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Rabenauer Anzeiger : 07.09.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-191609079
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19160907
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19160907
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
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Jahr
1916
-
Monat
1916-09
- Tag 1916-09-07
-
Monat
1916-09
-
Jahr
1916
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Die letzte Kriegswoche. Heuchelei und Verlegenheit. Deutschland ist der Friede. Die Ausdehnung der Front. Sarrail in Nöten. An der Grenze von Siebenbürgen. Die Triarier hatten bei unseren Feinden in den letzten vergangenen Wochen das Wort! Bei den Franzosen und Engländern waren die bewährten Streitkräfte freilich zer trümmert, aber die Russen setzten die neu ausgefüllten Elite- Regimenter der Garbe des Zaren zum Angriff ein. Die Verluste waren auch bei diesem Vorgehen ganz ungeheuer und der erwartete Riesenerfolg blieb aus. Da inan in London, Paris und Petersburg einsah, daß die große Offen sive wieder die Zensur „Fehlgeschlagen" erhalten würde, preßte die gegnerische brutale Rücksichtslosigkeit noch Italien zur formellen Kriegserklärung gegen Deutschland und das Königreich Rumänien zu neuem Losschlagen. Wir ehrlichen Deutschen haben die jüngsten Feinde noch immer einige Achtungsnummern zu hoch bewertet, aber wir haben ge merkt, daß wir uns das Verwundern für diese Kriegsdauer abgewöhnen müssen und den Gegnern nur unsere Ver wunderung über unsere Taten zu belassen haben. Daß sie uns schon eingezäunt haben zum letzten Kampfe, bas glauben sie selbst nicht, aber sie denken es jetzt vielleicht fertig bringen zu können. Nur vergessen sie, daß der Krieg um so größere Ansprüche an sie stellen wird, je dichter sich ihre Massen zusammenballen. Der Haß, der Neid, die Ränkesucht treibt neue Heere in den Kampf; aber die Explosivkraft des Haffes kann und muß schließlich auf die zurückwirken, die in seinem Zeichen marschieren. Hart und unduldsam hat sich der Weltkrieg gestaltet, wie der Feind selbst es gewollt hat. Der große Mann, den der Ruf des obersten Kriegsherrn zum Leiter der ge samten Operationen des Feldheeres bestellt hat, der Feld marschall von Hindenburg, hat seit der Schlacht von Tannen berg, Lie vor zwei Jahren seinen Ruhm begründete, be wiesen, daß er nicht gewohnt ist, sich durch die Zahl der Feinde schrecken zu lassen, daß er auch nicht die Furchtbar keit der Schlachten furchtet. Das eiserne Muß und die stählerne Notwendigkeit haben 1870-71 die Schritte unseres genialen Schlachtendenkers Moltke bestimmt, und wie auf Moltkes Stirn thront auch auf derjenigen Hindenburgs der elsenfeste Wille. Die halbe Welt bebt unter der Wucht üeses größten und verhängnisvollsten aller Kriege. Aber chon der alte Horaz hat das stolze Wort ausgesprochen, das für uns heute gilt: „Wenn auch das Aln einst in Trümmer zerschellt, den Tapferen tragen die Reste der Welt." Unter so viel Hinterlist und Tücke, wie wir sie in dem Verlauf dieser Kriegsjahre gesunden haben, könnte dem deutschen Volke wohl, so sollte man meinen, das, waS wir in unserem National-Charakter am höchsten geschätzt haben, das deutsche Gemüt abhanden kommen. Aber dem soll nicht so sein, wir wollen diese Perlen und Edelsteine deutscher Tugenden unseren Kindern, dem künftigen Geschlecht weihen, daß sie vergessen, was wir heute erfahren haben, und dem mißgünstigen Ausland die bewußte Kraft entgegenstellen, die Gott fürchtet und sonst niemanden in der Welt. Mit einer Politik, wie die der Feinde, welche den Weltkrieg begann und weiter führte, kann kein Staat für die Dauer geleitet, am allerwenigsten zum Gedeihen gebracht werden. Dabei müssen sich die Völker zerfleischen, wenn