Suche löschen...
Rabenauer Anzeiger : 20.05.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-191605202
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19160520
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19160520
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-05
- Tag 1916-05-20
-
Monat
1916-05
-
Jahr
1916
- Titel
- Rabenauer Anzeiger : 20.05.1916
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Delbrücks Rücktritt. Der Rücktritt des hochverdienten Staatssekretärs des Reichsamts des Innern Clemens Delbrück ist im ganzen Reiche mit lebhaftem Bedauern ausgenommen worden. Der scheidende Staatssekretär tritt wegen seiner angegriffenen Gesundheit, er leidet an Furunkulose infolge leichter Zucker krankheit, in den Ruhestand, und man darf auf ihn mit vollem Rechte das Wort Bismarcks anwenden: Er hat sich im Dienste des Vaterlandes aufgerieben. Zur Verwaltung des weitverzweigten Reichsamts des Innern gehört eine das Durchschnittsmaß weit übersteigende Arbeitskraft. Sind doch im Reichsamt des Innern schon in Friedenszeiten nicht weniger als 21 Abteilungen vereinigt, von denen die Be herrschung jeder einzelnen eine volle Mannskraft beansprucht. Es sind das, um nur die wichtigsten hervorzuheben, außer dem Reichsversicherungsamt und dem Aufsichtsamt für Pri vatversicherung die Abteilung für das Auswandsrungswesen, die Neichsschuldkommission, die technische Kommission für Seeschiffahrt, die ständige Ausstellung für Arbeiterwohl, der Börsenausschuß, das Bundesamt für Heimatswesen, das Schiffsvermessungsamt, die oberste Disziplinarbehörde, das Statistische, das Normal-Eichungs-, das Gesundheits- und Patentamt, die physikalisch-technische Reichsanstalt, das Kanalamt, die biologische Anstalt für Land- und Forstwirt schaft. Der Krieg hat oas Maß der Aufgaben des Reichs amts des Innern verdoppelt und verdreifacht. Die ganze gewaltige Arbeit der Regelung der Volksernährung lastete auf den Schultern des Reichsamts des Innern. Unter dieser ungeheuren Bürde brach die Gesundheit des Staatssekretärs zusammen. Es ist deutscher Minister Art ohne Rücksicht auf oas eigene Befinden Tag und Nacht ihre volle Kraft 'einzusetzen für des Landes Wohl. So hat Bismarck wiederholt bis zur gänzlichen Erschöpfung seiner Kräfte gearbeitet, so erlitt Fürst Bülow nach glücklich er reichter Beilegung der Marokkokrise im April 1906 während der Neichstagssitzung den schweren Ohmnachtsanfall, so er schöpfte sich der Staatssekretär des Auswärtigen von Richt hofen im Dienste. Es ist bestes deutsches Bürgertum, das die Familie Delbrück verkörpert. Einen Hellen Klang in der vaterländischen Geschichte behalten die Namen der Präsidenten des Bundeskanzleramts Rudolf Delbrück, des Historikers Hans, des Chemikers Max Delbrück. Unvergessen bleibt auch der Name des scheidenden Staatssekretärs Clemens Delbrück, schon um deswillen, weil mit seinem Namen das fundamentale Werk der Neichsversicherungsordnuna unzer trennlich verknüpft ist. Für den Geist, in dem der Scheidende die Sozialpolitik des Reiches leitete, ist das Wort kenn zeichnend, das Exzellenz Delbrück vor neun Jahren als Handelsminister sprach : Wir wollen nicht Herrn sein, sondern wir wollen die ersten Arbeiter unserer Betriebe, die Kameraden unserer Arbeiter sein, und wir wollen den Arbeitern gegenüber nicht den