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Montag. Zweite Ausgabe. Abends 8 Uhr. 12. Januar 18S2 ibeiP-ig. Dec Z«iw»g rr- schrbij mit Autnahm- dr« «onnl»g«<ägltch,w<l n>al und wirb tä»-q«scn in L«lp,tg Vormittng« I > Uhr, Abcnd« «> Uhr: in Lr««d«u Abend« L Uhr, Vormittag« S Uhr. M»«l» für da« Vierteljahr «V.THlr jede einzelne Num- mrr l Ngr. Nr. 18. Deutsche Mgeinciut Zeitung. »Wahrheit und Recht, Freiheit und Eesehl» Zu beziehen durch alle Post ämter des In - und «u«lan- dcS, sowie durch die Arpedi- tionen in Leipzig (Ouer- straßc Nr. «) und Dretde« ibei E Höckner, Neustadt, An der Brücke, Nr. 2 ) Inskrttoutzgebü-r für dm Raun, einer Zeile 2 Ngr. Deuts chlan-. LZ Berlin, 11. Ian. Verschiedene Blätter haben die Neactivirung des Staatsraths als nahe bevorstehend gemeldet. Die betreffenden Angaben sind richtig; nur handelt es sich nicht um eine Reactivirung des Staats raths in dem eigenthümlichen Sinne dieses Worts, da eine Aufhebung die ses Instituts bisher nicht erfolgt ist, und cs sich mithin nicht um eine Rc- activirung, sondern nur um eine einfache Einberufung des Staatsraths han delt, damit derselbe seine nur unterbrochen gewesene Thätigkeit wieder bc- ginne. Abgesehen hiervon halt man den Wiederbeginn der Thätigkeit des Staalsralhs in unsern Regicrungskrcisen auch schon deshalb für unumgäng lich nothwendig, weil man in dem Staatsrathe da-noch fehlende Mittelglied zwischen der Staatsregierung und den Kammern erblickt, welchem ganz be sonders die genauere Prüfung und Vorbereitung der von der Staatsregie rung den Kammern zu machenden Vorlagen obliegen soll. Die Einberu fung der Mitglieder des Staatsraths wird schon in den ersten Tagen ge schehen. Wie es heißt, wird gleichzeitig die Ernennung verschiedener neuer Mitglieder des Staatsraths erfolgen, da einzelne der früher« Mitglieder aus- scheiden werden. /V Berlin, 10. Jan. Der Bericht der Commission der II. Kammer über den Claessen'schcn Antrag ist nicht allein wegen der klaren und aus führlichen Darstellung der preußischen Preßzustände, sondern namentlich auch deswegen von großem Interesse, weil darin die Ansichten der Negierung und ihrer Freunde über Verfassung und Gesetze deutlich zu Tage treten. Auf den Gegenstand der Beschwerde gehen wir nicht specicll ein, da es bekannt genug ist, wie seit einem Jahre seitens der Verwaltung gegen die politische Presse verfahren worden ist. Der Commissionsbericht sagt hierüber treffend: Durch die Anwendung administrativer Concessions- und Postdebitscntziehung bei einzelnen Blättern, durch ihre Androhung bei andern, durch die Art der Handhabung der polizeilichen Beschlagnahme und die sonstigen Maßregeln sei denn auch die Presse in diesem Augenblicke in einem Grade cingeschüch- tcrt, daß von einer freien Discussion der politischen Angelegenheiten des Lan des gar nicht mehr die Rede sein könne; es sei daher für die Kammer die dringendste Veranlassung gegeben, ihrerseits dieser gesetzwidrigen Bedrückung nach Möglichkeit entgegenzutreten. Aber, wie schon bemerkt, wichtig ist hauptsächlich die Art und Weise zu erfahren, wie die Vertreter der Negie rung im Schoose der Commission sich zu dem Anträge gestellt haben. Der Commissar des Ministers des Innern (Geh. Regierungsrath und Abg. Sche rer) erklärte, daß der durch den Claessen'schen Antrag verlangte Beschluß über die verfassungsmäßigen Befugnisse der Kammer hinausgehe und daß daher die Regierung sich auf das Materielle des Antrags gar nicht einlasscn könne. Die Kammer hätte nur die Befugniß, bei der Gesetzgebung mitzu wirken, Petitionen dem Ministerium zu überweisen, Auskunft von letztcrm zu verlangen, Adressen an den König zu richten, Thatsachen durch Commis sionen