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Rabenauer Anzeiger : 16.11.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-191611168
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19161116
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- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19161116
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-11
- Tag 1916-11-16
-
Monat
1916-11
-
Jahr
1916
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Die letzte knegswoche. Der Weltkrieg, in dem die Wut der Gegner sich nicht genug hat tun können im Zerstören, hat auch Elemente gefunden, die sich bemühten, aufzubauen, wo die anderen einzureißen sich bestrebten. Es mag ja noch geraume Zeit währen, bis das neue Europa fertig gezimmert dasteht, aber der Anfang ist gemacht, und der Richtspruch, der diesen Beginn begleitet hat, fand in der ganzen Welt ein lebhaftes Echo. Wenn wir die Proklamation zur Wiedererrichtung des Königreiches Polen mit derjenigen vom 18. Januar 1871 vergleichen, durch welche das Deutsche Reich von neuem erstand, so klingen, so verschieden die Verhältnisse auch sonst waren, doch viele Seiten harmonisch an. Die Wohlfahrt der Völker diktiert das eine wie das andere Schriftstück, und wie die Deutschen gut gefahren sind, indem sie es sich zur Richtschnur dienen ließen, so werden auch die Polen Segen ernten, wenn sie den Grundsätzen treu bleiben, die für ihr künftiges nationales Dasein aufgestellt sind. Äach den vielen Worten unserer Gegner weisen die verbündeten Kaisermächte hier Taten auf, die bekunden, daß Freiheit und Völkerrecht bei ihnen in sicherer Hut sind. Sie hab» gehandelt in diesem Sinne, so schnell sie konnten, und auch früher schon, wo sie konnten, und den Leitern der Entente sind mehr als einmal aus dem eigenen Lager Ver- jäumnisfctster vorgeworfen worden. Die Saat, die aus» gestreut ist in der diplomatischen Arbeit der Staatenbildung und Verteidigung der Weltrechte muß ebenso ihre Früchte tragen, wie der Erfolg der Waffen auf den Schlachtfeldern. Der Dank, welchen die Polen den verbündeten Monarchen in schwungvollen Worten dargebracht haben, ist keine Phrase des Tages, sondern dos strömende Herzblut der polnischen Nation. Wo die Moskowiter nicht zu ackern verstanden, da soll jetzt die volle Ernte reifen. Der volnische Grenzwall wird in Zukunft eine hohe Mission im Dienste des Friedens haben. Der Ausrufung des neuen Königreiches Polen, die viele trügerische feindliche Hoffnungen zertrümmerte, steht als ein bedeutsames Ereignis jenseits des Ozeans die am 7. No vember erfolgte Wahl eines neuen Präsidenten der Ver einigten Staaten von Nordamerika gegenüber, mit der sich unsere Feinde außerordentlich lebhaft beschäftigt haben. Die Annahme, daß die nordamerikanische Neutralität ein Ende haben könnte, wird sich, wie fo manches andere, als eine Seifenblase herausstellen, die keinen Wert hat. Herr Wilson, der nicht wiedergewühlte Präsident, hat durch die Gestattung der Waffenlieferungen Frankreich und England schon einen großen Dienst ge! istet, aber darüber hinaus zum Eintreten in den Krieg hat er sich nicht entschließen können. Auf einer anderen Richtlinie dürste sich auch die Politik seines Nach folgers Hughes kaum bewegen. Die Parteiangehörigkeit ipielt in der auswärtigen Politik der Vereinigten Staaten keine größere Nolle wie in derjenigen Englands. Die Ver einigten Siaatcn sind das Land der unbegrenzten Möglich- selten genannt, aber in diesem Weltkriege haben die Mög lichkeiten nachgerade doch wohl ihre Grenzen gefunden. Für Amerika sollte auch keine Europa-Frage bestehen, da die Re gelung der Beziehungen zu Japan für den neuen Weltteil ungleich wichtiger ist. Wenn bezüglich des Wahlresultates noch eine Über raschung cintreten sollte, so würde das auf Deutschland