Herrenstandpunkt vertreten, sondern wir wollen das Matz der Kommandogewalt haben, das der höhere Offizier über den niederen, der Leutnant über seins Soldaten hat und haben muß, wenn nicht Ler Betrieb in Scherben gehen soll. Exzellenz Delbrück war aller Wahrscheinlichkeit nach der letzte Staatssekretär des ungeteilten Reichsamts des Innern, wie sein Großonkel Rudolf Delbrück niit seinem Rücktritt vom Präsidium des Bundeskanzleramts im Jahre 1876 dis Veranlassung zur Gründung des Reichsamts des Innern und einiger anderer Reichsämter wurde. Die Teilung, die schon wiederholt als unerläßlich bezeichnet wurde und nach dem Rücktritt, des Grafen Posadowsky und der Übernahme des Amtes durch den jetzigen Reichskanzler im Jahre 1907 ernstlich ins Auge gefaßt worden war, wird jetzt wenigstens in der Sache erfolgen, wenn sie möglicherweise auch erst formell in ruhiger Friedenszeit vollzogen wird. Für die Kriegsernährungsfragen wird außerdem eine besondere und selbständige Abteilung eingerichtet werden, von deren Tätig keit eine Befriedigung aller berechtigten Ansprüche in der schwierigen Frage der Lebensmittelverteilung zu erträglichen und angemessenen Preisen erwartet wird. Wenn bisher noch nicht alles so klappte, wie es wünschenswert erscheint, so trifft den zurückgetretenen Staatssekretär deshalb kein Vor wurf. Als Stellvertreter des Reichskanzlers hat er mit geradezu übermenschlicher Kraftanstrengung nach bestem Wissen und Gewissen die Regelung der Lebensmittelversor gung während des Krieges geleitet und nie gezögert, aus den aemackten Erfahrungen zu lernen und die aebotenen ' Aus der Kriegszelt. Die Praxis des Lebeusmittelvsrkehrs in Groß- und Kleinstadt. Der Weltkrig hat unbegrenzte Möglichkeiten geschaffen. Die Lebensmittelversorgung ist überall da unschwer, wo landwirtschaftliche Betriebe in größerer Zahl vorhanden sind, sie steigert sich in den Schwierigkeiten, je mehr die „Stein wüste" an die Stelle von Acker und Viehstall tritt. Die mehr als drei Millionen Bewohner zählende Riesenstadt Groß-Berlin stellt einen Magnet dar, der nicht nur weite Bezirke von Deutschland, sondern auch außerdeutsche Gebiete in Anspruch nimmt. Das Quantum der Lebensmittel der verschiedensten Art ist so enorm, daß eine genaue Verteilung auf eine Anzahl von Kreisen sich unter den heutigen er schwerenden Verhältnissen nur durchführen läßt, wenn nicht an den Stellen, von welchen nach der Zentralstelle geliefert werden soll, die Gefahr einer Knappheit ebenfalls Herauf ziehen soll. Deutschland hat eine so bedeutende Zahl von Groß- tädten, daß aus deren Bedarf unter erschwerenden Ver- Mnissen eine unbegrenzte Möglichkeit entstanden ist, deren Ursprung nicht unter allen Umständen ein Krieg sein muß, andern auch Mangel, Spekulation usw. sein kann. Es ist chon in Friedenszeiten zu konstatieren gewesen, daß viel- sisuchte und beliebte Nahrungsmittel an ihrer ProduMons- und Versandstelle knapp waren, während auf den Zentral märkten erhebliche Vorräte zum Verkauf standen. Die großen Städte haben den Reiz eines schnellen Umsatzes für sich und zu Zeiten, freilich nicht immer, die Annehmlichkeit höherer Preise. Diese Umstände können sie heute als einen Magnet erscheinen lassen, der, auf das nötige Kapital gestützt, alles an sich heranretßt, was er bekommen kann. Wenn die aroß- städtischen Märkte so