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Rabenauer Anzeiger : 31.08.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-08-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-191608310
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19160831
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19160831
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-08
- Tag 1916-08-31
-
Monat
1916-08
-
Jahr
1916
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Die lehke Kriegswoche. AusteibnugIkrieg. Der Triumph der „Deutschland". Die Brotkarte. Rußlands Nioseuverluste. Die Offensive in Mazedonien. Die Kämpfe an der Sommefront im Westen dauern jetzt nahezu zwei volle Monate an. Unsere Feinde haben längst die Hoffnnng aufgegeben, daß es ihnen je gelingen weroe, die granitene Mauer unserer Feldgrauen zu durchbrechen. Sie wollen durch endlosen Druck die Widerstandskraft unserer Helden zermürben. Wir können unsern Feinden nur den Rat geben, sich die Zeit bis zur Erreichung dieses Zieles nicht zu lang werden zu lasten. „So lange die Ströme zum Meere reisen", so lange würden, wenn es sein müßte, unsere Helden allen feindlichen Sturmangriffen wehren und jede Durchflößung ihrer Reihen verhindern. Aber die feind liche Stoßkraft hat den Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit bereits überschritten, die Krise ist überwunden, wie es von sachverständiger Seite hieß. Selbst in Frankreich hat man die Hoffnung auf ein Gelingen des mit den stolzesten Er wartungen begrüßten Planes bereits aufgegeben und spricht resigniert davon, daß man im nächsten Frühjahr vollenden werde, was man in diesem Sommer nicht zu erreichen ver mochte. Engländer und Franzosen, daS wissen wir, haben alle ihre Kräfte an der Somme eingesetzt, um dort unter allen umständen die Entscheidung zu erzwingen. Sie haben, von dem bedeutungslosen Geländegewinn abgesehen, nichts erreicht; sich dafür aber so ungeheuere Verluste zugezogen, Laß sie sich danach nie wieder zur Höhe ihrer ursprünglichen Kraft werden auftaffen können. Mit 9000 Mann ist der tägliche Verlust der Engländer und Franzosen an Toten, Verwundeten und Gefangenen in der Sommeschlacht eher zu niedrig als zu hoch bemessen. Frankreich ist bereits er schöpft und auch Englands Reserven müssen unter den fort gesetzten schweren Einbußen zur Neige gehen. So gestaltet sich das giganiische Ringen im Westen tatsächlich zu einem Aufteibungskrieg, nur mit der Wirkung, daß nicht die Deutschen, sondern daß die Engländer und Franzosen auf gerieben werden. In die neue Schlachtenwocke fällt der Erinnerungstag an den Sieg von Sedan. Me 1914 und 1915 können unsere Feldgrauen ganz gewiß mit gerechtem Stolz sagen, daß sie den Veteranen von 1870-71 nicht nachgestanden haben in Zähigkeit und Tapferkeit. Die deutschen Taten zu Lande haben in solchen zur See erneut ihre Ergänzung ge funden, und wieder sehen wir, daß es den Briten am schwersten fällt, die fortschreitende Durchlöcherung ihrer Seeherrschaft einzugestehen. Aber da gibt es kein Halten mehr. Die Kriegs- wie die Handelsflotte Englands sind in bedenklicher Weise zusammengeschmolzen, und der glänzende Sieg, den soeben unser Tauchfrachtschisf „Deutschland" mit seiner glücklichen Heimkehr davontrug, wird von John Bull niemals verschmerzt werden. Englands ganzer Stolz und der Grundpfeiler seiner Siegesgewißheit beruhte auf der für unumstößlich erachteten Voraussetzung, baß gegen Englands Willen kein deutsches Handelsschiff den Ozean durchqueren könnte. Und nun hat die „Deutschland" den Atlantic zweimal mit kostbarer Fracht siegreich durchmessen. Der Anfang, der das Schwerste ist, ist gemacht; John Bull malt sich mit Entsetzen die Zukunft aus! Denn man sagt sich jenseits des Kanals, oie „Deutschland" wird Nach folgerinnen finden. Die Wendung, die