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Rabenauer Anzeiger : 01.06.1916
- Erscheinungsdatum
- 1916-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-191606016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19160601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19160601
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1916
-
Monat
1916-06
- Tag 1916-06-01
-
Monat
1916-06
-
Jahr
1916
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Die letzte Kriegswoche. Dev -ehrliche" Makler. Der Ministerwechsel. Bon -en Parlamenten. Ruhlands Ohnmacht. Frankreichs Verzweiflung. Die Vergeltung für Italien. Wenn ein gar zu kecker Junge seine verdiente Lektion kort hat, bei der handgreifliche Spuren hinterbtieben sind, bann rennt er zur Mutter und schreit: „Ich habe keine Schuld, der andere hat angefangen." Und dann beteuert er wohl gar noch, was für ein Unschuldsengel er sei und wel ches Lammesaemüt er besitze. So hat sich bekanntlich der englische Minister des Auswärtigen Sir Edward Grey auf geführt, und seine Landsleute, die in ihm das Muster aller staatsmännischen Weisheit sehen, werden ihm zumeist ihr Einverständnis erklärt haben, da sie es genau so machten, wie ihr Vorbild. Herr Grey hatte sich in seinen Entschuldi gungen sogar noch weiter zur Behauptung verstiegen, daß England gar nicht daran denke, Deutschland zu vernichten. Wenn das so fortgeht, kommt er wohl gar noch zu der Aufstellung, daß die Kriegserklärung gar nicht für Deutsch land, sondern für den einstmaligen Großmogul von Indien bestimmt gewesen sei. Daß der Reichskanzler sich nochmals die Mühe gegeben hat, dies und anderes Gerede abzutun, verdient alle Anerkennung, wenn auch Herr Grey und Konsorten nur durch Schicksalsschläge bekehrt werden können. Aber wir merken, daß der Krieg nicht spurlos an ihnen vorübergegangen ist, wie sie gern glauben machen möchten, und sie werden ihn auch bald noch stärker einpfinden. Die amerikanische Friedensstimme, die zu uns herüber klang, konnte unter den heutigen Verhülllnpen leider auch keinen großen Eindruck machen. Präsident Wilson, der nach seinen Worten den Frieden vermitteln möchte, braucht nur von den Worten zur Tat überzugehen, um ein ehrlicher Makler zu sein, wie einst es Bismarck war. Dem ist freilich sein Maklertum auch nicht von jedem gedankt worden, aber er batte in der Brust das Bewußtsein, das Rechte getan zu haben, und das kann dem Präsidenten der grüßmächtigen nordamerikanischen Republik auch genügen. Jedenfalls hat es Präsident Wilson in der Hand, seinem Friedenswunsch den kräftigen Nachdruck zu geben, indem er sich auf die Pflicht der strengen Neutralität besinnt, der er längst hätte folgen sollen. Sobald er mit einem Federzuge dekretiert, daß die Ausfuhr von Waffen und Munition an einen der Krieg führenden Staaten verboten ist, erscheint das Ende des Weltkrieges in eine greifbare Nähe gerückt. Mehr können auch die Vereinigten Staaten gar nicht verdienen, denn der neue Friede gibt ihnen den gesamten Welthandel frei und verschafft ihnen damit Einnahmen, welche die kühnsten Er- marlunaen und selbst den heutigen Waffenprofit noch über steigen dürften. In dem in der letzten Woche vollzogenen Amtswechsel unter den führenden Männern in der Reichsregierung, der durch die Erkrankung des Staatssekretärs Dr. Delbrück her- bsigeführt worden ist, liegt ein neuer Beweis dafür, baß Deut chland willens und im Stande ist, dem Krieg bis zu dem für uns siegreichen Ende durchzuführen. Es ist nun auch Zu erwarten, daß die neue Organisation der Kriegser nährung in wünschenswerter Weise funktionieren und damit alle berechtigten Wünsche erfüllen wird. In militärischer, wirtschaftlicher und finanzieller Beziehung ist das Deutsche Reich für jede