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Rabenauer Anzeiger : 24.08.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-08-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-191608245
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19160824
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19160824
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-08
- Tag 1916-08-24
-
Monat
1916-08
-
Jahr
1916
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Die letzte Kriegswoche. Drachensaat. Der leere Brunnen. Die Druckoffen« fine. „Leistungen des Patriotismus." Italienische Triumphbogen. Türkische Erfolge. Eine Drachensaat haben unsere Gegner ausgesät, di« ihnen in nicht ferner Zett, vielleicht wenn sie gerade am wenigsten daran denken, schwere Früchte tragen wird. Diese Drachensaat besteht in der rücksichtslosen Aufopferung ihrer farbigen Kolonialsoldaten, die zwar schon im Spätsommer und im Herbst 1914 in der Front zur Verwendung gegen die deutschen Feldgrauen gelangten, aber noch niemals so als Vorspann für den Zug des Todes ausgenützt wurden, als den sich die feindliche Offensive darstellt, wie gegen wärtig. Wenn die weißen Engländer und Franzosen in der ersten Front alle diese Sturmläufe hätten ausführen sollen, der gallische Elan und die britische Zähigkeit hätten wohl schon versagt. Als vor sechzig Jahren die Sepoys, die eingeborenen indischen Soldaten, sich gegen die englische Gewaltherrschaft empörten, wurde ihr Haß durch die Schürung des Fanatis mus von Seiten ihrer Anführer gesteigert. Es wurde ihnen damals gesagt, die britische Heeresverwaltung habe befohlen, die Gewehrpatronen mit dem den Indiern „unreinen" ver botenen Schweineschmalz einzureiben. Das war damals ein Grund, furchtbare Greuelszenen an den Zwingherren hervor zurufen. Heute ist die Wut der Bevölkerung in Indien nicht geringer als vor 60 Jahren, und es bedarf nicht solcher Geschichten wie der vorerwähnten, um eine neue Em pörung zu veranlassen. Wenn die jetzt in den Stellungs kämpfen schwer verwundeten Indier als Krüppel zu Tau senden nach Hause kommen, dann wird Indien nicht allein erkennen, was ihm England angetan hat, sondern auch, wie seine Söhne für die britischen Herren haben bluten müssen. Und dann wird die Drachensaat, welche die Engländer in Frankreich und Flandern gesät haben, aufgehen und ihre Früchte tragen. Und dieselben Erfahrungen werden die Franzosen machen, wenn die Tausende von verstümmelten schwarzen Afrikanern nach Hause kommen. Es wird dann in den englischen und französischen Kolonialländern ein neuer Krieg auflodern, der durch seine Unkultur vielleicht noch die Schrecken des Weltkrieges überbieten wird. Engländer und Franzosen lesen schlechthin von den „Siegen" ihrer Soldaten. Sie sind nicht mehr davon be rauscht, denn zu ost sind ihnen große militärische.Vorteile gemeldet worden, und es blieb doch nach diesen Errungen schaften beim alten. Aber sie hoffen, daß für sie doch irgend etwas herauskommen und das Ende des furchtbaren Krieges näher bringen wird. Sie vermögen auch nicht zu ermessen, wie tief ihre Heimatländer schon durch den wirtschaftlichen Druck der Kriegsjahre mitgenommen sind. Sie machen sich keine Gedanken über die schon entstandenen Schulden und Lasten, die geradezu lähmend wirken müssen, für die es keine Erleichterung gibt. Um die vertrauenden oder, richtiger, wenig nachdenkeuden feindlichen Völker abzuhalten, eine genaue Rechnung aufzustellen, wird ihnen vorerzählt, daß Deutschland mit genau bezifferten Milliarden für alle Kriegs schulden aufkommen soll. Voraussetzung davon ist natürlich, daß wir vorher in Grund und Boden besiegt sind. Aus einem leeren Brunnen