viel kaufen könnten, so viel sie wollten, so würde in der „Provinz" Knappheit bestehen resp, diese würde zu erhöhten Preisen aus der Großstadt zurückkaufen müssen. Und dagegen sträubt man sich draußen natürlich. Damit haben wir bis Erklärung für mancherlei Er scheinungen, über dis heute hin und her debattiert wird, und die nur.dadurch beseitigt werden.,könne«. Latz wirMn». Konsequenzen zu zleyen. Die Flut der Aufgnven mutzte schließlich dem hochbegabten Staatsmann, dessen Ge sundheit den Strapazen zu erliegen drohte, über den Kopf wachsen. Der scheidende Staatsmann aber bleibt dem deutschen Volke auch nach seinem Rücktritt ein leuchtendes Vorbild als ein Mann, der in unablässiger Arbeit das Beste aewollt und dem höchsten Luaestrebt hat. Ein Mahnruf in ernster Zeit. Goldene Worte sind es, mit denen der Münchener Polizeipräsident Freiherr von Grundherr in einer öffentlichen Versammlung die Sünden rücksichtslos bloßstellte, die in dieser schweren Zeit von gewissen Kreisen begangen werden. Nach einen Bericht der „Tägl. Rundsch." warf der Polizei präsident einleitend die Frage auf: Ist sich die Bürgerschaft voll bewußt, daß die Heimat der Rückhalt der Truppe ist, daß Geist und Seele der Daheimgebliebenen stets erneuernd und erfrischend auf die wirken müssen, dis fim Felde stehen? Legt das Münchener Leben nach außen Zeugnis ab von einer solchen Mitarbeit? Erst vor einigen Tagen sagte mir ein Feldgrauer, der auf kurzen Urlaub in München weilte: „Ich halte es hier nicht länger aus, ich kann das Lotterleben nicht mitansehen bei all den schweren Opfern, die wir draußen täglich bringen müssen!" Die Truppen empfinden ihren Kampf als Kampf für höhere Güter, für Veredlung und Kultur. Es berührt sie peinlich, wenn sie in der Heimat das Gegenteil von dem wahrnehmen. Man darbt gern für Freunde der Einfachheit pnd Mäßigkeit, man stirbt ger n für deutsche Schlichtheit und deutschen Idealismus. Aber für Wucherer und Genußjäger, für selbst süchtige oberflächliche Lebemänner und 'Ham st er, für eitle, kokette Frauen Opfer zu «ringen, fällt schwer, weil sie des Opfers nicht würdig sind. Folgende Gegenüberstellungen machte der Redner: Mustkveranstaltungen am Nachmittag in den Kaffehäusern, wo aufgeputzte Frauen, Mädchen und Kinder, gepaart mit leichtsinnigen Lebemännern, um teuren Preis in Üppigkeit schwelgen. Auf der anderen Seite die 40 00 bis 5000 Kriegerfrauen und Kleingewerbe treibenden, die sich an jedem Markttag in den frühesten Morgenstunden, schon von 1 Uhr ab, am Viktualienmarkt ansammeln, um am nächsten Morgen in der Freibank ein Stückchen Fleisch um einen Preis zu erhalten, den sie Erschwingen können. Geduldig und ohne Murren harren sie p bis 8 Stunden, bei jeder Witterung in dürftiger Kleidung, Li« die Reibe an Le kommt! Und wenn, wie dies käst regelmäßig der Fall ist, für 800, 400 und 500 nichts übrig bleibt, so fügen sie sich ruhig in ihr Schicksal. Diese Armen und Ärmsten üben Selbstzucht und Zurückhaltung. Ich verweise, so fuhr der Polizeipräsident fort, auf das Wohlleben vieler reicher Familien, für dis der Krieg nicht zu existieren scheint. Sie halten ihre Gaste reien wie im Frieden, und gewinnsüchtige Geschäftsleute ermöglichen diese Schlemmereien durch heimliches Zusenden der nötigen Leckerbissen. Erwähnen möchte ich ferner einig« Lebemänner, die es