den geringsten Eindruck machen; wir erwarten von dem republi kanischen Präsidenten so wenig ivie von dem demokratischen, sind uns vielmehr bewußt, daß wir in diesem Völkerringen ganz auf unsere eigene Kraft und die unserer treuen Ver bündeten angewiesen sind. Die Ereignisse haben bewiesen, daß diese Stärke derjenigen unserer Feinde, die von det ganzen Welt unterstützt werden, nicht nur gleichkommt, son dern noch übertrifft. Und das genügt uns. „Ein Schlachten wars, nicht eine Schlacht zu nennen " Das Dichterwort, das auf die Kämpfe im Osten schon so häufig angewandt werden konnte, trifft auch auf die Kä-npfe an der Somme in Frankreich zu. Da ist eine Sintflut cin- getreten, in der die Ausführung det AngriffSpläne der Eng länder und Franzosen ersäuft. Der Feind empfindet am stärksten, daß so etwas nicht auf Erden dagewesen ist, aber die feldgrauen Deutschen halten unentwegt aus. Di» ein zelnen kleinen Frontänderungen haben mit so gewaltigen Menschenopfern beim Feinde bezahlt werden müssen, daß das auch bei ihm eingetretene Stutzen zu begreifen ist. Ein Knegsrat in England und Frankreich hat den andern gejagt. Lütsr üem Wawmolick. Roman von G. v. Goltz. 22 Was war das?" fragte der Professor plötzlich, als er und Djelma sich schon anschicken wollten, den Heimweg anzutreten, „das war doch der Schrei einer Frauenstimme, der dort aus dem Hause der Signora kam — ganz deut lich habe ich ihn vernommen." „So schien es mir auch," stimmte der Flötenspieler bei. „Mein Gott," suhr der Professor hastig fort, „sollte der Leutnant in seiner Trunkenheit sich an seiner eigenen Schwester tätlich vergreifen — wahrscheinlich ist nach un serem Fortgang ein Streit zwischen den Geschwistern entstanden und die Signora befindet sich nun hilflos in den Händen des Trunkenboldes, denn außer der alten Meriam und dem Negerknaben befindet sich doch kein Mensch bei ihr, der ihr in einer solchen Lage zu Hilse kommen könnte." „Nein," antwortete der Flötenspieler und seine Stimme zitterte merklich. „Niemand wird ihr Hilse bringen — ich sage es gibt ein Unglück und der Signor ist daran schuld." „Was können wir hier tun?" „Wir müssen noch einmal zurück — die Hand des Unwürdigen, die auch mich schon so arg getroffen hat, muß gezügelt werden, wie ein wild gewordenes Wüsten- pserd." „Die Gartentüre wird verschlossen sein, Djelma, und leicht könnte man es uns auch sehr übel nehmen, wenn wir uns in den Streit einmischen, wenn ein solcher zwi schen den Geschwistern ausgebrochen sein sollte.' Bei den letzten Worten des Professors unterbrach abermals ein schrei aus der Richtung des Fratellischen Häuschens die abendliche Stille, dann noch ein dritter aber neue Mittel sind nicht gesunden, neue geniale Feldherrn- leistungen nicht gezeigt worden. Man hatte vor dem Beginn der winterlichen Jahreszeit noch einmal einen gemeinsamen großen Schlag zu führen unternommen, von dem mindestens Engländer und Franzosen eine weittragende Entscheidung für sich erhofft halten. Der Großkampftag an der Somme stand mit der neunten Jsonzoschlacht der Italiener in greif barem Zusammenhangs. Die Russen hatten sich von der gemeinsamen Offensive ausschließen müßen, da es ihnen an Kraft gebrach infolge der erlittenen schweren Verluste einesteils und andererseits infolge des Umstandes, daß sie dem hart bedrängten Rumänien foviel Streitkräfte wie nur möglich zuzuführen suchten. Nach dem trübseligen Ausgang des Großkampftages an der Somme zeigen die Operationen der Engländer und Franzosen etwas Unstetiges und Sprung haftes. Baid greifen die Feinde diesen, bald jenen Punkt an, ohne irgendwo wesentliche Erfolge zu erringen; die Verfolgung eines klaren Kriegsplanes ist nicht erkennbar. Die größere Energie beweisen die Franzosen, die füdlich der Somme noch immer die verzweifelsteu Anstrengungen