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Rabenauer Anzeiger : 05.09.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-09-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-191609056
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19160905
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19160905
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
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Jahr
1916
-
Monat
1916-09
- Tag 1916-09-05
-
Monat
1916-09
-
Jahr
1916
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Gegen zehn Feinde. Mit Rumänien, an das Deutschland in selbstverständ- kicher Erfüllung seiner Bündnispflicht den Krieg erklärte, nachdem von der Bukarester Regierung die Kriegserklärung an Österreich-Ungarn ergangen war, ist die Zahl unserer Feinde auf zehn gestiegen: der Vieroerband England, Frank reich, Rußland und Italien und dessen Mitläufer Belgien, Serbien, Montenegro, Japan, Portugal und Rumänien. Die Zahl der ausgewechselten Kriegserklärungen ist auf 29 angestiegen. Das sind Feinde genug, auch wenn man be rücksichtigt, daß Belgien, Serbien und Montenegro in der Hand der Zentralmächte sind. Wir unterschätzen die Be deutung des rumänischen Eingreifens in den Krieg an der Seite der Entente wahrhaftig nicht; aber wir fürchten uns auch nicht. Unsere günstige Kriegslage, die Begeisterung unserer herrlichen Truppen und die Kraft, die aus dem Bewußtsein strömt, für eine gute und gerechte Sache zu kämpfen, erfüllen uns mit unbedingter Siegeszuversicht. Das Ringen wird noch gewaltiger, die Anforderungen an jeden einzelnen werden noch gesteigert werden; aber der schließ liche Sieg wird uns nicht fehlen. Ein einfacher Naubüberfast, verschärft durch schnödesten Wort- und Vertragbruch, nichts anders ist die rumänische Kriegserklärung an Österreich. Die Note, die der rumänische Gesandte in der Nacht zum Mon tag im Auswärtigen Amte zu Wien überreichte, so schrieb das dortige halbamtliche Fremdenblatt, ist ein Dokument unerhörtester Schamlosigkeit, und es ist Rumänien der trau rige Ruhm erblüht, selbst Italien an Niedrigkeit übertroffen zu haben. Man kann es ja ruhig sagen, daß Rumänien bis Sonntag 9 Uhr abends noch unser Verbündeter Ivar. Italien hatte wenigstens einige Wochen vor der Kriegs erklärung den Bündnisvertrag mit Österreich - Ungarn ein seitig außer Kraft gesetzt und dies der österreichisch-ungarischen Regierung zur Kenntnis gebracht. Die rumänischen Draht zieher hatten offenbar eine Überrumpelung Österreichs im Auge, das läßt die Wahl eines Sonntag-Abends für die Überreichung der Note erkennen. Sie hatten wohl erwartet, daß um diese Zeit kein für die Annahme des Schriftstücks zuständiger Beamter im Ministerium anwesend sein und das wichtige Schriftstück über Nacht unerüffnet liegen bleiben würde, wodurch Rumänien für seine militärischen Opera tionen einen Vorsprung von einigen Stunden gewonnen hätte. Rumänien handelte auch hierin nach dem Beispiel Italiens, das den Abend des ersten Pfingstfeiertages vorigen Jahres zur Überreichung seiner Kriegserklärung an Öster reich benutzte. Vratianus Doppelspiel. i Ganz nach dem Beispiel der italienischen Hinterlist, ja noch eine erhebliche Portion schlimmer, verfuhr der rumänische Ministerpräsident Bratianu. Hatte Italien, kurz bevor es im Herbst 1911 seinen Überfall auf Tripolis unternahm, noch einen neuen Gesandten für die Türkei ernannt, der noch vor seiner Ankunft in Konstantinopel abberufen wurde, so hat Bratianu den Vertretern der Zentralmüchte noch 24 Stunden vor der entscheidenden Kronratssitzung in Bukarest die Versicherung erteilt, daß er an der Politik der Neutralität Rumäniens festhalten würde. Als der Minister diese feier liche und ofsiz elle Erklärung obgab, hatte aber bereits der rumänische Gesandte