kann beim besten Willen kein Wasser mehr herausgeschöpst werden. Ebenso wenig kann, nach menschlichem Ermessen, ein Kampf, der wie derjenige im Westen von unsern Feinden bereits mehr denn sechs Wochen ohne Entscheidung geführt worden ist, in seinem ferneren Verlauf noch zu einem Weltenstege gestempelt werden. Blut ist zwar ein ganz besonderer Säst, aber unsere Feinde haben von ihm schon zu viel verloren. Vor Tische las mans anders. Die große gemeinsame Offensive sollte zur Durchbrechung der deutschen und öster reichischen Linien in Ost und West, zur schnellen und voll ständigen Vernichtung der Gegner führen. In welchem Rausch befand sich ganz Frankreich, als es endlich hieß, jetzt eröffnen die englischen Millionenheere an der Seite der französischen Truppen die große Offensive. Und heute? Heute begnügt man sich mit dem vom Generalissimus Joffre geprägten Worte der Druckoffensive, die gleichzeitig aus allen Kriegsschauplätzen zur Anwendung gelangt und die Deutschen und deren Verbündeten abnützen und zermürben soll. Die stolze Siegeshoffnung, die mit schnellem und durchschlagendem Erfolge rechnete, ist stark zusammengeschrumpst und nur noch einem glimmenden Dochte vergleichbar; aber man sucht sich mit ihr so gut wie möglich zu trösten. Regierung und Heeresleitung benutzen sie als Schutzwehr gegen die Anklage Unzufriedener. Die leitenden Staatsmänner wie die Heer- ührer der beiden feindlichen Westmächte haben inzwischen icherlich schon erkannt, daß auch ihre sogenannte Druck offensive nur ein Täuschungsmittel ist. Engländer und Franzosen haben nach den ungeheuren Verlusten, die sie bei ihren fortgesetzten Angriffen erlitten, keine Erfolgaussicht mehr. Die granitene Mauer unserer Feldgrauen widersteht jedem Druck, so stark und so lange er auch ausgeübt werden mag. Die stärkeren Nerven werden schließlich siegen, und die sind auf unserer Seite. Die englischen Soldaten sind mehr oder weniger Söldner, die um Lohn dienen und nur in dem Maße kämpfen, in dem sie bezahlt werden. Das gibt die englische Heeresleitung selbst zu durch die Aus schreibung von hohen Prämien für die Gefangennahme deutscher Krieger. Engländer und Franzosen haben zwischen Somme und Ancre außer schwersten blutigen Verlusten so gut wie nichts erreicht; die Gefahr einer vernichtenden Niederlage schwebt dagegen wie ein Damocles-Schwert über ihren Häuptern. Ihre Lage ist dadurch stark gefährdet, daß sie es nicht vermochten, ihre hinten hängengebliebenen Flügel an den vorgetriebenen Keil heranzuziehen. Noch viel weniger als ihren Verbündeten im Westen ist den Russen im Osten der Tod versüßt worden. Zar Nikolaus' Soldaten sind mit Revolver und Kantschu in das deutsche und österreichische Feuer Hineingetrieben worden. Vielleicht weiß der Kaiser selbst nichts von diesen „Leistungen des Patriotismus", aber er hat durch die Verleihung eines Ehrensäbels an den General Brussilow bewiesen, daß er noch daran glaubt, daß dieser Menschenwürger Rußlands Schlachtenschicksal wenden wird. Was die Uhr auf dem östlichen Kriegsschauplatz geschlagen hat, das wird über lang oder kurz Feldmarschall von Hindenburg zeigen. Lemberg und Kowel waren die Operationsziele der am 4. Juni be gonnenen russischen Offensive, durch deren Erreichung Ru mänien zum Anschluß an die Entente bestimmt werden sollte, Beide Ziele sind weit westlich der neuen Stellungslinie liegen geblieben und erscheinen nach der vollzogenen Umgruppierung und der Vereinheitlichung des Oberbefehls für die Russen unerreichbarer denn je. Durch die Erfolge der Verbündeten in den Karpathen ist dem Feinde auch der Weg nach Ungarn verlegt. Alle feindlichen Angriffe werden zurückgewiesen. Die durch die