durch das neue technische Wunder sich vollzogen hat, ist in der Tat so ge waltig, daß sie auf die Kriegführung nicht ohne Einfluß bleiben kann. England ist an dem Punkte besiegt, an dem es sich für unbesiegbar hielt, und an dem es auch feine Verbündeten für unverwundbar erachteten. Diese Tatsache wird nicht ohne Folgen bleiben. An Geschossen, Munition und Waffen haben Frankreich und England ihren Bedarf in Nord-Amerika für schweres Geld gedeckt erhalten; die Aufnahme neuer Anleihen be gegnet aber schon Schwierigkeiten, und noch größere Hemm nisse dürften einem genügenden Import von Brotgetreide für das ganze feindliche Ausland beoorstehen. Augenschein lich ist diesem wichtigsten Teil der Kriegsociploviäntierung in Paris und London nicht bei Zeiten die genügende Sorg falt gewidmet worden, man hat die Erlangung auskömm licher Vorräte als selbstverständlich angesehen. Für die Truppen im Felds werden natürlich die erforderlichen Vor räte aufgebracht werden, aber bei der Zivilbevölkerung steht es anders. Und die Neiaung, namentlich des Engländers, sich persönlicher Entbehrungen zu unterwerfen, ist bekannter maßen nicht groß. Seine Lebensgcwohnheiten gelten ihm als unantastbar. Uns wollte John Bull hungern lassen. ES gibt kein gerechteres Gottesurteil, als wenn er Las Hungern lernt, das Deutschland mit seiner trefflichen Lebens mittelorganisation abgewendet hat. Auch die deutsche Brot karte ist ein Sieg gewesen. Es sei daran erinnert, wie ge fangene englische Offiziere mit deutschem Festungsbrot Fuß ball spielten, eine Tatsache, die über den englischen Charakter mehr sagt, als viele Zeitungsartikel das könnten. Nach den russischen Berichten, deren Verfasser von ihren englischen Vorbildern daS Lügen gründlich gelernt haben, ist vom General Brussilow, dem Vertrauensmann des Zaren im Sübosten, soviel an gegnerischen Truppen gefangen genommen worben, daß eigentlich niemand übrig geblieben sein kann, um nachhalligen Widerstand zu leisten. Und da bei ist dieser so ausgezeichnet aufgebaut, daß die Moskowiter nicht dazu kommen, ihren Wunsch nach dem vernichtenden Hauptschlage zur Vollendung zu bringen. Rußlands Menschen massen sind wieder und immer wieder furchtbar mitgenommen. Daß das nicht für eine unbegrenzte Kriegsdauer so weiter gehen kann, liegt auf der Hand, und wir dürfen zuversicht lich die Wendung abwarten, die hier eintreten muß. An verschiedenen Punkten der ausgedehnten Front ist eine merk liche Verminderung der russischen Stoßkraft zu bemerken. Die feindliche Offensive ist nicht nur zum Stillstand gebracht worden, sondern es ist auch den deutschen und österreichischen Helden, in deren Reihen die tapferen Türken kämpfen, in den Karpathen und in der Bukowina gelungen, den Gegner zurückzuwerfen und ihm strategisch wichtige, stark befestigte Stellungen zu entreißen. Gleich der großen Offensive tm Westen Md noch im höheren Grade als diese hat der all gemeine Ruffenvorftoß die Aussicht auf die Erreichung seines Zieles verls"" In Mazedonien sind bulgarische Streitkräfte der ange kündigten Ententeoffensive beherzt zuvorgekommen n.id haben bereits auf beiden Flügeln der 800 Kilometer-Front so bedeutende Erfolge errungen, baß dem General Sarrail besten Falles nur der frontale Angriff übrig bleibt, der mit den größten Schwierigkeiten für ihn verbunden wäre. Die griechische Negierung hat sich vortrefflich gehalten und den Vierbundtruppen keinerlei Hindernisse in den Weg gelegt. Nach der Überlassung Salonikis an die Entente hat sie durch Ihr jetziges Verhalten vorbildlich bewiesen, wie oie Pflichten der Neutralen zu beobachten sind. Daß die Italiener mit ihrer Landung in Saloniki das dem General Sarrail unter stellte und aus allen Teilen der Erde zusammengewürfelte Soldatenmaterial noch buntscheckiger gemacht haben, wird