in Wien die Kriegserklärung in Händen; denn diese mar nicht als Telegramm, sondern als diplomatisches Aktenstück Lurch Kurier nach Wien befördert worden, hatte also für den Weg längere Zeit gebraucht. Die Note wurde genau eine Viertelstunde vor dem Beginn der Feindselig keiten Rumäniens an der Grenze überreicht. Eine Spitz büberei war es auch, daß Bratianu dem gänzlich uner fahrenen Porumbaro den Posten des Ministers des Aus wärtigen verschafft und durch diesen ahnungslosen Mann die Kriegserklärung hatte unterzeichnen lassen, um sich selbst für alle Fälle den Rücken möglichst frei zu halten. Die Rolle des Königs Ferdinand in der Kriegssrage ist in augen blicklich noch undurchdringliches Dunkel gehüllt. Lie Enttäuschung. Wenn Rumänien, das letzten Grundes unter dem Zwange Rußlands seinen folgenschweren Schritt getan hat, durch seine Intrigen und Überrumpelungen Erfolg zu erzielen gedachte, so hat es sich bitter getäuscht. Zwei rumänische Bataillone, die sich den Pässen des die Grenze von Siebenbürgen bildenden Gebirges näherten, wurden ebenso rasch wie nach- btückltch zurückgeworfen. Rumänien hat mit semen 600 000 Mann 1300 Kilometer Landesgrenze zu schützen, da von den zusammen 1800 Kilometern der Grenze nur 500 an Rußland stoßen. Von den 1300 Kilometern entfallen 750 auf die österreichisch-ungarische Grenze von Czernowitz bis Tschernetz, die übrigen 550 auf Bulgarien. Da der mächtige Gebirgszug der transsilvanischen Alpen der österreichischen Grenze und damit dem von Rumänien heiß begehrten Siebenbürgen einen außerordentlich starken Schutz gewährt, da die aus gedehnte Front erhebliche Kräfte erfordert, mehr als Rumänien überhaupt besitzt, so ist Rumänien zu größeren Aktionen nur mit russischer Hilfe imstande. Wir würden' also gegen die Russen nur auf einem andern Kriegsschauplätze kämpfen. Unter diesen Umständen werden sich auch die Kriegshetzer Rumäniens voraussichtlich sehr bald besorgt fragen müssen, ob sie auch wirklich den Lohn ihres Verrates einheimsen und zu einem größeren Rumänien durch Angliederung der ihnen von der Entente versprochenen Gebietsteile von Sieben bürgen, Südungarn und der Bukowina mit Czernowitz ge langen werden. Wir Deutschen aber und unsere treuen Bundesgenoffen unterschätzen die neue Gefahr nicht, treten ihr aber mit voller Siegesgewißheit entgegen. Rumänien. Durch! DaS Kriegsungewitter hat sich noch dichter zusammen- gezogen; die Schar unserer Feinde ist um zwei Treubrüchige vermehrt worden. Wir wären keine Menschen, wenn uns nicht so etwas wie Schauder an die Herzen griff ob der Ausdehnung und Verlängerung des Blutbades, das nun schon über zwei Jahre den Erdball heimsucht, wenn uns nicht so etwas wie Trauer und Wehmut erfüllte ob des wilden Ausbruchs der Leidenschaften, der wie ein Brand im dürren Walde immer neue Gebiete ergreift. Aber die neue Flammenlohe, die an zwei Stellen zugleich aufspringt, gilt unserm Herd und unsern Heimstätten, das läßt uns Schauder und Wehmut vergessen und drückt uns die Waffen der Ab wehr fester in die Hand. Wir haben eine vielfache Über macht besiegt in zwei langen Kriegsjahren, wir haben unsere Feinde zu Paaren getrieben, die uns umstellt hatten nach jahrzehntelanger Einkreisung und uns nun zusammcnschießen wollten wie das Wild auf der Treibjagd, und wir haben einen Wall von Eisen und Feuer aufgerichtet in ihren Ländern, gegen den sie mit all ihrer Übermacht immer noch vergeblich anrennen. Sie sollen es auch fürderhin; daran sollen Italiener wie Rumänen nicht einen Pfifferling ändern. Im Gegenteil! Wohl danken wir es unserm scharf ge schliffenen Schwerte, unserer vorzüglichen militärischen Rüstung, daß wir den Ansturm der Übermacht brachen und den Krieg in einer Kette von Siegen in die feindlichen Länder tragen konnten. Wohl war es unsere