ungeheuren Verluste gerissenen Lücken auszu füllen, bereitet dem Gegner trotz der Unerschöpflichkeit seines Menschenreichtums sichtiich zunehmende Schwierigkeiten. An den furchtbar blutigen Kämpfen an der Stochod-Front war die gesamte, seit Kriegsbeginn geschonte und als letzter Trumpf bereit gehaltene russische Garde beteiligt. Sie wurde dezimiert, vermochte eS trotz ihrer Aufopferung jedoch zu keinem Erfolge zu bringen. Mögen die Ruffen noch immer neue Verstärkungen heranziehen, sie werden das Schicksal nicht mehr zu wenden vermögen. Die Krise ist auch hier überstanden, und was folgt, wird die Russen an den vor jährigen Sommer erinnern. Und Rußlands Nachbar Ru mänien mag sich durch eine vorsichtige und kluge Politik hüten, daß es nicht unter dem Zusammenbruch des mosko- witischen Kolosses begraben wird. Gewisse ehrgeizige Poli tiker in Bukarest scheinen sich noch immer in kühnen Hoff- Hoffnungen zu wiegen, auf die die Enttäuschung folgen müßte, wenn ein Versuch zu ihrer Verwirklichung unter nommen würde. Die nach fünfzehn Kriegsmonaten erfolgte „Eroberung" der in einen Schulthaufen umgewandelten österreichischen Stadt Görz durch die Italiener hätte man wohl in Rom am liebsten durch die Errichtung eines Triumphbogens ge feiert, wofür in der ewigen Stadt ja genug antike Muster zur Verfügung stehen, aber die Erkenntnis ist wach ge worden, daß Görz nur eine magere Abschlagszahlung auf den verträumten siegreichen Feldzug nach Triest ist. Und bei Görz ist kein Wegweiser aufgerichtet, der den italienischen Truppen zeigt, wohin der Weg von dort für sie weiter gehen wirb. Zum Bauen von Triumphbogen laden auch die Meldungen aus dem afrikanischen Tripolis nicht ein, an dessen Erwerb Italien so viele Menschen und Millionen an- gewcndet hat. Bis auf die Hauptstadt Tripolis ist die ganze Kolonie wieder in den Händen der eingeborenen Araber. Hocherfreulich sind die Erfolge, die die verbündeten Türken in Asien zu verzeichnen hatten. Nachdem sie sich durch die Eroberung von Kut el Amara auf ihrem rechten Flügel Sicherheit verschafft und die Möglichkeit einer Ver einigung von Russen und Engländern zerstört hatten, setzten sie sich durch ihren erfolgreichen Vorstoß von Bagdad aus und durch die Eroberung von Hamadan in den Besitz ganz Südpersiens. Auf Persien, das unter dem Druck der englisch- russischen Fremdherrschaft schwer leidet, wird der Siegeszug der Türken nicht ohne Einfluß bleiben. Die Ereignisse in Asien sind für die wirtschaftliche Zukunft der Zentralmächte von denkbar höchster Bedeutung. Am Balkan ist die Lage noch immer unverändert geblieben. General Sarrail möchte "A Zu einer großen Offensive ausholen, aber er kann nicht. Die Hundstage nähern sich ihrem Ende, und mit ihnen kommen auch die Hauptarbeitstage für die Ernte, die im August durch die Witterung eine so reiche Färbung er fahren haben, ihrem Ausgang nahe. An Nahrung für alle Schichten der Bevölkerung fehlt es nicht, es müßten nur etwas weniger Leute sein, die dabei verdienen wollen. Der Zwischenhandel kann eine ganz gehörige Verminderung er fahren, denn namentlich bei ihm bleiben wohl die Kriegs- gewinne in einer Höhe hangen, die vielen wenig glaublich erscheinen will, aber doch wohl in erstaunlichen, aber uner freulichen Leistungen vorhanden ist. Der italienische Krieg. Die Italiener, die selbst erkennen, daß sie mit der Ein nahme des zu einem Schutthaufen zerschossenen Görz keinen wirklichen strategischen Erfolg errungen haben, machen die verzweifeltsten Anstrengungen, um durch Ausnützung des Geländegewinns eine Art von Entscheidung herbeizuführen. Obwohl sie sich die schwersten Verluste zuziehen und nicht nur Tote und Verwundete, sondern