verstanden haben, ihre U n« abkömmlich keit nachzuweisen, und dann neben ihrem Wohlleben ausschließlich dem Jagdsport und sonstigen Vergnügungen huldigten. Das liebe Ich war ihre einzige Sorge. Es ist gelungen, sie in den Schützen graben zu versetzen. Ich könnte viel erzählen von dem Treiben in den Bars und Animierkneipen, von nächtlichen Gelagen und wüsten Zechereien und grenzenloser Verschwen dung, von Fällen, die in unserer ernsten Zeit zum Himmel schreien. In markigen Worten geißelte Freiherr v. Grundherr die Wucherer. Die Preisangebote, die sogenannte große Handelsgesellschaften und Großfirmen stellen, übertreffen mit unter den schamlosesten Wucher, den man sich denken kann. Es werden knappe Artikel zu furchtbaren Preisen angeboten. Ein kräftig Wörtlein siel auch für die Modedamen ab, die nach dem bekannten Erlaß des Präsidenten, wenn sie gar zu auffällig gekleidet gehen, von den Sicherheitsbeamten in Haft genvmrnen werden. Viele deutsche Frauen wissen im zweiten Kricgsjahr nichts Besseres zu tun, als sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie sie sich für ihre Kleidung neue Formen schaffen oder welche Parfüms sie künftig zu benutzen Laben telwngsn vornehmen, dts großstädtische Bezirke ohne Land wirtschaft und andere mit ländlichem Betrieb fest abgrenzen. Wir sehen heute, daß in dein mehr Ackerbau treibenden deutschen Süden, der auch weniger Bevölkerungszentren hat, Lie Fleischvsrsorgung weniger umständlich wie im Norden ist, daß es also ein Mittel gibt, welches aus den Beschwerde« heraushilft. Die Abgrenzung ist eine Notsache, und zwür in gewissen Kreisen, denn sonst kommt eine Großstadt der andern ins Gehege, und damit kommen die Kleinstädte in Bedrängnis, deren Bewohner nicht die hohen Preise zahlen können wie die der Großstädte. Dev ANStzungerrmgstrteg den Steg buingy«, Ihre militärische Ohnmacht gegenüber Deutschland und den ZsNtralmächten haben die Ententestallten er kamst: deshalb setzen sie ihre ganze Hoffnung aus den Aushungerungskrieg den sie unter brutaler Rücksichtslosigkeit auch gegen bis Neutralen in noch schärferer Form als bisher fortführen wollen. Die neutralen Staaten werden, wie der der fran zösischen Regierung nahe stehende Pariser „Temps" schreibt, von den Verbündeten noch immer zu gut behandelt. Es müsse, meint das Blatt, die Absperrung Deutschlands so verschärft werden, daß die Lebensmittelzufuhr aus den neu tralen Staaten nach Deutschland aufhöre, wodurch Deutsch land an der empfindlichsten Stelle getroffen und die gegen wärtig noch lückenlose Verpflegung der deutschen Armee in Frage gestellt werde. Zur Erreichung dieses Zieles sei die vollste Einigkeit und Energie der in Betracht kommenden verbündeten Behörden erforderlich. Mit albernen Witzen über das deutsche K-Brot, das sich in der kritischen Zeit voll kommen bewähre, tue man dem Gegner nicht weh. Cm -Vortrag Amerikas mit Prerrtzsrr aus dem Jahre 1785 sichert für den Fall eines Krieges der Zivil bevölkerung des Gegners volle Bewegungsfreiheit zu und fährt dann fort: Alle Handelsschiffe sollen frei und unge hindert hin und her fahren. Die beiden vertragschließenden Machte verpflichten sich, keinen Kaperschiffen Kommissionen zu geben, die sie berechtigen würden, Schiffe mit Produkten, die zur Notdurft, Bequemlichkeit und Annehmlichkeiten des Lebens gehören, zu