Kriegsdauer gerüstet, und die neuen Männer innerhalb der Retchsregieruna verfügen über ein reiches Kapital an Vertrauen, mit dem sie rechnen können. Wie unsere Gegner sich damit abfinden werben, wird sich bet ihren wachsenden Ansprüchen bald genug zeigen. Auch bas reiche England kann sich das Geld nicht aus der Lust herausgreisen! Die ReichstagSverbandlungen nähern sich dem Abschluß. Nachdem über die Kriegssteuervorlagen ein Einvernehmen erzielt ist, liegen keine Gesetzentwürfe mehr vor, die lang wierige Debatten nötig machten. Auch die neue Kriegs anleihe von zehn Milliarden, mit der das erste halbe Hundert von Kriegsmillmrden voll wird, ist im voraus schneller und einmütiger Erledigung gewiß. Abgesehen von der sozial demokratischen Arbeitsgemeinschaft, wird der Reichstag ein stimmig bas nun einmal unumgängliche Erfordernis aner kennen und die neue Vorlage bewilligen. Auch der preußische Landtag wird seine Pforten früher schließen als eine Zeit lang angenommen worden war. Nachdem aus dem Neichs- Kriegssieuergesetz die nochmalige Erhebung des Wehrbeitrages uud die Heranziehung des Mebreinkommens, die in der »tl k >»« »il, i'-—'"«—» ersten Lesung von dem tzaupiausschuß des Reichstags be schlossen waren, fallen gelaffen worden sind, wird der dem preußischen Landtage vorliegende Entwurf über Steuer zuschläge und Ergänzungssteuer voraussichtlich ohne beson dere Schwierigkeit zur Verabschiedung gebracht werden. Daß man auch im Preußenparlament auf einen beschleunigten Schluß der Tagung rechnet, geht auch daraus hervor, daß das Herrenhaus seine ursprünglich erst für den Ausgang des nächsten Monats in Aussicht genommene Sitzung bereits auf den 8. Juni anberaumt. Im Reiche wie in Preußen ist daher der Eintritt der Parlamentsruhe bis Pfingsten zu erwarten. Die Kriegssäulen, an die sich England lehnen wollte, geraten immer mehr ins Wanken. Die Russen sitzen in der Klemme, Frankreich blutet am Aderlaß von Verdun, der immer größere Dimensionen annimmt, und Italien sieht mit Bangen, wie die österreichisch-ungarischen Truppen aus den Alpen in die Po-Ebene herabsteigen, die der Schauplatz so zahlreicher Siege der Heere der habsburgischen Monarchie über die Htaliener gewesen ist und jedenfalls in naher Zu kunst erneut sein wird. Zur Stunde verhehlt die italienische Regierung dem Lande noch die Wahrheit, aber dieser Schleier wird bald genug fortfallen. Was Rußlano betrifft, so glaubt dort selbst niemand mehr an die Möglichkeit einer Wendung des Kriegsglücks. Die Stimmung wird von einer alle Kräfte des Landes lähmenden Gleichgültigkeit beherrscht. Die unter unfähigen Führern stehenden Truppen des Zaren haben den letzten Rest von Kampfesfreudigkeit eingebüßt und müßten wie eine Hammelherde gegen die uneinnehmbaren deutschen Stellungen getrieben werden, falls die russische Heeresleitung sich über haupt noch einmal zur Aufnahme einer allgemeinen Offensive entschließt. Im Westen schreitet unser Angriff bei Veroun langsam, aber beständig vorwärts. Es dauert bei dem mo dernen Festungskrieg, zu dem die Kämpfe um Verdun ge worden sind, tagelang, bis die Artillerie durch unaufhörliches Feuer eine feindliche -PofiUon dermaßen erschüttert, outz gegen sie die stürmende Infanterie mit Sicherheit auf den Erfolg angesetzt werden, kann. Hat die Infanterie aber einen neuen Punkt erobert, so muß sie ihn erst befestigen und in einen solchen Zustand versetzen, Laß er ihr nicht wieder ent rissen werden kann. Erst bann kann die Artillerie wieder aufs neue in Tätigkeit treten. Auf diesen! mühsamen, aber sicheren Wege sind unsere Helden bis an die zweite Ver teidigungslinie von Verdun hsrangedrungen. Wenn der Präsident der Republik Potnearee und der Ministerpräsident Briand gleichwohl noch von dem endgültigen