auch viele Hunderte von Gefangenen, dazu zahlreiche Maschinengewehre und anderes Kriegsgerät verlieren, setzten sie ihre Bemühungen fort. Aber selbst aus Cadornas Berichten, die einige Tage lang von ungemischter Hurrastimmung erfüllt waren, er- kennt man bereits, daß es mit dem italienischen Siegeslauf zu Ende ist, gelingt es den Italiener nicht, sich aus ihren fetzigen Stellungen zu entwickeln, so ist ihre Lage trotz Görz, Podgora und Doberdo mißlicher, als sie vordem war. Unsere Verbündeten befinden sich jetzt in ihren stärksten Stellungen, die sie von vornherein für die Verteidigung in Aussicht genommen hatten. Es zeigt sich bereits, daß die Italiener auf Granit beißen, indem sie dagegen ankämpfen. Italienische Osfiziersoerluste. Nach schweizerischen Blättermeldungen aus Mailand hat das italienische Heer nach einer bis zum August reichenden nichtamtlichen Zählung 4160 Offiziere, darunter S Generale, 88 Obersten und Oberst- leutnantS, 144 Mnjore, 767 Hauptleute, 672 Oberleutnants und 2481 Leutnants, verloren. Von der Ostfront. Zalocze, westlich dessen die Russen fortgesetzte aber rest los abgewiesene Angriffe unternahmen, liegt 105 Kilometer genau östlich Lemberg in der nach Osten gerichteten starken Einbuchtung der Stellungslinie. Die Kämpfe werden hier mit besonderer Heftigkeit geführt, denn auf gerader Linie winkt den Russen hier Lemberg, das heiß erstrebte Ziel, das sie auch über Brody, gleichfalls vergeblich, zu erreichen ver sucht hatten. Brody, das die Russen seit einigen Tagen be kanntlich besetzt halten und über das sie noch etwa 1b Kilo meter hinaus nach Westen vorgedrungen sind, liegt 37 Kilo meter nördlich von Zalocze. Hier wie dort und bis hinab Nach Halicz setzen die Russen ohne Ansehung des Menschen materials alle Kräfte ein, um zu einem Erfolge zu gelangen. Auch die verzweifeltsten Kraftanstrengungen waren vergeblich und werden es auch in aller Zukunft bleiben. Jeder neue Tag zeigt deutlicher, daß die russische Stoßkraft erlahmt und der Tag der völligen Erschöpfung, wenn auch langsam, so doch stetig und unaufhaltsam näher rückt. Das Wort des Unterstaatssekretärs im Auswärtigen Amte Zimmermann: „Im Osten hoffen wir guf Erfolge" geht seiner Erfüllung entgegen. An der Ausdehnung der Kampffront von 120 Kilo- meter in der Kampflinie ist erkennbar, daß es sich hier um eine große Schlacht handelt. Daß die Verbündeten sie an- Eliick null Lias? Erzählung von Hermann. Eglofs. 5 Ein triumphierender Lächeln spielte um Helene Kupfers Lippen bei diesen Worten,' gleich darauf wich es aber dem Ausdruck der Rührung über eine hochherzige Hand lungsweise. „Aber Sie werden falsch von mir denken, Herr Gro nau," flüsterte sie seufzend, „und in diesem Falle —" „Nein, nein, ich habe jetzt erst Ihren Wert erkannt," entgegnete er rasch. „Wer sich um das Mißgeschick ei nes Bruders so sorgt, wie Sie, ist auch der hingebendsten Liebe sür einen Galten fähig. O, ich werde keine Ruhe finden, bis der Stein ganz von Ihrem guten Herzen ge wälzt ist und ich Ihnen das Geld geben kann." Ein warmer Händedruck — ein Zeichen dankbaren Empfindens war die Antwort Helene Kupfers, dann setz ten die Beiden ihren Heimweg fort. Vom Kirchturm wird die fünfte Morgenstunde ver kündet. Die Morgenluft ist recht frisch, zumal Nebel und Tau dieselbe erfüllen. Nur selten hört man schon Schritte auf der Straße hallen; eine ältere Frau tritt auf dieselbe in ein Umschiageiuch gehüllt, das sie fester um sich schlingt, sobald sie auf die Straße tritt. Ehe die Frau weitergeht, bleibt sie noch einmal stehen und horcht in das Haus zurück, wo auch noch alles ruhig ist. „Nein, es ist doch noch zu früh, warum soll ich so zeitig gehen und nicht