überlegene Führung, Lie überall das Gesetz des Handels an sich riß, die die Russen bei Tannenberg schlug und den Durchbruch bei Gorlicze voll brachte, die Serbien eroberte, die immer am rechten Ort die rechten Truppen versammelte, um die strategischen Pläne der Feinde kläglich zuschanden zu machen. Aber weder unsere Waffen noch unsere Führung hätten uns etwas genützt, wenn stolzer deutscher Mannesmut nicht hinter ihnen ge standen und die nieversagende Kraft geliefert hätte, die sich aller feindlichen Übermacht überlegen erwies. Und diese Kraft wird, des sind wir gewiß, den beiöen neuen Feinden gegenüber noch wachsen. Die Verachtung, die wir gegen Raubgier empfinden, die sie ihre Bündnispflichten brechen ließ, um bei der Teilung der Beute nicht übergangen zu werben, wird nur noch von dem Mitleid erreicht, das wir mit ihrer politischen Ohnmacht empfinden, die sie zu Heloten Englands und Ruhlands macht. Und diese Feinde, so fragt die „Köln. Ztg.", sollen uns schrecken? Wir wissen, unsere Gegner sind einander wert, und es ist eine Ehre, von ihnen gehaßt und angegriffen zu werden. Unsere Waffen sind stark wie am ersten Tag, und unsere Führer haben längst ihre Pläne fertig, um auch den neuen Feinden wirksam zu begegnen. Unser Kampsesmut aber flammt höher denn je. Die Naubschar ist beisammen, die uns Herd und Heimat plündern will; nun sollen Michels stärkste Hieben fallen! Durch! Armeebefehl des Erzherzogs Friedrich. Der Oberbefehlshaber der österreichisch-ungarischen Armee, Em- herzog Friedrich, gab seinen Truppen den Eintritt Rumäniens in den Krieg in folgendem Armeebefehl kund: Soldaten! Kriegskameraden! Ich habe Euch mitteilen lassen, daß in der Reihe unserer Gegner ein neuer Feind aufgetaucht ist: das Königreich Rumänien. Euer ehrlicher Soldatensinn wird für diesen räuberischen Überfall Las richtige Maß der Ver achtung finden. Wir haben in den vergangenen Jahren manche schwere Stunde überwunden, wir werden auch den neuen Strauß in Ehren durchkämpfen, unserem Eidschwur zu den Fahnen des Allerhöchsten Kriegsherrn getreu! Gott mit Euch! König Ferdinand non Rumänien gegen den Krieg. Wie dem österreichisch-ungarischen Grasen Czernin, so hat König Ferdinand kurz vor dem Kronrat auch dem deutschen Gesandten, Herrn von dem Bussche-Haddenhausen, die bestimmteste Erklärung gegeben, daß er niemals seine Zustimmung zur Kriegserklärung Rumäniens an die Mittel- Mächte geben würde. Er deutete einer Budapester Meldung der „Voss. Ztg." zufolge sogar an, daß er eher auf seine Krone verzichten würde. Gewisse militärische Maßnahmen Rumäniens, die auf den direkten Befehl des Königs zurück geführt werden, erweckten in den letzten Tagen auch den Anschein, daß die Lage einigermaßen erleichtert sei. Um so mehr steht man nunmehr vor einem Rätsel, da man bisher nicht weiß, welche Gründe schließlich den König veranlaßt haben, von seiner den Gesandten der Mittelmächte so be stimmt abgegebenen Erklärung übzuweichen. Die tele graphischen Verbindungen mit Rumänien sind seit Sonntag abend bereits völlig unterbrochen, und man erwartet mit Spannung die Rückkehr der Gesandten Österreich-Ungarns und Deutschlands, um zu erfahren, was sich in den letzten Stunden vor dem Kronrate in Bukarest abgespielt hat. Ein Sieg der Königin. In einem Kopenhagener Blatte wird die Kriegserklärung Rumäniens an Österreich- Ungarn ein Sieg der rumänischen Königin und ihrer Politik genannt. Ekstrabladet sagt, alles deute darauf hin, daß die Alliierten auf Rumänien einen starken Druck ausgeübt haben, um es zu veranlassen, jetzt schon eine Entscheidung zu fällen. — Königin Maria von Rumänien ist die Tochter des ver storbenen Herzogs Alfred von Sachsen-Koburg, eines eng lischen Prinzen, und der russischen Großfürstin Maria. Der Preis des Verrats. Nach der Bukarester