Siege der Entente faseln und heilige Eide leisten, daß Deutschland niedergezwungen weiden wird, so müssen sie sich jetzt schon von ihren eigenen Landsleuten sagen lassen, daß Siege nicht durch Worte, sondern durch Taten errungen werden, und daß Frankreich endlich Taten sehen wolle. Die erwartete englische Hilfe, auf die die Franzosen so zuversichtlich gehofft hatten, hleibt beharrlich aus. Im Westen trugen wir unsern Angriff im ersten Kriegs jahr durch Belgien und tief in Frankreich hinein, im zweiten Kriegssommer besetzten wir nnt unsern Verbündeten ganz Polen, viele Teile Rußlands und Serbiens. Der dritte KriegSsommer beginnt mit der alles Erwarten übersteigen den durchschlagenden Offensive der Österreicher, die in noch nicht zwei Wochen geradezu erstaunliche Erfolge davontrugen. Italien zittert vor einem Einfall unserer Verbündeten in die Po-Ebene, König Victor Emanuel soll mit seinem Stabe Udine bei Nacht und Nebel verlassen und das Hauptquartier in dir Nähe von VenHig verlegt haben. Statt der gr- Plauten rauschenden Gedenkfeiern zum Jahrestage des Krie ges verkriechen sich die italienischen Kriegsschürer hinter dis erlogenen Berichte Cadornas, die auch nicht einmal den Rüchug der Italiener in die Hauptstellungen leugnen kön nen. Salandra und Sonnino rufen ihre neuen Verbündeten um Hilft an, erhallen aber nur Spott und Hohn zur Ant wort. Selbst die b^cheidenr Bitte, die für den 6. Juni anberaumte Pariser Wirtschafts-Konferenz mit Rücksicht aus die augenblickliche Unabkömmlichkeit der italienischen Minister wenigstens um ein paar Wochen hinauszuschieben, wird ihnen mit der lakonischen Begründung abgeschlagen, man könne den australischen Premierminister nicht warten lassen. In Mesopotamien ist die Lage für unsern tückischen Ver bündeten fortdauernd günstig. Da unsere Feinde mittler weile auch die Möglichkeit der Aushungerung Deutschlands haben aufgeben muffen, so ist es schlechterdings unerfindlich, auf Grund welcher Erwartungen sie auch heute noch zur Fortsetzung dieses schrecklichsten Krieges entschlossen zu sein erklären. Präsident Batocki in der RelchslagskommWon. .Der neue Präsident des Kriegsernähiungsamtes, Exz. v. Mtocki, besuchte am Donnerstag den Hauptausschuß des ReichNags, der sich mit den Ernührungssragen beschäftigt und erklärt hatte, seine Beratungen könnten wesentlich ao- Zekürzt werden, wenn der Präsident des Kriegsernährungs- mntes kein Programm bekannt aeben wollte. Herr v. Batock Mhrte kn seiner Ansprache aus, man dürfe nach Lage bei Verhältnisse nicht eine plötzliche Änderung und Besserung aller Verhältnisse erwarten. Die Volkswirtschaft-, lichen Verhältnisse seien so rerwickelt und zart, daß sie weder mit einem Faust schlag noch mit einem Fingerdruck ohne weiteres geändert wer den können. Es seien ihm bereits so zahlreiche Zuschriften maegangen und Wünsche geäußert worden, daß ihre Er- Grey über Bethmann. ... Der englische Minister des Auswärtigen Grey läßt die jüngsten Darlegungen des deutschen Reichskanzlers, daß Deutschland frieofertig sei, daß der Friede jedoch nur auf Grund der Kriegslage abgeschlossen werden könne, wie jede Krtegskarte sie darstelle, durch sein Organ, die „Westminster Gazette" beantworten. Wer etwa nach den friedlichen Tönen, die Grey jüngst anschlug, erwartet hätte, daß der Leiter der Auswärtigen Politik Englands sich gewandelt habe und geneigt wäre, der Wahrheit die Ehre zu geben und auf der Kriegslage entsprechende Friedensverhandlungen ein zugehen, der hätte sich in einem schweren Irrtum befunden. Grey ist der Alte geblieben. Er ließ erklären, die Darstellung des Reichskanzlers beruhe auf einer Annahme, Lie ihre besondere Logik habe. Diese Log» besagt, daß irgend eine Regierung, die sich unter denen Freunde