erst warten, bis Heinrich ins Ge schäft gegangen ist — die Leute müssen eben warten bis ich komme," ein leiser Seufzer ,o!gte diesen Worten, welche die alte, abgehärmte Frau vor sich hingesprochen hatte. „Er ist diese Nacht wieder recht spät heimgekommen — ach, wenn er doch erst aus den Netzen dieser Kupier wäre — ich glaube sie hintergeht ihn — ich traue ihr nicht recht — ach, mein armer guter Heinrich, er läßt sich auch zu leicht betören." Die alte Frau, es war Heinrich Gronaus Mutter, die bei einer vornehmen Familie Ausmartedienste versorgte, ging noch einmal ins Haus zurück und in ihre Woh nung, wo alles noch stille war, denn ihr Sohn schief ja noch, da er erst um 6 Uhr auf seinem Posten zu sein brauchte. Den Morgenkaffee hatte sie ihm bereits schon zurechtgestellt „Geheimrats werden sprechen, ich soll nicht wieder kommen, wenn es alle Tage später wird," fuhr die Alte in ihrem Selbstgespräch fort, „aber gleichviel — heute muß ich einmal ernstlich mit Heinrich sprechen — es drückt mir das Herz ab, wenn ich täglich den Verkehr mit der Kupfer sehe. Was war er sonst für ein solider Mann und jetzt — von einem Ball zum andern, von einem Vergnügen zum andern, das hält kein Mensch aus und das alles nur, weil ihn die schöne Helene ganz ver hext hat." Frau Gronau ließ sich in der kleinen sauberen Küche wie ermüdet auf einen Stuhl nieder und barg ihr Gesicht in beide Hände, sie schien zu weinen. Viertelstunde um Viertelstunde verrann, während Frau Gronau so dasaß. „Schon halb 7 Uhr," fuhr sie plötzlich auf. „Hein rich kommt wieder zu spät, wie schon öfters in letzter Zeit, wenn er spät nach Hause gekommen ist. Er wird seine Stellung noch verlieren — ach Gott, ach Gott, u > d an dem allen ist nur diese falsche Person schuld — wie ich die hasse." Sie ging zu einer in ein Nebengemach führenden Tür und klopfte mehrmals an dieselbe an, bis eine Stimme rief: „Ich komme gleich!" Einige Minuten später kam Heinrich Gronau bleich und verstört aus seinem Schlafzimmer, als er seiner allen braven Mutter ansichtig wurde, da bemächtigte sich sei ner eine gewisse Verlegenheit und ngch einem Blick auf die kleine altmodische Küchenuhr, deren gleichförmiges Ticken allein die Stille unterbrach, sagte er hastig: „Was schon so spät, da habe ich mich etwas verschla fen." „Ja, Heinrich, es ist schon so spät, was wird Dein Prinzipal sagen, da Du doch immer der erste sein mußt k" „Er wird entschuldigen." „Aber es ist in letzter öfters vorgekommen, das kann er nicht immer nachsehen; Heinrich, wenn Du Deinen schönen Posten verlieren würdest, um einer solchen Per son willen!" „Du siehst zu schwarz, Mutter und dann auch ver kennst Du Fräulein Kupfer. Du weißt nicht, was fü> ein goldnes Herz sie hat." „Goldenes Herz — na, da müßte ich mich sehr täu schen und ich bin doch auch nicht den ersten Tag aus der Welt." „Diese Worte schmerzen mich. Ich «äre ordentlich froh, wenn Du Dein Urteil über Fräulein Kupfer ändern würdest." „An meinem Urteil liegt es nicht, aber ich sehe doch, daß Du in das Verderben hinein rennst." Die Stimme der alten Fran wurde flehender. „Gib diesen Verkehr auf, Heinrich, dann wird auch der Frieden und die ein stige Freudigkeit wieder in Dein Herz einkehren, die Du bei diesen nächtlichen Vergnügungen sicher nicht gesunden hast. Kehre zu Elise Werner zurück, sie war Dein guter Engel." „Ich kann nicht, Mutter, ich habe eingesehen — wir passen doch nicht recht zusammen, da sich ihre Ideen in zu engen Schranken beivegen, während ich von einer Lebensgefährtin mehr verlange, als wie von einem Aschen brödel und wozu sich Elise nach ihrer Veranlagung jo gut eignet."
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