Meldung eines ungarischen. Blattes sichert der Vertrag der Entente mit Rumänien diesem ganz Siebenbürgen, Süd ungarn und so weit es von Rumänen bewohnt ist, auch die Bukowina mit Czernowitz zu. Wenn Rumänien auch gegen Bulgarien in Aktion treten müsse, kann es mit dem Gebiete zwischen Nustschuk und der Warna seine Grenzen verbessern. Diese Gebiete soll Rumänien auch ohne eins Eroberung mit den Waffen erhalten. (Natürlich wenn der Vierverband — siegt.) Schlechte Gervimmussichten. Die Züricher Post schrei, t: „Auf einen langen Feldzug scheint man sich in Bukar st nicht einzurichten. Es hat aber schon einmal ein Staat dessen militärische Kraft stärker ist als diejenige Ru- mäni as geglaubt, daß mit seinem Eingreifen in den Krieg der Krieg entschieden wäre. Die Erfahrungen waren biiter. Heute noch kämpft Italien um militärische Punkte, die sehr von dem Ziele entfernt sind, die das gesteigerte Großmachts empfinden dieses Staates sich gesteckt hat. In dem blutigen Spiel, das Rumänien nach zwei Jahren des Schwankens beginnt, setzt es alles ein, seine staatliche Existenz und seme Zukunft. Der Einsatz ist hoch, die Gewinnchancen sind fragwürdig." Der Bukarester Kronrat eine Farce. Die Noto der rumänischen Kriegserklärung, mit der handschriftlichen Signierung des Ministers Porumbaru, muß sich schon seit Tagen in Wien befunden haben, aber ihre Überreichung scheint für später beabsichtigt gewesen zu sein, denn der rumänische Legationsrat war Sonntag abend auf einem Ausflug in die Umgebung von Wien begriffen. Er erfuhr einer Wiener Meldung der „Voss. Ztg." zufolge erst um 11 Uhr, daß um 9 Uhr sein Gesandter den Krieg erklärt habe. Dieser Legationsrat ist ein Sohn Carps, und man weiß nicht, ob ihm die Entschlüsse, weil er des Deutschenfreundes Carp Sohn ist, verheimlicht worden sind, ober ob die Über reichung tatsächlich auch für die Gesandtschaft in Wien schließlich überraschend schnell gefordert wurde. Jedenfalls steht fest, daß die Kriegserklärung, die vom 27. vordatier ist, schon abgegangen sein muß, als Bratianu wörtlich und der König dem ganzen Sinne nach Sonnabend nochmals klück uack Llas? Erzählung von Hermann. Eglofs. 10 „Ja, Mamsell Elise, se haben wohl nicht so Unrecht," versetzte Müller kleinlaut, „aber meine Olle macht mir durch ihre ewigen Jardinenpredigien den Kopf so warm, det ich am liebsten jarnich mehr nach Hause käme, mir is ja nicht mehr recht zu Hause." „Pfui," entgegnete Elise Werner, „schämen Sie sich nicht solcher elenden Ausrede! Ihnen ist nicht wohl, weil Ihnen Ihr Gewißen keine Ruhe läßt und dies zu be täuben gehen Sie ins Wirtshaus, wo Sie jener Elende, der Kalifornien vielleicht nie gesehen hat, täglich mehr an den Rand des Abgrundes zieht. Ermannen Sie sich, weisen Sie jenem die Türe, wenn er wiederkommt. Noch einmal, werfen Sie sich wieder der Arbeit, dieser segnenden Mutter der Menschheit an die Brust und Sie werden sich zu Hause wieder wohl fühlen und Ihre brave Frau wird Ihnen wieder ein strahlendes Antlitz zeigen; ist sie doch so genügsam und verlangt keine andere Freude vom Le ben, als daß Alles um sie her glücklich sei." „Als ob es mir Freude macht, vom srihen Morjen, bis in die finkende Nacht hinein zu zanken, un ewig Erjer runner zu schlucken," wandte Frau Müller ein. „Aber ick will ihn'n bloß eens erzählen Mamsell Elise, da steh ik vorjestern bei Ieheemrats ant Waschfaß un us eenmal iberiällt mir die Wehmut dermaßen, ick denke an Allens, wie 't is, so lebhaft, daß mir die Tränen in't Waschfaß rieseln — 't war 'ne scheene Lauje — dabei merke ick nich, dat di Jeheemrätin, ne Frau, arbeitsam, wie unsereins un liebreich, un ohne Stolz jejen Alle, schon 'ne Weile vor mir steht un mir beobachten dhut. Us ee- mal sagt se, so sanft, daß mir das Herz dabei ausjing: »Liebe Frau