machen, um den Durchbruch zu erzwingen. Sie haben an Mann schaften und Munition fo schwere Einbußen erlitten, daß die Heeresleitung Frankreichs um die Ausfüllung der enhf standeren großen Lücken in berechtigter Sorge ist. Die Engländer schonen sich sichtlich oder schicken KolonialtruppeH vor, wie die neuerliche amtliche Feststellung der außerordentlich! hohen Zahl australischer Toter erkennen läßt. Wieder ist aus Paris der Notschrei laut geworden, Frankreich dürfe nicht verbluten, jetzt sei die Reihe an den übrigen Alliierten, alle Kräfte einzusetzen, um so schnell wie möglich den Sieg herbeizusühren. England hat den Hilferuf schon ost ver nommen ; aber durch seins Taten bewiesen, daß es ihm nicht entsprechen kann oder entsprechen will. Frankreich wird auch jetzt vergebens warten. Die russische Oktoberoffensive hat der russischen Stoß kraft, die nach den ungeheuren Verlusten der Sommeroffen- five nicht mehr auf ihre volle Höhe hatte gebracht werden könne, anscheinend den Rest gegeben. Au großen Untev nehmungen haben die Ruffen sich seither nicht wieder in de« Lage gesehen. An der Narajowka wie am Stochod habest sie äußerst empfindliche Schlappen erlitten und auch der Vorstoßversuch zwischen Riga und dem Naroczsee ist ihnen Übel bekommen. Es wird von den Militärkritikern über einstimmend angenommen, baß die Ruffen starke Kräfte zur Unterstützung der Rumänen abgelöst hätten. Ist dies der Fall, so sticht man bisher vergebens nach den Früchten der russischen Hilfe. Die rumänischen Verluste an Gefangenen werden auf 60 000 Mann beziffert, die blutigen Verluste der Rumänen fallen bereits doppelt so groß sein. Auf den Paßstraßen über das transsylvanische Gebirge dringen die Truppen der Armee Falkenhayn unaufhaltsam fi-gr-t'-h vor- wälts und halten nach schmeizertsrdcn Meldungen bereits kvo Quadratkilometer rumänischen Gebietes besetzt, also in wenigen Wochen doppelt soviel, wie die Engländer und Franzosen an der Somme in nahezu vier und einen halben Monat unter einem Verlust von rund einer Million Mann zu gewinnen vermochten. Die 20 000 Serben, dte den Rumänen zu Hilfe geeilt und von den Russen in wahrhaft bundesbrüüerltcher Weise stets auf den gefährlichsten Punkten Ler Front verwendet worden waren, wurden bis auf den letzten Mann aufgerieben. Dem weiteren Verlauf des rumänischen Krieges dürfen wir nach dem bisherigen Gange der Dinge jedenfalls mit voller Zuversicht entgegenschauen. General Sarrail hält den Augenblick zu der großen Offensive, die von seinen Freunden so sehnsüchtig erwartet wird und für deren Vorbereitung er sich reichlich Zeit ge nommen hat, noch immer nicht für gekommen. In der Größe, wie man sie auf der Gegenseite wünscht, sind Vor stöße in Mazedonien bisher nicht erfolgt. Die Angriffe im Cernabogen aber konnten von unseren Freunden bisher restlos abgewiesen werden. Ein Zeichen edler Menschenliebe ist es, daß Sarrail mit Vorliebe die Serben als Sturmbock fungieren ließ und die englischen wie französischen Truppen nach Möglichkeit schonte. Die achte Jsonzoschlacht soll den Italienern 100 000 Mann Verluste gekostet haben, und die neunte Jsonzoschlacht, die dem Feinde bis auf den Gewinn des Dorfes Lokvica keinerlei Erfolg eingebracht hat, soll mit einem nicht geringeren Verlust sür den Gegner abgeschlossen haben, der dort 150 000 Mann eingesetzt hatte. - Ei Der Kanzler über de» Kriegsausbruch Die Verhandlungen des am Donnerstag zusammen- qetretenen Reichshaushaltsausschusses des Reichstags leitete der Kanzler mit einer dreioierielstündigen Rede ein, in der er die neulichen Auslastungen des englischen Ministers Grey, Deutschland trage die Schuld an dem Kriege, widerlegte und den bündigen Beweis der Schuld der Ententemächte an dem Kriegsausbruch erbrachte. Herr v. Bethmann Hollweg führte aus, daß wir