nicht im Waffen streit, so in wirtschaftlicher Fehde. Einst wird kommen der Tag, an Lem alle Staaten und ihren Bewohnern klar wird, was an ihnen gefehlt worden ist, denn noch immer war die Weltgeschichte das Weltgericht. über die neuen Kriegserklärungen und ihre Vorgeschichte, die mit so viel Heuchelei und Verlogenheit dargestellt werden, erübrigt es sich, weitere Worte zu verlieren. Das Schwert spricht, und seine Sprache bedarf keines Dolmetschers. Die Leiden, die es aufzwingt, haben mit ihrer Verantwortung diejenigen zu begleiten, die fremden Ratschlägen zu willig Gehör schenkten. Was in dieser Beziehung aus dem blut getränkten Boden des Kriegsschauplatzes emporwächst, kann nicht minder fruchtbar sein, als das Kämpfen selbst. Die Kriegslage läßt sich nicht nach Wünschen gestalten, Genie und Tapferkeit müssen sich zusammentun für seine Bildung. So war es und so bleibt es. Denken wir in diesen Tagen an den glorreichen Sieg von Sedan. Die Erinnerung daran, die uns treu bewahrt geblieben ist, hat neue Heldentaten ausgelöst und wird sie auch in Zukunft weiter schassen Helsen, bis zu jenem Taae. an welchem in unserem Vaterlande die FriedettSglocken hallen, an welchen die Wahrheit sagen wird, das Deutsche Reich ist der Friede! Was die Kriegslage betrifft, so ist es begreiflich, daß Engländer und Franzosen im Hinblick auf den Eingriff Rumäniens in den Krieg, ihre Front im Westen auszudehnen suchten und eine lebhaftere Tätigkeit entwickelten. Wenn sie erwartet hatten, unsere Linien irgendwo schwächer zu finden, so hatten sie sich einer gänzlich unbegründeten Hoffnung hin gegeben. Die Enttäuschung blieb auch nicht aus. Alle Angriffe wurden abgemiesen und die bciden Verbündeten im Westen samt ihren farbigen Brüdern hatten nur eine weitere Steigerung ihrer ohnehin schon außerordentlich starken blutigen Verluste zu buchen. Der rührigen Tätigkeit der Russen auf dem östlichen Kriegsschauplatz liegt gleichfalls die Absicht zu Grunde, die Streitkräfte der Zentralmächtc möglichst zu binden und etwaige Abtransports nach Sieben bürgen zu verhindern. Unsere Feinde im Osten und Westen können sich beruhigen. Für den Empfang des neuen Feindes an Ungarns Südmestgrenze hat unsere Oberste Heeresleitung das Erforderliche vorgesehen. Auch die Ruffen haben keine Erfolge zu erzielen vermocht, wohl aber mit der Eroberung der viel umstrittenen Karpathenböhe Kukul durch deutsche Kräfte einen empfindlichen Verlust erlitten. Am Balkan ergeht es der Ententearmee unter General Sarrail bank der erfolgreichen bulgarischen Vorstöße recht trübe; die Armee sucht vergeblich ihre unhaltbar gewordene Lage zu verbessern. Da wird General Sarrail die ihm zu gedachte Rolle in der großen Balkanaktion schwerlich durch führen können. Der Plan besteht bekanntlich darin, daß russische Streitkräfte durch die Dobrudscha marschieren und Rumänien die Bulgaren vom Leibe halten. Sarrail soll diesem Heere entgegenziehen, sich mit ihm vereinigen und zunächst die Verbindung Berlin-Konstantinopel unterbrechen. Dahinter verbergen sich weitsch wende Pläne, deren Ver wirklichung schon das verkrachte Gallipoli-Unternehmen an gestrebt hatte. Aber die Türken, die der für uns und sie selbst verständlichen Bundespfltcht entsprechend den Krieg an Rumänien erklärten, werden mit dazu beitragen, durch dis Rechnung unserer Feinde einen Strich zu machen. Bulgarien, bas vom Bukarester Friedensvertraae her noch ein Hühnchen mit Rumänien zu rupfen yat, peyr in vouem Einvernehmen mit seinen Verbündeten. Wenn es sich der Kriegserklärung an Rumänien noch nicht anschloß, so hat das, wie die „Kreuz. Ztg." meint, vermutlich seinen Grund darin, daß seine Kräfte noch zu sehr nach Süden gerichtet waren und baß eS aus der neuen politischen Lage erst dis militärischen Folgerungen ziehen