untersuchen zu lassen. Uebcr diese Befugnisse gehe der Antrag thcils hinaus, thcils übe er keine derselben aus. Ein Mitglied der Commission machte nun den Vorschlag, den Antrag in die Form einer Adresse an den König zu bringen, um so der Regierung die Möglichkeit zu geben, sich über die Sache auszulassen. Hierzu schwiegen die Ncgierungscommissare. Die Commission ging darauf zur materiellen Berathung des Antrags über. Der Bericht stellt sorgfältig die verschiedenen Gesetze, ihre Entstehung, die Acu- ßerüngen der Minister in Commissionen und Kammern zusammen, um die Ungesetzlichkeit der administrativen Concessionsentziehung darzuthun. Die mi nisteriellen Mitglieder der Commission wußten in sachlicher Beziehung so gut wie nichts hiergegen anzuführen, sondern begnügten sich mit der Bemerkung: cs möge die Absicht der Majorität, die den betreffenden §. 84 des Prcßge- sehes votirt habe, gewesen sein, daß die Concessionsentziehung ausschließlich nur durch den Richter verhängt werden dürfe, buchstäblich sei dies nicht ausgesprochen und die Behörden hätten auf diese Absicht keine Rücksicht zu nehmen. In der Commission wurden nur die streciellen Fälle dieser Art aufgezählt. Ein Mitglied erzählte, wie cs den Schriftwechsel zwischen der Regierung und der Kölnischen Zeitung eingcsehen habe, worin erstere di« genannte Zeitung mit administrativen Maßregeln bedrohe. Ein ministe rielles Mitglied stellte hierauf den eigenthümlichen Antrag, den Antragsteller aufzufodern, die von ihm behaupteten Thatsachen authentisch nachzuweisen, und bis dahin die weitere Discussion über den Antrag auszusetzen. Diese Zumuthung ward indcß zurückgewiesen. Ebenso ausführlich, wie bei der Concessionsentziehung, ist im Berichte die Ungesetzlichkeit der Postdebitsent- zirhung nachgewiesen. Der Bericht sagt hierüber schließlich: „Für die Ge setzlichkeit der administrativen PostdebitSentziehung, resp. der Nichtwiedrr- gestattung des Postdcbits, nahm in der Commission Niemand das Wort." In seinem letzten Theile breitet sich der Bericht darüber aus, wie man, nachdem die Kammern im vorigen Jahre ein allgemein als streng anerkgmr- tes Prcßgesetz votirt, erwartet habe, die Regierung würde sich auf die An wendung desselben beschränken. Statt dessen habe sic cs vorgezogen, gerade diejenigen Maßregeln rein administrativen Beliebens, welche das neue Gesetz nicht enthalte und welche die Kammern aus dem Gesetzentwürfe entfernt hätten, die Concessions- und Postdebitscntziehung, anzuwenden oder anzu drohen. „Aber freilich", heißt es im Berichte, „gestatte das Prcßgesetz, wie streng es auch sei, doch nur die Verfolgung und Bestrafung von Schriften wirklich strafbaren Inhalts; es würde, wie streng cs auch sei, nicht ausgc- reicht haben, die Zeitungen zu zwingen, von ihrer bisherigen oppositionellen Tendenz abzulaffen, wie man dies unter Androhung administrativer Maß regeln von der Kölnischen Zeitung verlangt habe; cs würde nicht ausgercicht haben, in cinem Augenblicke, wo der Minister des Innern dazu überging, die gesetzlich aufgehobenen Provinziallandtage zusammenzuberufen, den un bequemen Widerspruch der Presse gegen diese Verletzung des Gesetzes und der Verfassung vor dem Richterstuhle als strafbar darzustellcn." Auf diese Kri tik des Verfahrens der Regierung waren die Gründe, welche die ministe riellen Commissionsmitglieder zurVerlheidigung der Regierung anführtcn, ebenso schwach wie die über die rechtliche Seite der Sache Die Zeitungen und Schriften, hieß cs, gegen die in der gerügten Weise verfahren worden, seien von einer Tendenz, welche für die Kammer jedes Motiv zu einer Erklärung, wie die beantragte, Wegfällen lassen müßte! Uebrigens fehle cs auch an dem