sucht, die nicht Deutschlands Freunde sind, oder den Plänen entgegenarbeitet, die Deutschland sehr am Heizen liegen, sich dadurch der Verschwörung gegen Deutschland schuldig macht. Wir sind stark an dieser Verschwörung beteiligt, weil wir uns Ruß land und Frankreich zu Freunden machten und mit ihnen verschiedene alle Fragen regellen, die allein uns und sie angingen. Das ist die Einkreisungspolitik, so fährt Grey fort, über die der Kanzler derartige Klagen erhebt. Hierzu gibt es nur eine Frage zu stellen, ob denn Deutsch land diese Einkreisung zu durchbrechen wünschte ? Und wenn es, wie Deutschland jetzt sagt, diese Einkreisung nirgend zu brechen wünschte, wie konnte Deutschland dann Unrecht ge schehen sein, wenn England und Frankreich beschlossen, das Kriegsbeil zwischen sich zu begraben und in kolonialen und asiatischen Gebieten friedlich zusammen zu arbeiten, wo sie gemeinsame Interesse hatten. Wir taten alles, um unsere guten Beziehungen zu beweisen. Unser Verhältnis zu Frankreich und Rußland schloß ähnlich gute Beziehungen zu Deutschland nicht aus und nach der Balmukonferenz und bis zum letzten Augenblick vor Kriegsausbruch erhielten wir von den deutschen Staatsmännern in dieser Hinsicht die schönsten Anerkennungen über unsere Aufrichtigkeit und guten Absichten. Der deutsche Militarismus. Der jetzige Krieg, so läßt Ehren-Grey sich weiter vernehmen, war trotz seiner be kannten Geschichte, von der serbischen Note angefangen bis zum Potsdamer Ultimatum, nach des Kanzlers Ansicht Deutschland aufgezwungen worden. Was wir unter Mili tarismus verstehen, ist das Raffeln mit dem Schwert, das Drohen mit der gepanzerten Faust und der schimmernden Wehr und die gewohnte Annahme, daß friedliche Verhand lungen über Differenzen Deutschlands seitens anderer Mächte eine Beleidigung Deutschlands seien. In Europa können unmöglich Frieden und Ordnung herrschen, so lange die europäischen Angelegenheiten der fortwährenden Diktatur unter Kriegsdrohung unterworfen sind. Den Schluß bildet Lie alberne Lüge, Deutschland hätte die russische Mobilisation, die es als Entschuldigung für sein eigenes Handeln anführt, beenden können, wenn es gewollt hätte. Wer die englische Einkreisungspolitik zu verteidigen, wer in diesem Zusammen hang von der Marokkokrise zu schweigen vermag, der hat ein so weitmaschiges Gewissen, daß mit ihm schlechterdings nicht zu verhandeln ist. Wie ist daK zugegangen? Erzählung nach einer wahren Anekdote von Charlotte Birch-Pfeiffer. 4 „Nun und — welches war denn das Ende dieses Streites?' „Es gab einen, welcher die Gräfin Alexandrine Orloff als die Schönste bezeichnete." „Nicht möglich," rief die Schauspielerin mit vor Zorn gerötetem Gesicht. „Nicht möglich — doch — doch ich kann Ihnen ja den Namen dieses Mannes nennen." „Wer die fade Blondine für die Schönste hält, mit den nichtssagenden Angen, das kann nur ein Narr — oder ein gänzlich in sie verschossener Verliebter sein." „O, der Mann, der das behauptete," ist garnicht ohne Geschmack; vor einer Stunde erst hat er mit einem Eiser, der mich in Erstaunen setzte, seine Behauptung verfochten. Der Mann ist sogar bekannt, als ein Liebling der Frau enwelt und mir nun auch als ein Kenner des weiblichen Geschlechtes." „Und ein solcher behauptete, daß Orloff die Schönste sei, von mir will ich selbstverständlich nicht sprechen — nehmen Eie es mir nicht übel, aber cs wird wohl einer sein, der sich schon überall einen Korb geholt hat und nun in den Banden der Orloff schmachtet." „Durchaus nicht." „Oder er fühlt sich durch irgend etwas beleidigt — «ein Golt, man kann einen Mann schnell beleidigen — ohne besondere Absicht und nun sucht er sich zu rä chen auf keinesfalls seine Art." „Es ist das Gegenteil von dem, was sie da annehmen ; der Betreffende hat, soviel man weiß nie einen Korb be kommen, tm Gegenteil, man hat ihn allenthalben in Dk- mrnkreisen verhätschelt und nicht zum Wenigsten auch Sie." „Wie ich — wer sollte das sein, doch nicht etwa — nein ganz unmöglich — Baron Saldern — * „Eben der ist es, der das Urteil fällte, von dem ich Ihnen eben erzählte." Eine Pause entstand; die große Verstimmung, die sich ihrer bemächtigt hatte, war der Ninon nur zu deut lich anzumerken, wenn sie sich auch nicht weiter äußerte. Der Oberst war um geeigneten Unterhaltungsstoff gekom men und wußte auch nicht gleich, mit welcher Neuigkeit er der Schauspieleren aufwarten sollte. „Baron von Saldern!" meldete jetzt mit mit schel mischen Lächeln Jeanette und blinzelte dabei den Oberst an, der über diesen Besuch der Schauspielerin nicht sehr erfreut war. Der Angemeldetr wartete, wie es bei den engeren Freunden der Schauspielerin üblich war, nicht erst eine besondere Aufforderung zum Eintreten ab, sondern folgte Jeanette auf dem Fuße, Viktor von Saldern war auf das eleganteste gekleidet, wie immer und sein Aussehen machte den vorteilhaftesten Eindruck. Die Schauspielerin erhob sich zwar und begrüßte den Eintretenden mit höflicher Zuvorkommenheit, ließ sich aber gleich wieder auf ihrem seither innegehabten Sitz nieder, sie konnte ihren Aerger nur schlecht verbergen. Viktor von Saldern sah zunächst lachend von ihr auf den Oberst und dann wieder auf sie. Ihr Benehmen ließ ihn erkennen, daß etwas Besonderes vorgesallen sein mußte und so sagte er endlich, sich gegen die Schau spielerin verbeugend: „Ich störe wohl?" Dann wandte er sich zum Gehen. „O, bleiben Sie doch — Sie stören nicht," sagte rasch die Schauspielerin, ehe er noch die Ausgangstüre erreicht hatte, denn wenn sie auch ärgerlich war, so wollte sie es doch mit einem so reichen Anbeter nicht ganz plötzlich zum Abbruch kommen lassen, zudem imponierte ihr das Auftreten des jungen Barons doch, der garnicht so aus dringlich wie die Anderen war; nur ein solcher Mann vermochte ihr einen gewissen Respekt einzuflößen, den sie sonst im allgemeinen nicht vor den Männern besaß. Sie rückte in die Mitte des Divans, auf dem sie saß, legte die weiße Hand auffordecnd auf den dunklen Sammet des Polsters nud sagte mit einschmeichelnder Stimme: „Wir haben alle drei hier Platz — bitte wollen Sie sich neben mir niederlaffen." Viktor von Saldern folgte aber dieser freundlichen Einladung nicht, sondern nahm auf einem Stuhl Platz, den er sich selbst in die Nähe des Divans rückte. „Sie haben Ihr Versprechen, mich heute vor dem Theater noch zu besuchen, zwar gehalten, aber sie haben recht lange auf sich warten lassen. Ich glaubte schon, Sie würden garnicht kommen." „Wichtige Geschäfte hielten mich ab," entschuldigte sich Viktor von Saldern. „Ach Geschäfte, wie kann man dergleichen nur oor- ziehen, wenn man sich von einer Dame erwartet weiß — und ich will Ihnen noch weiter verraten — ich habe Sie mit Sehnsucht erwartet." Sie senkte den schönen Kopf in die Hand, legte sich die Locken über die Stirn zurecht, heftete ihre' durchdrin genden und so vecführerischcn Augen auf die des jungen Mannes, sodaß das Herz Viktor» von Saldern etwa» stärker zu Klopfen begann, als es gut war für einrn Mann, der sich schon bereit erklärt hatte, zu heiraten und dazu noch eine andere als die, welcher ec grgenübersaß. „Es kommt doch daraus an, welcher Art die Geschäfte sind, die man ovrzuschiitzen hat, meine Gnädigst-," nahm jetzt der Oberst das Wort. .Auch ich hatte mich verspä tet und die Stunde überschritten, in welcher ich zu kommen versprochen hatte. Weil wir nun auf das Ges Haft zu spre chen kommen, willich Ihnen verraten, welches mich abhielt.
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