mußte. Gegen die siebenbürgische Grenze ergriffen die Rumänen ofort nach der Kriegserklärung die längst vorbereitete Offen- ive. Ihre überfallartigen Angriffe auf die durch die trans- ylvanischen Alpen nach Hermaanstadt und Kronstadt süh. renden Pässe waren abaemtesen worden. Vor starken ru mänischen Kräften wurden die österreichisch-ungarischen Truppen schrittweise und planmäßig in die vorbereiteten und befestigten Hauptkampfstellungen zurückgenommen, so daß die Rumänen sich der kampflosen Besetzung von Kronstadt, Petroseny und Kozoivasarhely rühmen können. Diese Zurück nahme der Front war noch in höherem Grade selbstverständ lich als die s. Zt. mit so außerordentlichem Nutzen erfolgte Preisgabe eines kleinen, für die Verteidigung schwierigen Gebietsstreifens gegenüber den italienischen Stellungen. Die guten Kampfstellungen liegen nicht immer genau aus der Grenze. Diese verläuft zwischen Siebenbürgen und Rumänien in einer Zickzacklinie, die bei Kronstadt in einem gewaltigen spitzen Winkel vorspringt. Während die Verteidigungslinie längs der Grenze sich aus 600 Kilometer ausdehnt, verkürzt sich die von unsern Verbündeten eingenommene neue Stel lung UM die Hälfte jener Ausdehnung. Dieser außerordent liche Gewinn, der sich in der Folge noch als segensreich er weisen wird, wiegt die vorübergehende Preisgabe einiger Ortschaften, auch wenn baS schöne Kronstadt sich darunter befindet, reichlich wieder auf. Rumänien. Die Kämpfe gegen Rumänien haben an Ausdehnung gewonnen. Namentlich am Südende der Front, in den Bergen an der Cerna nördlich Orsova, unternahm der Gegner zahlreiche heftige Vorstöße, dis aber nicht ourchzu- dringen vermochten. DaS Kampfgelände in diesem Raum ist schwierig. Von der wilden Lernalckluckt streben die felsigen Höhen steil und zerhackt empor. Diese Terrainbe schaffenheit wird dem Krieg wohl einen ähnlichen Charakter verleihen, wie ihn die Kämpfe in der Bukowina aufweisen. Aus dem siebenbürgischen Karpathenland hat sich laut „Voss. Ztg." die Bewegung der österreichisch-ungarischen Grenz truppen in die vorbereiteten Abwehrstellungen planmäßig vollzogen. Die Verkürzung der Front war hier angesichts der Schleifenform, in der die politische Grenze verläuft, eine Notwendigkeit. Im Gyergyoeer Gebirge, in dessen Norden der Gegner Verbindung zur russischen Bukowinafront aus genommen hat, dauern die heftigen Kämpfe fort. Der Einmarsch der Russen in Rumänien fand einer Genfer Meldung des „B. T." zufolge schon am Sonn tag abends, also unmittelbar nach der Kriegserklärung statt. Schon an diesem Tage wurden der Donauübergang und die Vereinigung russischer Truppen, denen auch Serben zu geteilt waren, mit den Rumänen vollzogen. Am gleichen Tage befahl der König von Rumänien die allgemeine Mobilmachung. Das Petersburger Börsenblatt berichtet aus Bukarest, daß bereits am 1S. August 450 000 Rumänen unter Waffen standen. Starke russische Heerestetle marschieren durch die Dobrudscha gegen Rustschuk, wohin auch starke rumänische Truppenmaffen vorgehen. Bulgarien im Kriegszustände mit Rumänien. Bulgarien befindet sich laut „Voss. Ztg." durch Lie Ereig nisse, die der formellen Kriegserklärung vorausgeetlt sind, bereits tatsächlich im Kriegszustände mit Rumänien. Es be steht demnach kein Zweifel, daß die Bulgaren gewillt sind, alle Folgerungen aus ihrem Bündnisverträge mit den Mittel mächten zu ziehen. Berliner unterrichtete Kreise bestätigen daS ausdrücklich und weisen auf die maßlose Sprache hin, die die rumänische und russische Presse bereits gegen Bul garien führt. Der rumänische Gesandte in Sofia soll bereits angewiesen worden sein, seine Pässe zu verlangen. — Da nach mutet dis Londoner Meldung mehr als unwahrschein lich an, Rumänien werbe ein Ultimatum an Bulgarien richten, in dem die Räumung Serbiens und die