nehmen, zü vernichten oder ihre Reift m kemmen. Zur Bekämpfung der Mißstände äußerte sich der Polizei präsident folgendermaßen: Bet aller Anerkennung der General kommando-Erlasse und aller organisatorischen Befähigung unseres Volkes genügen die Zwangsverordnungen und Sicher heitsmaßnahmen allein nicht. Alle Tüchtigen müssen an der Erziehung und Veredelung der Schwa chen und namentlich unserer Jugend Mit arbeiten. Vaterlandslose Selbstsucht und niederträchtige Habsucht dürfen nicht mit Kopfschütteln Hingenomnien werden. Alle sind berufen und verpflichtet, offen und laut aufzutreten gegen diese Sippen und sie fühlen zu lassen, wie verächtlich sie sich machen als Angehörige des deutschen Volkes, daß sie unwürdig sind des deutschen Namens. Wenn irr diesem Sinne alle Berufenen an die Arbeit gehen, dann wird es gelingen, allenthalben Ernst und Würde zu wahren, deren unsere schwere, aber auch große Zeit dringend bedarf. Rundschau. Clemens Delbrück, der zurückgetretene Staatssekretär des Reichsamts des Innern war am 19. Januar 1856 als Söhn des Kreisphysikus und Geheimen Sanitätsrats Dr. Ernst Delbrück in Halle geboren worden, steht also jetzt im 61. Lebensjahre. Mit 21 Jahren ist er Referendar, mit 29 Landrat de, westpreußischen Kreises Tuchel, sieben Jahrs später ist er Regierungsrat für das landwirtschaftliche Dezernat im Danziger Oberpräsidium. Als solcher lenkte er durch fein ausgezeichnetes Verwaltungstalent die Aufmerksamkeit in dem Naße auf sich, daß die liberale Stadt Danzig nach Baunbachs Tobe den konservativen Regierungsbeamten init Einstimmigkeit zu ihrem Oberbürgermeister wählte. Im Jahn 1901 lernt der Kaiser. Herrn Delbrück kennen und durchschart sofort, ähnlich wie s. Zt: bei dem Frankfurter Oberbürgermeister Miqel, die Tüchtigkeit des Mannes. Schön ein Jahr später ist Delbrück, erst 46 Jahre alt, Oberpräst- dent von Westpreußen. Seine Tätigkeit als solcher aalt namentlich der Ostmarken- und Ansiedelungspolitik. Schön tzrei Jahre später wurde er nach dem Rücktritt des „langen Möller" preußischer Handelsminister. In dieser Stellung widmete er sich vornehmlich der Bergarbeiterfrage. Zweimal brachte er eine Berggesetznovelle ein; aber auch bei der zweiten, die nach dem schweren Radboder Grubenunglück, dem 841 Grubenarbeiter erlagen, dem Landtage unterbreitet wurde, kam nur ein Kompromiß zustande. Als am 14. Juli 1909 Fürst Bülow zurücktrat und Herr v. Bethmann-Hollweg Reichskanzler wurde, rückte Delbrück zum Staatssekretär des Reichsamts des Innern auf. Die Reichsversicherungs ordnung, durch die alle Zweige der Versicherungsgesetzgebung zusammengefaßt sind, und die Versicherung für Privatbeamte sind hier sein bleibendes Werk. Auch in der Wohnungsfrage sowie auf den anderen zahlreichen Gebieten des weitver zweigten Reichsamts hat er Hervorragendes geleistet, so daß die Spur von seinen Erdentagen nicht untergehen kann. Der Deutschs Reichstag setzt seine Beratungen nach dreitägiger Pause, die den Kommissionen Muße zur Bear beitung ihres reichlich bemessenen Pensums bietet, am Mitt woch fort. Der Beschluß des HauseS in der letzten Sitzung, dem Strafverfahren gegen den Abg. Liebknecht freien Lauf zu lassen, war nach dem Kommissionsanirage und der Stimmung, die gegen den von der eigenen Partei abge- fchüttelten Herrn Liebknecht wegen der hochverräterischen