auf die Entscheidung der mazedonischen Kämpfe einen irgend wie maßgeblichen Einfluß nicht auSüben. Die Italiener hat die Habsucht nach Saloniki geführt, die Sorge, sie könnten Südalbanien verlieren. Ihre Wünsche richten sich bekannt lich noch viel weiter und kreuzen sich mit denen der Serben. Eine entzückende Bundesgenoffenschaft. Römische Blätter erörtern die Frage der Gestattung der deutsch-italienischen Beziehungen, wenn Streitkräfte beider Länder in Mazedonien auf elnandcrstoßen. Wir sehen dieser Frage wie dem ganzen mazedonischen Kriege mit ruhiger Zuversicht und unbedingter Siegesgewißheit entgegen. Glückliche Heimkehr der „Deutschland". Mit Jubel wird im ganzen Reiche und bis tief in Feindesland hinein, wo unsere heldenhaften Truppen di« feindseligen Absichten unserer Gegner zunichte machen, di« Kunde von dem Eintreffen von „U-Deutschland" ausge nommen werden. Das kühne Unternehmen hat die zweue Probe glänzend bestanden. Besondere Freude erweckt di« Nachricht, daß Kapitän und Mannschaft auch die Rückreise bei bestem Wohlsein zurückgeleat haben. So kann der glückliche Gedanke, den Verkehr mit neu tralen überseeischen Ländern durch Tauchboote herzustellen, wie die „Nordd. Allg. Ztg." amtlich schreibt, ein schönes Gelingen feiern. Zu gleicher Zeit — gegen Ende vorigen Jahres — war der Gedanke in den Kreisen der hanseatischen Kaufmannschaft und der Industrie entstanden. Dort hatte hauptsächlich Herr Alfred Lohmann in Bremen, der Vor sitzende des Aufsichtsrats der Ozeanreederei, hier die Kruppsche Gcrmanlowerft in Kiel feine Verwirklichung ins Auge ge faßt. Letztere hatte bereits Pläne für ein Handels-U-Voot von annähernd 600 Tonnen ausgearbeliet. Nalck ging man Ms Werk. Unter Teilnahme des Norddeutschen Lloyd, der Deutschen Bank und Herrn Alfred Lohmann wurde die Ozeanreederei G. m. b. H. mit einem Kapital von 2 Mill. Mark gegründet, und schon begann der Bau des ersten U-Schiffes auf der Germaniawerft. Die „Deutschland" wurde auf letzterer selbst ausgeführt, die „Bremen" erhielt ihren Schiffskörper im Auftrage der Kruppschen Werft auf Flensburger Schiffsbau A.-G.; ihre Motoren und son- Maschinen stellte die Germaniawerft her. überraschend schnell wurde der Bau ausgeführt. Die Boote haben eine größte Lange von 65 Meter, eine Breite von 8,9 Meter, einen Tiefgang von 4,5 Meter und eine Verdrängung von 1900 Tonnen. Sie verfügen über eine Tragfähigkeit von annähernd 760 Tonnen. Die Besatzung zählt 29 Köpfe. Für ihre Unterbringung und Sicherheit ist in bester Weise gesorgt. Auch eine Einrichtung sgx Funkentclcgraphie fehlt nicht. Die Fortbewegung wird durch Dieselmotoren, die die Germaniawerft hergestellt hat, bewirkt Mit der „Deutschland" und der Bremen" ist eine durchaus neue Schiffsart geschaffen. Daß sie sich sofort so glänzend bewährt haben, ist em abermaliger Beweis für die Höhe, auf der unsere Industrie steht. Allerdings auch verdienen der Kapitän der „Deutschland" und feine aus Handelsseeleuten bestehende Mannschaft um o mehr hohe Anerkennung, als sie vor vollkommen.neue Aufgaben gestellt wurden. Während des Krieges werden sie durch ihre Fahrten mit hochwertiger Ladung (hauptsächlich Gummi) dem Vaterland wertvolle Dienste leisten und auch geschäft lich gut abschneiden. Letzterer Umstand ist insofern von Bedeutung, als die Verwendung von Tauchschiffen in Friedenszeiten wegen der hohen Kosten bis auf weiteres nicht in Betracht zu ziehen ist. Stolz dürfen wir auf die weitblickenden und schöpferischen deutschen Männer sein, bis mit raschem Entschluß und unbeugsamer Tatkraft eine Auf gabe lösten, die im Auslande sur undurchführbar erklärt wurde, als die Lösung schon Wirklichkeit geworden war. Dankbar wird das deutsche Volk aller Beteiligten gedenken, die durch ihr Schaffen oem Vaterlande einen Dienst er wiesen