Herstellung des Statusquo, wie er in dem Vertrag von Bukarest fest gelegt worben sei, verlangt wird. Der Sieg der Korruption. Die Sozialdemokraten Rumäniens verurteilen den Eingriff ihres Landes in den Krieg noch heftiger als die italienischen Genossen denjenigen Italiens. Der Kuhhandel ist fertig, schreibt einer der Ihrigen, in der Berner Tagwacht. Die rumänische Bourgeoisie, der russische Rubel, die Korruption haben ihr Ziel erreicht. Seit Beginn des Krieges hat die rumänische Regierung wie eine Hyäne aus dem Hinterhalt auf den günstigen Augenblick gewartet, um sich auf das Opfer zu werfen. Bekanntlich geht Rumänien in den Krieg, um die Brüder Transylvaniens und der Bukowina zu befreien. Diese elende Phrase ist die ganze Weisheit unserer Kriegshetzer. Es ist aber statistisch festgestellt, daß es den Rumänen in der Bukowina und in Transyloanien viel besser geht als denjenigen im freien Königreich. Die ökonomische Knechtung ist in Ungarn eben falls bei weitem nicht so groß als in Rumänien, dem Lande der notorischen Unterernährung. Die rumänische Regierung die die Stimmung des Volkes genau kennt, wollte das Pro letariat überrumpeln und den Arbeitern keine Zeit lassen, sich mit den rumänischen Revolutionären und ungarischen Revolutionären in Verbindung zu setzen. Den bulgarisch, deutsch-österreichischen und ungarischen Genoffen sage ich ganz offen, daß uns nichts in der Welt von ihnen trennt und daß uns alles von den raubgierigen, blutbefleckten Machthabern in Rumänien scheidet, die nur auf ihren eigenen, persönlichen Nutzen bedacht sind. Entrüstung in Sigmaringen. In Hechingen, der Geburtsstadt des Königs Ferdinand von Rumänien, ist die Nachricht von der Kriegserklärung Rumäniens mit ganz be- sonberem Interesse ausgenommen worden. Noch am Sonn tag traf der rumänische Gesandte, der aus Berlin gekommen war, mit dem Vermögensverwalter des rumänischen Königs, Bassenttn, einem Schweizer, hier ein und gab beruhigende Erklärungen über Rumäniens Haltung ab. Man erfährt auch, bah im fürstlich hohenzollernschen Schloß die Nachricht über die Kriegserklärung geradezu bezweifelt, ja als un möglich bezeichnet wurde. Herr Bassentin hat sich von Hechingen nach der Schweiz begeben, um, wie man an nimmt, daS Baroermögen des Königs Ferdinand in Sicher heit zu bringen. Die Frage, ob der letztere die Folgerungen aus der nicht ohne eigene Schuld geschaffenen Lage zieht, d. h. abdankt, wurde auch hier aufgeworfen, doch neigte Llück unck Llas? Erzählung v»n Hermann. Eglofs. S. Helene Kupfer. 11 Die WohnrSume der „schönen Helene" der jetzigen Geliebten Gronaus, bieten einen ganz anderen Anblick dar, als das Stübchen Elise Werners im vierten Stock werk. Dort Einfachheit, aber Sauberkeit und Ordnung; hier aber Unsauberkeit, Unordnung und Ungeschmack. Wohl sind Sopha und Stühle mit rotem Plüsch über zogen, aber keines dieser Möbelstücke ist frei. Hier liegt ein Reifrock, dort ein Hut, da wieder die zerknitterte Mantille, auf einem anderen Stuhle ein Kleid. Auf einen: kleinen Spiegelspindchen stehen in friedlichem Durcheinaw der die Zuckerdose, Haaröl, ein Stück en Butter, Räucher essenz, eine Schachtel mit Naschwerk, Romanbände ver trocknete Blumensträuße und Schminke. Auf den Fensterbrettern stehen kostbare Topfgewächse, aber schlecht gepflegt. Das Fortepiano steht geöffnet, die Noten liegen wüst umhergestreut darauf, die Tasten sind mit Staub bedeckt. Die „schöne Helene" verläßt in der Regel sehr spät ihr Schlafgemach. Wer sie nur aus dem Balle in ihrer glänzenden Toilette gesehen hat, erkennt sie schwerlich wie- der. Ihre Gesichtsfarbe ist unrein, der Frische ganz ent behrend, die Züge sind schlaff. Sie empsängt nur Leben unter dem Einflüsse von hundert strahlenden Gaslichtern beim Klange der rauschenden Tanzmusik; sie gleicht den