist die Angelegenheit in da- Sta dium der Verhandlungen zwischen Preußen und den Hansestädten getreten, und wir hoffen, daß bald da-Wenigste erreicht werde, wa- die Auswanderer als Schu^von der alten Heimat in Anspruch nehmen können, nämlich die Anstellung a«r«dit!rter und gut besoldeter Agenten zu diesem Zweck allein in den haupt sächlichsten ausländischen Einschiffung-Hafen: Rotterdam, Antwerpen, Havre, Liverpoolund in den überseeischen Landung-punkten Reuyork, Neuorleans, Baltimore, Galveston u., da die unbesoldeten Eonsuln zu diese« mühsamen, mancherlei Kosten und Unannehmlichkeiten in seinem Gefolge führenden Ge- schäfte nicht geeignet find. Einstweilen ist auf Privatwege Meles geschehen, um wenigsten« durch Warnung und Belehnmg manche« Unheil von dem scheidenden Deutschen abzuhalren: AuSkunftsfiellen sind eröffnet zu Bremen (feit 1. März 1881 mit drei Geschäftszimmern, am Bahnhofe, am Häfen und unter« Schütting), zu Hamburg, zu Frankfurt a. M. (eröffnet am 1. Juni, Zeil Rr. 3) re. Bremen, wo die treffliche Herberge für Auswan derer zu Bremerhafrn besteht, macht neuerdings große Anstrengungen zur Vermehrung der schon sehr bedeutenden Auswanderung über diesen Platz, auch literarische durch Gründung einer neuen Zeitschrift für die Auswande rung, welche hier allerdings besser am Orte ist, als in dem Binnenstädl- chen Rudolstadt; unbegreiflicherweise haben aber die dortigen Rheder trotz mehrfacher Anregungen bisher das wirksamste Mittels nämlich die Errich tung von Agenturen in allen Hauptplätzrn Süddeutschlands, welche von Agenten für Havre, Antwerpen, Liverpool «c. wimmeln, versäumt. Die Zahl der über Bremen Ausgewanderten betrug vom 1. Jan. bis 30. Sept. 1851 27,819 Passagiere in 166 Schiffen, nämlich nach Neuyork 103 Schiffe, 15,847 Reisende; nach Baltimore 24 Schiffe, 4460 Perso nen; nach Reuorleans 20 Schiffe, 5161 Personen; nach Philadelphia 8 Schiffe, 713 Personen; nach Galveston 7 Schiffe, 920 Personen; nach Adelaide 1 Schiff, 258 Personen; »ach Callao (Lima) 2 Schiffe, 404 Per sonen; nach Greytown (S.-Juan de Nicaragua) 1 Schiff mit 56 Auswan derern. Die Auswanderung nach Ungarn, gegen welche wir immer gewirkt, hat wenig Anklang gefunden, mit dem Ruin der Ausgewanderten geendet und scheint jetzt noch zu Processen gegen die Urheber Veranlassung zu ge ben. Das vielbesprochene berlinisch-hamburgische Projekt der Colonisation von Mittclanicrika ist in diesem Jahre endlich aufgegcben worden. Eine neue Agitation tauchte auf in der Werbung von Handwerkern, Arbeitern »nd Dienern mancherlei Art für Peru, welche wieder einen eigenthümlichen Blick auf die traurige Lage unserer Arbeiterklasse gewährte, da ohne die mindeste Gewahr, ja ohne genaue Kennlniß der Bedingungen eine unglaub liche Menschenmenge diesem neuen Lichte zuflog, von denen ein großer Theil nur durch Mangel jeder Mittel zur Ucberfahrt zurückgehalten wurde. In Brasilien werden die bedeutenden deutschen Ansiedelungen im Süden des Landes an der deutschen Legion, welche nach beendigtem Kriege zur Ansiede lung bestimmt ist, einen bedeutenden Zuwachs erhalten. Die deutsche Co- lonir auf den Ländereien des Prinzen von Joinville, Dona Francisca in der Provinz Sta.