immer von dem Fortgang und der Beendigung, unsere Feinde nur von der Fortsetzung des Krieges sprächen. Das tat auch der englische Minister des Äußern Grey in seiner Tischrede an die ausländischen Journalisten, in der er meinte, man könne nicht oft genug auf den Ursprung des Krieges zurück kommen, denn dieser Ursprung sei von Einfluß auf die Friedensbeoingungen. Grey behauptete, Deutschland habe Europa den Krieg aufgenötigt. Dem gegenüber stellte der Kanzler in Wiederholung bereits bekannter Tatsachen erneut sest: Die Anordnung der russischen Mobilmachung in der Nacht vom 30. auf den 31. Juli 1914 machte den Krieg un vermeidlich. Die ganze WeU wußte damals, daß dieser Schritt gleichbedeutend mit der Kriegserklärung war. Das kann auch Grey nicht leugnen, er behauptet deshalb, Ruß land hat erst mobil gemacht, nachdem in Deutschland ein Bericht erschienen war, daß Deutschland die Mobilmachung befohlen habe, und nachdem der Bericht nach Petersburg telegraphiert worden war. In dem von uns gewählten Augenblick, so sügte er unter Hinweis auf die angebliche Fälschung der Emser Depesche hinzu, sei von uns ein ande res Land zu Verteidigungsmaßnahmen provoziert worden, die dann von uns mit einem Ultimatum beantwortet worden seien, das den Krieg unvermeidlich machte. Das Dokument, das dieler erst nach "wer "nd einem halben Jahre von M^en entdeckten Beweisführung zugrunde liegt, war ein Extrablatt des Berliner Lokal-Anzeigers. Am 30. Juli 1914 m den stützen Nachmittagstunden hatte der Lokalanzeiger in Form eines Extrablattes die Falschmeldung ausgegeben, daß der Kaiser die Mobilmachung befohlen habe. Die Herren wissen auch, daß auf der Stelle der Verkauf dieses Extrablattes polizeilich verhindert und die vorhandenen Exemplare beschlagnahmt worden sind. Ich kann außerdem feststellen, daß der Staaissekretär des Aus wärtigen Amts alsbald den russischen Botschafter und gleich zeitig auch alle übrigen Botschafter telephonisch davon unter richtete, daß die vom „Lokalanzeigei" ausgegebene Nachricht falsch sei. Ebenso wurde die Botschaft alsbald von der Re daktion des „Lokalanzeigers" unterrichtet, daß ein Verchen vorlag. Ich kann weiter feststellen, so fuhr der Kanzler fort, daß der russische Botschafter zroar sofort nach der Ausgabe des Extrablattes eine chiffrierte Meldung nach Petersburg telegraphiert hatte, die nach dem russischen Orangebuch lautete Ich erfahre, daß die Mobilmachungsorder für das deutsche Landheer und die deutsche Flotte soeben verkündet worden ist"; daß aber diesem Telegramm nach der telephonischen Aufklärung durch den Staatssekretär von Jagow ein zweites in offener Sprache folgte, das lautete: „Ich bitte, mein letztes Telegramm als nichtig zu betrachten. Aufklärung folgt." Wenige Minuten darauf sandte der russische Bot schafter in chiffrierter Sprache ein Telegramm, das nach dem russischen Orangebuch besagte, der Minister des Auswärtigen habe ihm soeben in diesem Augenblick telephoniert, daß die Nachricht von der Mobilmachung des Heeres und der Floite falsch ist, und daß die betreffenden Entrablätter beschlagnahmt worden seien. Die Richtigstellung der Falschmeldung war schon er- folgt, ehe die russische Regierung ihrerseits die allgemeine Mobilmachung anordnete. Die neue Lesart wurde aus schließlich von Lord Grey aufgebracht. Die russische Regierung selbst, die doch am besten über die Gründe ihrer Mobilmachung unterrichtet sein mußte, ist niemals auf den Gedanken gekommen, sich für ihren verhängnisvollen Schritt auf das Extrablatt des „Lokal-Anzeigers" zu berufen. Der Zar hat noch am 31. Juli, 2 Uhr nachmittags, als die Mobilmachunzsorder an die sämtlichen russischen Streitlüste bereits ergangen war, an den Kaiser an dessen letzten Friedensappell telegraphiert: „Es ist technisch unmöglich, unsere militärischen "Vorbereitungen einzustellen, dis durch Osterreich-Ungarns Mobilisierung notwendig geworden sind." — Kein Woit vom „Lokal-Anzeiger", kein Wort von einer deutschen Mobilmachung! Der HimvciL d-s Zaren und vierter — wirklich klagende, jammernde menschliche Laute. „Ich muß zurück," keuchte der Flötenspieler, „und wenn es mich mein Leben kostet." Gewandt wie eine Katze überkletterte er die nicht hohe Gartenpforte und stand gleich darauf jenseits der- f»lben im Garten. „Steh, ob Du öffnen kannst, ich werde Dir folgen!" ries der Professor dem Flötenspieler leise zu. Es dünkte ihm doch wie eine Art Feigheit, wenn er denselben jetzt alleine in die Höhls des Löwen gehen liest, auch er wollte dabei sein, wenn es galt, die arme Signora vor droh endem Unheil oder gar vor ihrem eigenen Bruder zu be schützen." Djelma hatte bald den die Gartentüre verschließenden Niegel entdeckt und zurückgeschoben, sodaß sich die Gar tentüre mit leisem Knarren öffnete. Der Professor trat ein, ehe sie aber den Gartenweg weiter entschlang schrit ten, versuchte er zunächst noch einmal Djelma zur Um kehr zu bewegen, denn von irgendwelchen Hilferufen war nichts mehr zu vernehmen. Er stellte ihm vor, in wel chem Lichte ihre Rückkehr erscheinen mußte und wie we nig ratsam es erschien, heute Abend nochmals die Wege des betrunkenen Italieners zu kreuzen, der ihm von dem französischen Leutnant Fourges schon als ein brutaler, händelsüchtiger Charakter geschildert worden war, dem selbst seine eigenen Kameraden in Medeah gerne aus dem Wege gingen. Er predigte aber dieses Mal vollständig tauben Ohren, der Flötenspieler mar nicht zurückzuhalten. Selbst der Hinweis des Professors, daß sie beide unbewaffnet wa ren, der Italiener aber sicherlich eine Waffe bei sich trug, fruchtete nichts. Djelma eilte weiter und so sah sich der Professor halb gezwungen, ihm zu folgen. Er tat es fchließtich in der Absicht, ein Unglück zu verhüten, wenn ein schlimmer Ausgang folgen sollte. Dr. Gurlitt wär durchaus kein FMttÜ'gfl'äls er aber jetzt hinter dem rasch voraneilenden Flötenspieler den dunklen Laubengang passierte und sie sich wieder dem Häuschen der Italienerin nun näherten, welches jetzt in dunklen Umrissen vor ihnen auckauchte, da beschlich ihn ein beklemmendes Gefühl, denn immer noch klangen ihm die Worte Djelmas in den Ohren: „Es gibt ein Unglück — «nd der Signor ist Schuld daran." Sie sanden merkwürdiger Wetst die Haustüre «icht verschlossen, denn ein grünlicher Lichlstretfen fiel zwischen Türe und Türrahmen in den Vorraum. Da» Wind spiel verursachte argen Lärm und kam aus dem Haus herausgeschossen. Als es aber den Professor und den Flötenspieler erkannte, verstummte sofort sein Lärm und schmiegte er sich an die Ankommenden. Ziemlich unsanft schob der Professor das Tier bei Seite, sodaß es mit einem kläglichen Aufschrei wieder in das Haus zurückflüchtete. Der anscheinend sonst fo schüch terne und furchtsame Flötenspieler riß jetzt die Haustüre vollends auf und durcheilte mit wenigen Sätzen den Vorraum, sodaß ihm der Professor kaum zu folgen ver- mochte. Die Türe zu dem Gemach, in welchem sie vor kaum einer Viertelstunde als Gäste der schönen Italie nerin gesessen hatten, stand weit offen, sodaß er von den hereinstiirmenden Männern vollständig überblickt werden konnte. Es befanden sich in diesem Augenblick nur Signor und Signora Fratelli darinnen. Die Letztere kniete mit zur Abwehr erhobenen Händen am Boden, während der Leutnant, der mit seinem wutverzerrten Gesicht kaum« noch einem Menschen glich, mit der einen Hand sie an den aufgelösten Haaren ergriffen, die andere, in welcher er eine Art Peitsche hielt, zum Schlag erhoben hatte — ein Bilh, welches den Professor bis auf den Grund sei ner Seele erschauern ließ.
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