Blumen, welche am Tage ihre Kelche schließen und sie erst Abends öffnen. Kaum daß sie sich von ihrem Lager erhoben hat, da seuszt sic auch schon über den langen Tag, den sie noch vor sich hat, ehe sie sich zu einem neuen Vergnügen, zu irgend einer Festlichkeit, ihrem eigentlichen Tagewerk be ¬ geben kann. Selten ist sie einen Abend zu Hause, nie allein. Heute ist sie ans dem Balle, morgen im Ballet, in der Oper, bei Wallner oder in der Friedrich-Wilhelm-Stadt, dann wieder, der Abwechselung wegen, auf dem Balle. Aber da muß sie reich sein, denn der Buchhalter Gro nau ist doch nicht im Stande, ihr all diese Vergnügun gen aus eigenen Mitteln zu bieten. Nun, das Herz der .schönen Helene" ist auch viel zu groß, um ein Bild in sich auszunehmen, sie bedarf be ständiger Aufregung, um das Leben zu ertragen und Gro nau ist nur einer von ihren Rittern und noch dazu ein wahrer Armerritter. „So ist nun wieder ein Tag angebrochen," spricht sie mit sich selbst, indem sie gelangweilt in den Spiegel schaut, „mit seinem nüchternen, langweiligen, aschfahlen Elend und Jammer ausdrückenden Gesicht, mit seinem Geklap per, Gerassel, Gesäge, Gekritzel und anderen lustigen Din gen und elf Stunden, sage elf Stunden find es noch, bis mein Tag ansängt. Dem Himmel sei Dank, daß ich heute Abend srei von diesem jalbungsreichen mondschein- schmachtenden Gronau bin. Seine Sentimentalität und eine lästige, wenngleich nicht ganz unbegründete Eifersucht fallen mir aus die Nerven und wenn er nicht ein so gut mütiger Narr mit der Offenheit und dem Zutrauen eines Kindes wäre, ich hätte mich längst seiner entledigt." Sie hatte dieses höhnische Selbstgespräch kaum been det, als nach heftigem Anklopfen auch schon hastig die Türe geöffnet wurde und ein Mann von etwa dreißig Jahren mit interessanten, aber erschöpften Gesichtrzügen atemlos eintrat. „Um des Himmels Willen, was ist geschehen!" rief Helene Kupfer unruhig aus und Angst und zärtliche Be sorgnis verzerrten ihr sonst jo blasiertes, marmorbleiches Antlitz. „Entschuldige, liebe Helene, daß ich so hastig und un vermutet zu Dir komme," erwiderte der Eingetretene „und Dich in Angst setze. Aber es sind Ereignisse eingetreten, die mich zwingen, von Dir Abschied zu nehmen, denn meines Bleibens ist in Berlin nicht länger." „Aber rede doch, was ist geschehen?" fragte Helene Kupfer noch einmal. Der Gefragte begann hastig zu erzählen: „Ich hatte gestern die Bekanntschaft zweier Gutsbe sitzer aus der Gegend um Arnswalde gemacht — ganz zufällig, natürlich — die sich etwas in Berlin umsehen wollten. Ich versprach ihnen sie zu sühren und so kamen wir in das Rauch'sche Lokal, wo wir noch zwei meiner Freunde antrafen. Was ist natürlicher, als daß wir ein Zpielchen begannen, denn die beiden Provinzler prahlten geradezu mit ihrem Gelde, während ich und meine beiden Freunde — warum soll ich es lcugnen — gerade wiedei Mangel an Ueberfluß litten. Das Glück war uns denn auch günstig und wir wollten, weil es schon sehr spät, oder vielmehr früh am Tage war, das Spiel auch bald abbrechen —" „O, ich beginne zu ahnen, Otto —" „Magst richtig ahnen, Helene. Noch ehe wir dazu kommen, uns unter einem schicklichen Vorwande zu ent fernen, da stürzen einige Kriminalbeamte in das Hinter zimmer —" „Aber warum wäret Ihr so unvorsichtig —" „Unvorsichtig, Helene, wie kannst Du das sagen; die Spürnasen sind eben immer da, wo man sie am wenig sten vermutet. Da mau auf so ein kleines Ereignis im mer vorbereitet sein muß, so wartete ich denn nicht erst auf die nähere Bekanntschaft mit den Herren Kriminals, sondern verschwand mit einigen Sprüngen durch eine entgegengesetzte Türe. Leider mußte ich bei der großen Schnelligkeit das schöne gewonnene Geld im Stiche lassen." „Wie schade."
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