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Sasonows Rede. Hilf, wer Helsen kann! Leere Versprechungen. Nach einem halben Jahr. Wenn man Lie Rede, die der russische Minister de« Auswärtigen Sasonow soeben vor der Duma in Petersburg hielt, recht verstehen will, dann muß man sie mit der von demselben Minister vor einem halben Jahre gehaltenen Dumarede vergleichen. Damals wurde mit kühnen Worten auf Konstantinopel als das russische Ziel des Kriege« hin- gewiesen und den Regierungen der neutralen Staaten in beinahe drohender Sprache zugerufen, daß sie es vor ihren Völkern zu verantworten haben würden, wenn sie sich die günstige Gelegenheit zur Erreichung ihrer nationalen Ziele entgehen ließen und den Anschluß an Rußland versäumten. Die jetzige Rebe des russischen Ministers umschmeichelt die Neutralen in unwürdigster Weise und gipfelt in dem Stoß gebet: Hilf, wer helfen kann! Wie weit sich Rußland er niedrigt, oder waS dasselbe heißt, wie groß die russische Notlage ist, geht auS der dringenden Bitte deS Ministers an Serbien hervor, durch die Aufnahme einer kräftigen Offensive Rußland zu entlasten, und damit nicht nur Ruß land, sondern auch dessen westlichen Verbündeten, den Geld gebern, aus der Patsche zu helfen. Rußland ruft also den einstigen Schützling, um besten willen eS den Krieg herauf beschwor, zu seinem Beschützer an und droht ihm überdies mit der Entziehung der so überaus dringend benötigten Geldmittel durch England, wenn es sich nicht zu einer ener gischen militärischen Aktion aufraffe. Diese programmatische Erklärung des Ministers, die für Rußland ebenso charakte ristisch wie demütigend ist und dis volle Hilflosigkeit der Regierung und der Heeresleitung deS Zaren widerspiegelt, verdient für alle Zeiten festgenagelt zu werden. Wie ge waltig aber muß sich oaS Volk der KöntgSmörder vor kommen, wenn eS von dem riesigen Rußland um Hilfe an- aewinselt wird l DaS eröffnet Perspektiven auf die künftige Balkanpolitik, die für Rußland so ungünstig wie nur mög lich erscheinen. Nachdem der Kriegsminister Poliwanow die Notwendig keit der demnächsttgen Räumung Warschaus und der ganzen Weichsellinie der stärksten Befestigung deS Zarenreiche«, etn- geräumt hatte, war es für den Minister deS Auswärtigen nicht leicht, Worte zu finden, um Duma und Volk Rußlands aus der Verzweiflung zu reißen und zuversichtlicher zu stim men. Das, was der Minister zur Lage und zu den Aus sichten Rußlands sagte, war aber so naiv, daß eS nicht ein mal auf politische Kinder zu wirken vermochte. Was nutzt oen Russen die Behauptung Sasonows, daß Rußland nach wie vor aufs engste mit seinen tapferen Bundesgenossen vereint sei, wenn die bundcsgenostenschaftlichcn KriegSleistun- gen gleich Null sind, während Rußland selbst mit Riesen schritten seinem militärischen Untergänge entgegengehtl WaS nutzt die Verherrlichung des seit Kriegsbeginn vorbereiteten Anschlusses Italiens an den Dreiverband, wenn Italiens Eingreifen weder das siegreiche Vordringen von Deutschen und Österreichern aufzuhalten, noch den russischen Traum von der Dardanellenbezwingung seiner Verwirklichung auch nur einen Schritt näher zu bringen vermag! Gleich dem Ertrinkenden greift auch Sasonow nach Strohhalmen, wenn er durch erlogene Berichte über türkische Grausamkeiten Griechenland in den Krieg zu zerren sucht, wenn er seine Hoffnung auf Schweden setzt oder von Amerika Hilfe in seiner Not erwartet. Auf Rumäniens Anschluß an den Vier verband wagt Sasanow nicht mehr zu rechnen, wie sein Schmerzensschrei über die Wirksamkeit deutscher und öster reichischer Agenten in Bukarest bekundet, und Bulgarien er wähnt er überhaupt