-Catarina, unter der Direktion von E. Schröder, erhielt von Hamburg aus neue deutsche und schweizer Ansiedler durch drei Schiffe, deren letztes am 11. Oct. auch den protestantischen Prediger der Kolonie, vr. Hoffmann au« Lübeck, hinüberbrachte. Krankr eich. K Paris, 8. Jan. Die Constitution ist auch heute noch nicht erschienen, und zwar betrefft der Schwierigkeiten nicht, die ich in meinem gestrigen Schreiben andeutete. Der Verzug wird aber keinenfalls groß sein, indem man endlich zu einem Entschlusse kommen muß und, wie ich gleichfalls ge stern sagte, ist eS wahrscheinlich, daß das System der Besoldung für den Senat angenommen werden dürfte. Sonst wird über die Constitution nichts Näheres mitgetheilt, doch scheint gewiß, daß der Präsident 40 Sena toren ernennen wird. Dies« 40 hätten dann weitere 40 zu erwählen, und zwar mit Berücksichtigung der von den Generalräthen vorgeschlagenen Can didaten. Die Meinung, daß Ludwig Bonaparte sich schon in der Verfas sung den Titel Kaiser der Franzosen beilegen werde, hat nichts für sich, ob gleich sie in gut unterrichteten Kreisen verbreitet ist Der Umstand, daß auf die Münzen blos dcr Name Ludwig Napoleon Bonaparte ohne nähere Bezeichnung geprägt werden soll, und noch mehr folgende Thatsache, deren Genauigkeit ich verbürgen darf, sprechen für das Gegenthril. Bei Gelegen heit des Bankers für die Delegirten in den Tuilerien drängten sich die Maire« der verschiedenen Städte nach Tische ganz guter Dinge nm den Präsidenten, und Alle wollten mit ihm reden. ES entstand ein großes Ge dränge und General Magnan mußte dem Präsidenten auf eine sehr ener gische Weise Luft machen. Die Entschiedensten bildeten einen Kreis um Lud wig Bonaparte und erklärten im Namen ihrer Auftraggeber, daß der Prinz, wenn er den Wünschen des Landes entgegenkommen wolle, eine Monarchie Herstellen müsse. Ludwig Bonaparte antwortete hierauf: „Meine Herren, ich weiß die Gefühle, die Ihnen diesen Wünsch cinflößen, zu achtdn, ich an- erkenne das Heilsame Ihrer Absicht, allein ich glaube, und dies mögen Sie ! Ihren Freunden daheim mittheilen, daß ich al« Präsident über eine größer« Gtwalt zum Schutz« der Autvrität verfügen können werde, denn irgend ein Monarch von Frankreich." Hierauf habe sich Ludwig Bonaparte in seine Gemächer zurückgezogen. Die Delegirten sind entzückt über ihren Empfang und bl»S der Maire einer kleinen Stadt ifl in Verzweiflung, „äv suis divn kaokä ti'avoii- vu le persistent", sagte er, „denn der Prinz sieht sti- nem Onkel so wenig ähnlich, daß ich gar nicht weiß, wie ich meine Leute daheim beruhigen können werde." Bei dieser Gelegenheit sei auch bemerkt, daß die zwar nicht sehr zahlreichen Municipälräthe, die sich weigerten, Ab geordnete nach Paris zu schicken, aufgelöst worden seien. — Die Auflösung der Nationalgarde wird wiederholt als bevorstehend verkündigt, und mau behandelt sic bereits mit einer Geringschätzung, die ihr ihre letzten Augen blicke sehr bitter machen Muß. Di« Wachposten von Paris haben den Be fehl erhalten, den „vorbeimarschircnden Zügen keine militärischen Ehrt» Mehr zu erweisen, ebenso wenig als den Offizieren dcr Bürgermiliz". Diese ha- den bei Bieyra Klage geführt, ohne daß derselbe weitere Notiz von dieser Klag« genommen hätte.— Dcr Finanzminister Kould ist mit dem Glyfteanern st« pur sang nicht auf besonders gutem Fuße. Dir siegeSgewiffen Helden de« Kaiscrthums machen sich lustig üb«r die spießbürgerlichen finanziell««; B«den- ken, welche der bedächtige Börsenmann ihren Planen gegenüber erhebt. Im vorgestrigen Ministerrathe, als ihm Hr. de Persigny die Hand reichen wollte, wies Hr. Fould dieselbe zurück, indem er bemerkte, daß er sehr wohl wisse, was er von den Sympathien dcr Vertrauten des Präsidenten zu halten habe. Die Mission de« Hrn. de Persitzny nach dem Norden wurde infolge ringe- troffener Depeschen verschoben und derselbe wurde aus Brüssel hierher zu- rückgerufen, doch ist dieselbe blos aufgeschoben. Hr. de Persigny scheint auch mit Hrn. de Morny gespannt zu sein und, wie man behauptet, aus dem Grunde, weil er in diesem einen gefährlichen Nebenbuhler für die Staats- sccrctärswürde zu sehen befürchtet. Hr. de