und den Ruhm deutscher Erfindungskraft und hin gebender Pflichttreue durch ihr Werk abermals in die Wett hinaustrugen. über die Fahrt der „Deutschland" berichtet ein Telegramm der deutschen Ozean-Reederei in Bremen an die „Köln. Ztg.": Das erste Handels-U-Boot der Deutschen Ozean-Reederei ist in der Wesermündung geankert. An Bord alles wohl. Die amerikanische Regierung verhielt sich durch aus korrekt neutral. Die amerikanische Flotte hat mit Strenge darauf gesehen, daß die Grenze von unsern Feinden, sowohl den Engländern wie den Franzosen, geachict wurde. Diese Vorsichtsmaßnahmen wurden besonders vcrschäst, nachdem ein englischer Kreuzer nachts heimlich in die Bucht emge- fahren war. Bei der Ausfahrt befanden sich nicht weniger als acht englische Kriegsschiffe auf Ler Lauer, umgeben von zahlreichen gemieteten amerikanischen Fischdampsern zum Zweck der Auslegung von Netzen und der Benachrichtigung des Feindes. Trotzdem gelang die Ausfahrt. Die Ozean fahrt war anfangs stürmisch, später weniger bewegt. An der englischen Küste viel Nebel. In der Nordsee war das Wetter stürmisch. Das Schiff erwies sich als ausgezeichnetes Seeschiff. Die Maschinen haben tadellos gcarreitct ohne jegliche Störung. Es wurden 100 Seemeilen unter Wasser gefahren bei 4200 Seemeilen im ganzen. Es wurden keine Eisberge p psiert. Die „Deutschland" ankerte Mittwoch nach mittag um 3 Uhr in der Wesermündung. Der große Wurf ist jetzt erst ganz gelungen, der Sieg ist vollendet, den die „Deutschland" dem deutschen Volke gewonnen hat. Als sie am Morgen des 9. Juli an der amerikanischen Küste austauchte und mit der schwarz, weiß-roten Flagge am Bug in den Hasen von Baltimore einfuhr, da hatte ein neues technisches Wunder die Probe bestanden, da war der Menschheit ein neues Werkzeug zum Aufstieg, eine neue Waffe gegen die Elemente geschenkt worden. Außerdem hatten wir der englischen Blockade ein Schnippchen geschlagen und dem Dogma von der englischen Seeherrschaft einen neuen Stoß versetzt. Aber uns bangte, — gestehen wir es nur — etn wenig vor der Heimfahrt dieses ersten Fracht-Unterseers, so schreibt die „Köln. Zig." Bet der Ausfahrt waren unsere Feinde ahnungslos; sie cr- suhren erst von der kecken Fahrt, als die Deutschland sicher >m Schutze der Dreimeilenzone ankerte. Wie groß ihre Ent täuschung, wie chestig ihre Wut war, bewieien sie alsbald Llück unck Lias? Erzählung von Hermann. Eglofs. 6 Es war eigentlich noch sehr zeitig Morgens, aber Elise Werner stand schon vor dem Bauer ihres Kanarienvo gels, um demselben sein tägliches Futter zu reichen. Dann ging sie daran, das letzte Stäubchen aus dem Zimmer zu fegen; sie hatte dabei das Fenster geöffnet, um der fri schen Lust Einlaß zu gewähren. Durch den dadurch ent standenen leichten Windzug, war der schwarze Flor von dem Bild herabgeweht worden. Elise Werner trat hinzu, um denselben wieder darüber zu breiten und schaute dabei unwillkürlich in das Antlitz der Mannes, der sie der Le bens höchste Lust und tiefstes Weh kosten ließ, in das Gesicht Heinrich Gronaus. „Wie mich sein Auge so mildsreundlich anschaut I" sagte sie. „Ach, ich glaubte den Kampf ausgekämpft zu haben. Aber alle versunkenen Himmelswonnen tauchen mit dem Anschauen dieser Züge in meiner Seele wieder auf und Hoffnung lockt mich mit Eirenensängen in den Strudel neuer Kämpfe. Wenn er wiederkäme, getäuscht, das Herz von Reue gemartert, und spräche: „Elise, ich habe Niemand, der mich liebt, vergib mir." „O, ich würde ihm alles das Leid, das er mir bereitet, verzeihen und ihm die Hand freudig entgcgenstrecken. Aber er kehrt ja nicht wieder — getäuscht, betrogen, wird er zu stolz sein, um die Verstoßene wieder aufzusuchen. Weiche denn von mir, schmeichlerische Hoffnung. In Dcine Arme will ich mich werfen, Arbeit, liebende Mut ter der