nicht mehr. Der Minister lenkte die Blicke der Dumamitglieder vielmehr auf Asien, kündigte krie gerische Maßnahmen gegen Persien an, wenn dieses sich nicht unter die russisch-englische Herrschaft duckte, berichtete von vorteilhaften Abmachungen über die Mongolei und stellte einen neurn Vertrag mu Japan in Aussicht. Der Hinweis SasonowS auf die Möglichkeit eine- noch festeren Bündnisses mit Japan war das einzig Greifbare an der Dumarede des Minister- deS Auswärtigen, die im übrigen lediglich aus Winkelzügen und Ausflüchten bestand und von der Durchführung Ler Kriegsorgantsatton ganz Rußlands das Heil und die endliche Vernichtung Deutsch lands und Osterreich-Ungarns erwartet. Man braucht nicht zu sagen, daß die leitenden Persönlichkeiten Rußlands aus nahmslos Vaterlandsverräter und Kapitalverbrecher sein müßten, wenn sie ohne die genügende Vorbereitung und Organisation den Krieg veranlaßt Hütten. SasonowS Ver such, Rußland als den von Deutschland widerrechtlich ange griffenen Teil darzustellen und damit die Petersburger Be hörden zu entlasten, konnte nicht einmal auf die Dumamlt- glieder Eindruck machen. Neue Organisationen aber stampft man nicht aus der Erde. Was Rußland vermochte, hat eS getan. Es hat nicht ausgereicht, und das Verhängnis geht seinen Lauf. Gegen die selbstbewußte und herrische Duma rede vor einem halben Jahr war die jetzige Rede des Ministers Sasonow auffallend kleinlaut und milde. Nach wieder einem halben Jahr klingt sie hoffentlich noch ganz anders. Vermischte Nachrichten. Die Einigkeik des vierbunde». Der englische Bot- fthaster in Petersburg ließ erklären, daß Rußland und Eng- land sich über den Krieg in voller Übereinstimmung befänden, namentlich auch über die Unmöglichkeit einen anderen, a» einen vom Vierbund diktierten Frieden zu schließen. Zwischen beiden Ländern herrschten andauernd herzliche Einigkeit und Vertrauen. England verfolge mit inniger Teilnahme die Erfolge und auch die Niederlagen Rußlands, ohne sein Ber- trauen auf den schließlichen Sieg Rußlands zu verlieren. Ebenso sei Rußlands Vertrauen auf England unvermindert. Er, der Botschafter, hoffe und glaube, daß dies auch di« Zentralmächte bald spüren würden. Die Hoffnung deS Petersburger BotschasterS Englands ist weniger wichtig alß Lie Tatsache, daß der Staatsmann Frankreich auS seinen Betrachtungen gänzlich ausschaltete. Das begreift sich, wenn man bedenkt, daß Frankreich weder mit Rußland noch mU England zufrieden ist; mit letzterem schon gar nicht. Enttäuschungen. Unsere Feinde gestehen ihre Ent täuschungen, unter denen sie schon lange leiden, jetzt offen ein, ohne daß sie daran behördlich gehindert werden. Die Regierungen der feindlichen Staaten halten den Aggenbltä offenbar für gekommen, die öffentliche Meinung auf da- Unvermeidliche allmählich vorzubereiten. So sagt ein Lon doner Blatt in seiner Betrachtung über das erste Krieg«- jabr: Es mutz zuaeaeben werden, daß das EroebntS deS ersten RriegSsayreS unsere Hoffnungen enttäuscht, vor einem Jahre glaubte in England mit Ausnahme Lord Kit cheners niemand, daß der Krieg zwölf Monate dauern könnte. Man nahm allgemein an, daß Deutschland nach einigen vorübergehenden Erfolgen durch daS Gewicht der Gegner, durch die Riesenarmee Rußlands, den hervorragen den Mut Frankreichs, der in allen seinen Soldaten lebt, den heroischen Widerstand Belgiens und den riesigen, wenn auch stillen Druck der britischen Fkotte niedergedrückt wer den würde. Die Hoffnung blieb unerfüllt. Wir sehen Deutschlands Heere im Osten siegreich und seine Front tm Westen unerschüttert. Wir finden Deutschland in fast voll ständigem Besitz Belgiens, eines großen