Morny versichert jedoch seinerseits, daß er sich zurückziehcn werde, sowie dies nur einigermaßen möglich wird. Als interessanter Beitrag zur Stellung der Regierung zu den Großmächten mag hier nachträglich bemerkt werden, daß die Vertreter der Großmächte bei dcr gestrigen Vorstellung nicht erschienen waren, blos die Diplomatie zwei ten Ranges bctheiligte sich an diesem Hoffcste. — Es war hier allgemein auf gefall«», daß die Hauptrolle im „Propheten" nicht von Roger gesungen wurde, sondern von dessen Ersatzmann Gueynard. Ich habe hierüber Folgendes er fahren: Roqucplan erhielt cinc unterschriftliche Note aus dem Elyse'e, in welcher gesagt wird, daß der Präsident die Aufführung des „Propheten" wün sche und zugleich, daß die Hauptpartic von Gueynard gesungen werde. Ro- queplan, dcr ciucn Jrrthum vorausschte, begab sich sogleich aufs Elyse'e, um hierüber inS Klare zu kominen. Man sagte ihm, daß kein Jrrthum vor handen sei, cs handle sich nämlich um eine politische Soiree und nicht um eine Kunstvorstellung, und da wolle man den ersten Tenor der großen Oper für ein Witzwort bestrafen, das er über den 2. December sich zu Schulden hatte kommen lassen. Roger hatte nämlich gesagt: „6eUs fouinee «oster» insmoraisto stuns i'kisloiro st« I» branco, e'est la journ^e Oos insvivs- lüos." Man erzählt sich ein« spaßig« Scene, die zwischen dem englischen und russischen Gesandten ftattgefundcn. Jener wußte nämlich nicht, daß Hr. v. Kisscl«w beim Tedeum vom I.Jan. nicht erscheinen werde und nahm es später übst, daß man ihm hieraus ein Geheimniß gemacht. Er stellte den russischen Gesandten bri Gelegenheit eines Besuchs halb ernsthaft, halb scher zend zu Rede und schloß mit den Worten: „Jedenfalls finde ich es sonder bar, daß Sie zu cimm Fußübst Ihre Zuflucht genommen, wo es doch be kannt ist, daß die Fußschmerzcn von jeher ein Privilegium der englisch«» Mission gewesen, und Sic begreifen, wie ungern ich mich dazu entschließ«» würde, denselben gegen Kopfweh zu vertauschen." — Unter den Nachträgen zur Geschichte des 2. December, welche ich Jhncn von Zeit zu Zeit mit- theile, mag auch nachstehender Platz finden. Man konnte sich lange nicht erklären, warum das Haus, in dem die Tcppichniedcrlage der StaatSfabrik sich befindet, an« 4. Dec. mit Kanoncn beschossen wurde. Wie mir gestern mitgetheilt wurde, hat es hiermit folgendes Bewenden. Die Linientrupprn waren an jenem Punkte so dicht von Zuschauern umdrängt, daß diese, de» vielen Auffodernngen Gehör gebend, die Kolben in die Luft hoben. Diese Kundgebung wurde mit Jubel begrüßt und verbreitete sich wie ein Lauf feuer längs der Truppen. Der commandirende Offizier, welcher das An steckende dieses Beispiels fürchtete, ließ eine Kanone gegen das erste beste Haus commandiren und zugleich zur Decharge blasen: das wirkte, und wa« nicht von Neugierigen auf dem Platze blieb, suchte in dcr schleunigsten Flucht sein Heil. Die in der Rue de Tonncrre einschrcitendcn Gardes re'publicainS hatten während des Kampfes in die Luft geschossen und sollten nun eint DiSciplinarstrafe ausstehen. Hierübcr erbittert, gaben sogleich 150 Offiziere und Unteroffiziere ihr« Entlassung. Gr» Ivritannien. ^.London, 8. Jan. Das verflossene Jahr hinterläßt cinc sehr bc- dcutungsvollc Erbschaft an dicscS 52. des Jahrhunderts. Das Material ist in einem Tagesschreibcn nicht einmal als Nomenklatur zu erschöpfen. ES sind Vorarbeiten, Bausteine und Arbeiten in unzähligen Massen. AlS die wichtigsten müssen wir jedenfalls den Locke King'schcn Antrag um crwciter- krs Wahlrecht und die Wirkungen dcr Weltausstellung erkennen. DerLockc- King'schc Antrag, dcr in der ganzcn Breite dcö Volks als Wahlrcform-