Menschheit." Schnell hüllte sie den Flor wieder um Heinrich Gro- naus Bild und nahm ihre Arbeit zur Hand. Hei, wie flog jetzt die Nadel, während sie die Strophen: „Es ist ein hoher Segen, Der in der Arbeit ruht. Sie schützt uns allerwegen, Als Mutter, treu und gut. Sie lindert Not und Jammer. Eie würzt das kärgste Mahl. Erhellt die ödste Kammer Mit warmen Sonnenstrahl. Während Elise Werner so sang, klopfte es an die Türe und auf ihr erschrockenes: „ Herein I" zeigte sich eine Erscheinung, die Heiterkeit erwecken mußte. Es war ein kleiner korpulenter Mann von etwa fünf zig Jahren in dem Schlafrock eines Gecken, einer bur schikosen, goldgestickten Mütze, worunter ein stark gerö tetes Gesicht sich befand. Ein paar gelbe Saffianschuhe vollendeten den ältlichen Stutzer. Der Spießbürger ver riet sich jedoch in der langen Pfeife mit Bernsteinspitze, von der er selbst beim Besuche in einer fremden Wohn ung nicht lassen konnte. „Guten Morgen, Mamsel Werner," sprach Herr Kluck keuchend von den Strapazen des Treppensteigens. „Ich fühlte mich von Ihrem Gesang so angelockt, daß ich die vier Treppen emporgeklommen bin — da bin ich nun." „Fühle mich sehr geehrt," entgegnete Elise Werner, „obgleich ich nicht glaubt, so laut gesungen zu haben, daß mans bet Ihnen unten hätte hören können." „Nun, dann wars vielleicht die Ahnung eines lieben den Herzens, die mich Ihren Gesang hören ließ, Kurz, Mamsel Elise, ich komme eingedenk des schönen Spru ches: „Morgenstunde hat Gold im Munde," um endlich das Gold Ihres Jawortes aus Ihrem Munde zu empfan gen. Ich habe Ihnen schon seit einiger Zeit meine Em pfindungen auf jede erdenkliche Weise zu verstehen gege ben, indem ich Ihnen sinnreiche Geschenke anbot, die Sie aber ablehnten, und indem ich Sie aufforderte, mit mit in meiner Equipage spazieren zu fahren, was Sie gleich- falls ausschluge», dito, dito. Heute komme ich nun, um Ihnen anzuzeigen, daß ich Wittens hin, Sie trotz Ihrer bescheidenen Stellung und Il-rer Armut zur Frau Ren« tier Kluck zu machen und ich hoffe, Sie werden dieser große Glück zu würdigen wissen und ein lautes und ver nehmliches Ja sagen." Er wartete eine Weile, als aber Elise Werner nicht in ein Jauchzen ausbrach, suhr er fort: „Wie, Sie jubeln nicht, Sie stürzen mir nicht freudig in die Arme, mir dem Rentier Kluck, Besitzer eine» schul denfreien Hauses, welches mir bei freier Wohnung und Gartenbenutzung sechzehuhundert Taler jährliche Miete einbringt und mir bei ortsüblicher Steigerung bald zwei tausend Taler eintragen wird? Besinnen Sie sich aber nicht zu lange. Noch stehe ich harrend hier. Eins, zwei und drrr — nun, mirds bald, drei—" „Ich danke Ihnen für Ihr freundliches Anerbieten," versetzte Elise Werner, „aber ich werde nur mit dem Her zen, nicht bloß mit dem Verstände heiraten." „So," erwiderte Kluck verblüfft. „Und bin ich nicht etwa der Mann, der das Herz eines jungen Mädchens lebhafter schlagen machen könnte? Wenn ich wollte, ich könnte das schönste, klügste und o ornehmste Mädchen zur Frau bekommen, aber ich bin nun einmal in Sie ver narrt und ich lege Ihnen Alles was ich birr und habe, mit Ausnahme meines zwanzigjährigen Sohnes, der in Hamburg in Stellung ist, zu Füßen. So etwas bietet sich sobald nicht wieder. Greifen Sie zu. Ich zähle noch eininal. Wenn ich bis Drei gezählt habe ists vor über. Eins, zwei u — und drrr — drei! So Sie wei sen also Ihr Glück von sich. Auch gut, Sie werden es bereuen. Leben Sie wohl. Appropos, um ein wenig Feuer darf ich wohl bitten, daß ich mir wieder die Pfeife anzünde, denn ich bin zu sehr aufgeregt, um sogleich wie der in meine Wohnung hinabzugehen. Ich werde wü- emd den Garten durchrasen und allen Blumen die Köpfe abschlagen — man hüte sich in meine nächste Nähe zu kommem"
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