crfoderlichen Beweise, daß die betreffenden Vorgänge in höherer Instanz von dem Ministerium gebilligt worden seien, und ehe dieser Beweis gelie fert worden, entbehre der Antrag der nothwendigcn Begründung! Hinsichtlich der von dem Negierungscommissar behaupteten Verfassungs widrigkeit des Antrags stellt der Bericht folgende Sätze auf: Die Frage, in welcher Forni die Kammer ihre Meinung aussprechen solle, ist rein eine Frage der Geschäftsordnung, welche letztere laut Art. 78 der Verfassung durch die Kammern festgestellt werde. Durch die Verfassung haben die Kammern die Mitwirkung bei der Gesetzgebung, daraus allein folgt schon ihr Recht, sich zu überzeugen, ob die vereinbarten Gesetze wirklich zur Voll ziehung gelangen, und ob nicht etwa über Gegenstände der Gesetzgebung von der Negierung einseitig disponirt werde. Art. 54 der Verfassung legt der Krone die Pflicht auf, „in Uebercinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen zu regieren". Hieraus folgt, da die Minister verantwortlich seien, ihre verfassungsmäßige Pflicht, in Uebercinstimmung mit den Gesetzen zu regieren, und ferner, daß, wenn sic diese Pflicht verletzten, sie auch die Verfassung verletzten. (Der Negierungscommissar hatte nämlich das Recht, der Kammern, wegen bloßer Gesetzesverletzungen Klage zu erheben, bestrit ten.) Art. 106 der Verfassung bestimmt: „Die Prüfung dcr Rechtsgültig- keit gehörig verkündeter königlicher Verordnungen sicht nicht dcn Behörden, sondern dcn Kammern zu." Das Recht könne der Kammer nicht weniger zustehen, wenn z. B. die administrative Concessionsentziehung blos infolge ministerieller Anordnung geübt werde. Dcr Antrag bezwecke keine Einmi schung in die Verwaltung, denn er spreche nicht aus, daß etwas geschehen solle, sondern lediglich, daß das Verfahren der Regierung gesetzwidrig sei. Hiergegen wurde von ministeriellen Mitgliedern bemerkt: Wenn die Kam mer bei ihrer Berathung des Prcßgesctzcs allerdings die Absicht gehabt habe, die administrativen Maßregeln gegen die Presse nicht zuzulasscn, so sei dies noch kein Grund, dcr Staatsrcgicrung in dcr beantragten Weise cntgcgcn- zutrelcn und dadurch jene wenigen Blätter und Schriften, gegen welche sie cingeschrittcn, gleichsam in Schutz zu nehmen. (Welche cclatantc Probe von Gerechtigkeitssinn!) Dieser casuistischcn Vcrcheidigung dcr Willkürmaßrcgcln setzt die Schlußerklärung des Regierungscommissars die Krone auf. Der Art. 54 dcH Verfassung, erklärte Hr. Scherer, bestimme nur den Inhalt des vom Könige zu leistenden eidlichen Gelöbnisses. Dieses Gelöbniß sei von den Ministern nicht zu leiste», cs binde nur das persönliche Gewissen des Königs, cs könne daher auch nicht gesagt werden, daß die Pflicht dcr Staatsrcgicrung, den Gesetzen gemäß zu handeln, eine verfassungsmäßige sei. Jedenfalls könne das beantragte Votum dcr Kammer für das Verfah ren der Negierung nicht maßgebend sein. Das Ministerium habe die Pflicht, die Gesetze nach seiner Ueberzeugung in Ausführung zu bringen und sei da- für verantwortlich. Diese Ueberzeugung könne dadurch nicht geändert wer den, daß eine Kammer, die für die Ausführung keine Verantwortlichkcit habe, eine andere Ueberzeugung über den Sinn eincs Gesetzes hege, und cs sei daher auch in dieser Beziehung dcr beantragte Beschluß ohne allen Werth. Wie schon mitgethcilt, empfiehlt die Commission mit 7 gegen 4 Stimmen die Annahme des Claessen'schcn Antrags. Am 12. Jan. wird die öffentliche Berathung darüber stattfindcn; die obigen Mittheilungcn wer den Ihnen daher inr Oricntirung in dcr Sache nicht unwillkommen sein. n München, 10. Jan. In dcr heutigen Sitzung dcr Kammer dcr Abgeordneten brachte der Kinanzministcr mehre Entwürfe «in, die thcils