Millern, se mijsen'uc recht schweren Kummer in ihre Brust haben. Teilen Sie mir mit, was Sie sehlt un wenn es in meine Macht steht, dann Helse ick jern, denn Sie sind 'ne brave rechtschaffene Frau."" „Ick sprach zu sie, wie ick mit meinesgleichen spreche, sagte ihr, wie et uns jrüher gut jejangen wäre, wie mein Mann früher imnier zwee Iesellen beschäftigt hätte, un seine Arbeit von alle Kunden jelobt worden wäre, un wie das jetzt so anders wäre, un mir das zu Herzen ginge, daß wir in unsere Verhältnisse immer mehr zurückkom- men. Aber nu kam der kitzliche Punkt. Die Ieheem- rätin fragte nämlich, wie das zujinge, daß wir so runter- jekommen wären und daß Miller seine Kunden verloren hätte — " „Un da maltest du n'Porträt von mir," unterbrach Müller, der bei der Erzählung seiner Gattin unruhig ge worden war, „daß Keen Hund '.r Stück Brod von mir nehmen wird." „I, wat denkst du dir," fuhr Frau Miller fort, „ick wer' doch meinen Mann vor fremde Leite nich schlecht machen. Lieber mal lüjen als das. Ick sagte er sei län gere Zeit krank jewesen, un seine Iesellen hätten unter- deß schlechte Arbeet gemacht und de Kunden verscheucht. Ob se's jeglobt hat, weeß ick nich, aber das weeß ick, det se mir versprochen hat, sich vor uns zu verwenden. Na un gestern Vormittag klettert der Herr Ieheemrat selber nach unsere Dachwohnung herauf, un bestellt sich paar neue Stiebeln vor sich un sagt: wenn er mit der Arbeet zufrieden wäre, dann sollte mein Mann viel Arbeet krie- jen. Ick danke dem juten Herrn tausend Mal. Jlicklicher Weise hatte Müller noch'n Stick scheenes Kalbleder liejen, das er eben vcrkoosen wollte, um mit seinem Freind ins Wirtshaus sehen zu Könen; ick lasse jetzt meinen Mann Keene Ruhe, er muß gleich die Stiebeln zuschneidtn. Mehr konnte ich aber nicht erlangen. Nachmittags zog's ihn mit AUjewalt zu feinem liederlichen Freind un Nachts um zwelse kehrte er erscht, un in was vor'n Zustand, zu rück. Vis morjen Mittag hat er die Stiebeln zu liefern versprochen, sind se dann nich fertig, dann isset aus mit de Kundschaft, un denn trenne ick mir von Miller'» un schlage mir mit meine Kinder alleene durch; ick will ar- beeten Dag un Nacht, aber ick will mir nich immer un immer mit sonen liederlichen Menschen rum erjern." „Hören Sie mich nun," sagte Elise Werner nun mit feierlicher Stimme zu dem Meister. „Ich weiß, daß Sie etwas auf mich halten. Wenn die bestellten Stiefel nicht morgen Mittag fertig und vorzüglich gearbeitet sind, so kündige ich Ihnen mein Stübchen." Das wirkte mehr, als alle Vorwürfe seiner Frau, denn Elise Werner stand bei ihm in hohem Ansehen. „Es soll anders werden," rief er heftig aus. „Müller, es muß anders werden; morgen Mittag sind die Stiebeln fertig, u« was vor Stiebeln! Ick mar ein rechter Lump, aber da hat der Schwaner bloß Schuld, der hat mir us- gestachelt: ick verdiente hier vor meine Mihe vill zu we nig, un ick mißte, ohne mir zu quälen, zehn Mal so vill verdienen. Aber ick seh woll, mit seinen Joldstoob des sind Flausen, damit hat er mir bloß das Ield aus de Tasche jelockt, er hat mir bloß jemeinen Kiessand in die Oojen gestreit. Aber mir is jetzt der Staar jeftochen. Kar- lienken," wandte er sich jetzt an die Frau, „wenn Schwa ner wieder kommt, un nach mir fragt, dann bin ich nich zu Hause. Un nu jleich an die Arbeet. Jotee nee, wenn mir schon jetzt, bei den bloßen Vorsatz, wieder 'n recht schaffener Mensch zu werden, so wohl is, wie wird mir erst sein, wenn ick wirklich 'n rechtlicher Kerl jeworden bin!" Die Frau sank, während ihr Freudentränen über die Wangen liefen in die Arme des wiedergesundenen Gat ten und Elise Werner hob dankend die Augen zum Him mel empor. „Wieder ein Ersatz sür mein verlorenes Liebesglück!" hauchte sie.
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