Reden allgemein herrscht, mit Sicherheit zu erwarten. So bereitwillig der Reichstag die parlamentarischen Vorrechte einer Mitglieder ohne Anschauung der Parteizugehörigkeit chützt, so findet doch auch dieses Bestreben an den Voraus- etzunqen für die Sicherheit des Reiches seine Grenze. Wie Liebknecht selbst, so ist auch der Reichstagsbeschluß, in Sachen dieses Abgeordneten eins Ausnahme von der grund sätzlich hochgehaltenen Regel. In der Kommission wird nach dem Eindruck, den die allgemeine Besprechung hinterließ, eine Verständigung über die Novelle zum Reichsvereinsgesetz, die den Gewerkschaften größere Freiheiten einräumt, erzielt werden. Kein StimnmngSumschwrmg in Persien zugunsten der Entente. Um zu beweisen, daß in ganz Persien ein Ismschwung der Stimmung zugunsten Rußlands und Eng lands eingetreten sei, haben russische und französische Blätter in den letzten Tagen die Nachricht verbreitet, einige mächtige persische Stammeshäupter hatten im Einvernehmen mit den Russen eine Anzahl schwedischer Offiziere der persischen Gen- Zur AushungcriMg-poMir Deutschlands bemerkt norwegische Blätter, die Hafen an der norwegischen West küste seien überfüllt mit hunderttausenden Tonnen Heringen und Dorsch. Nach Deutschland ging vom diesjährigen Fang so gut wie nichts, da die Engländer und Franzosen gegen. fabelhafte Preise alles aufgekauft haben. Es ist widerwär tig anzusehen, daß man ausgezeichnete Nahrungsmittel, wohl im Werte von 60 Millionen, in dieser teuren Zeit wegen Englands Aushungerungspolitik gegen Deutschland in den norwegischen Fanghäsen zu Guano verkommen läßt. Versorgung mit Seefischen. Die Einsetzung von Marktkommtssionen für den Seesifchhandel stellt die „Nordd. Alla. Ztg." in Aussicht, indem sie zu den Klagen über Zu rückhaltung und Preistreibereien auf diesem Gebiete schreibt: Hier und da sind bedauerliche Fälle auch tatsächlich nachge wiesen. Bei den starken Schwankungen, die der Preis der Seefische aber, je nach der Witterung und je nach den unter ihrem Einfluß vermehrten oder verminderten Fängen, sowft endlich je nach den örtlichen Verhältnissen erfäyrt, ist hier eine einmalige und einheitliche Preisregelung so gut wie ausgeschlossen, die Feststellung und Konwolle der Preiss vielmehr, wenn überhaupt, nur örtlich denkbar. Dem Ver nehmen nach steht denn auch ein Eingreifen der Landesre gierungen, zunächst der preußischen Ressorts, zu erwarten, sei es durch Einsetzung von Marriwmmissioncn an den wich tigsten Hasenplätzen, sei es durch Syndizierung der Fischer, Organisation der Zufuhren oder ähnliches. Jugendwehr in der Türkei. Auch die Türkei hat jetzt ähnlich der Bewegungen in den verbündeten Ländern Bestimmungen über die Errichtung von Jugendwehren er lassen. Die Mannschasten der türkischen Jugendwehr zer fallen in zwei Klassen; die erste umfaßt die jüngeren Knaben im Alter von 12—17 Jahren, die zweite wird aus Voll-, kräftigen, die älter als 17 Jahre sind, gebildet. Jeder ge eignete Osmane muß laut „Münch. N. N." an den Übungen teilnehmen, die für dis Organisation festgesetzt find. Die Korpskommandos haben die Jugendwehr zu organisieren, f Ausgebildete Jugendwehrmannschaften erhalten nach veson-! derer Prüfung ein Zeugnis und genießen beim aktiven Dienst »ine Rech« von Vorteilen. "
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)