Teiles von Frank reich und deS größten Teiles von Russisch-Polen. Unser« Feinde sollten aus diesen Eingeständnissen die logischen Folgerungen ziehen! Unsere A-Voole tauchen überall auf. Nach schwedi schen Berichten befindet sich jetzt sogar eine Anzahl von ihnen im Eismeer, daS voll von Minen sein soll, die angeb lich ein deutscher Dampfer ausgelegt hat. Durch Minen verunglückte Dampfer könne man täglich auf Land gesetzt sehen. Bekanntlich führt der weg nach Archangelsk am Nordkap vorbei. Die russische Ostseeflotte hat also die deut schen Wächter dicht auf den Fersen. — Die Versenkungen feindlicher Handelsschiffe halten an. Allein nach den bei der großen englischen Versicherungsgesellschaft Lloyds einge gangenen Verlustanzeigen sind in in den letzten zehn Juli tagen in den englischen Gewässern IS Schiffe torpedier! worben, darunter 16 Handelsfahrzeuge. Es dürften aber der LloydS-Gesellschaft nicht alle versenkten Fahrzeuge ge meldet worden sein. Nach den Berichten neutraler Blätter ist di« Zahi viel grötzer. Die letzten Versenkungen der norwegischen Amerlkadampfer haben wieder einmal gezeigt, wie England sich der Hinlerlist bedlent, um seine Schiffe vor dem Untergang zu bewahren. Der von einem deut schen U-Boot torpedierte Dampfer „Trondhjemsfjord" war von England zum Schein an Norwegen verkauft, so daß er unter norwegischer Flagge fahren mußte. In Wirklichkeit fuhr er nur auf Rechnung Englands, so daß seine Ver senkung zu Recht erfolgt ist und der Erfahrung unserer U- Boot-Kommandanten ein schönes Zeugnis ausstellt. Der Dampfer „Cubano-, wie der „Trondhjemsfjord" ein Schiff der norwegischen Amerlkaltnie, ist ebenfalls von einem deutschere U-Boot versenkt worden. Er hatte einen ttaum- inhall von über 7000 Tonnen. Schon wieder neu« Slreiks t England ist das Land der Streiks, — das wird das Schlagwort sür ewige Zellen bleiben. Kaum ist ein Streik beigelegt, so wachen schon wieder zwei neue aus. Man hätte glauben können, daß jetzt nach der „Einigung", die die englische Regierung unter so schimpflichen Umständen mit den Südwaliser Grubenarbeitern etngegangen war, Ruhe tm englischen Industriegebiet sein würde. Aber nicht genug, daß die englische Regierung bei dieser Gelegenheit einen tiefen moralischen Fall gemacht hat, stellt eS sich jetzt sogar heraus, daß nicht im geringsten an ein« Beilegung Ler Streikbewegung zu denken ist! Jetzt sinb sogar la drr grotzen Geschützfadrik Vickers Schwierig keiten mit kanadischen Mechanikern entstanden, die niedriger« Löhne erhielten als die englischen Arbeiter. Eine Anzahl der in den grotzen Schiffswerften von Velsast beschäftigten Bohrer trat in Len Streik als Protest gegen den Beschluß des Direktorium«, Arbeiter zu den Bohr arbeiten heranzuziehen, welche der Bohrer-Gewerkschaft nicht angehören. Man bemüht sich zu verhindern, daß der SlreU aus and«r« Wersten übergreist. Die Bergleute von Bristol beschäftigen sich in großen Versammlungen immer noch mit den alten Streitfragen. Wo bleibt oa die „Einigung", die Churchill mit den Ar beitern erzielt haben will! Der Papst als Friedensoermililer. Papst Benedikt wird Mitteilungen aus der Umgebung be« Kardinals Mercier zufolge nach der Entscheidung in Polen eine neue FriebenS- aktion direkt bet allen Staatsoberhäuptern der kriegführenden Staaten unternehmen, um einen zweiten Winterfeldzug zu verhüten. Nach der Niederzwingung Rußlands hätten unsere übrigen verbündeten Feinde tatsächlich allen Anlaß, jeden weiteren Widerstand als zwecklos anzusehen und sich den Friedensbedingungen der Sieger zu unterwerfen. Mit der Dauer de« feindlichen Widerstande« gewinnen die Friedens- bedingungen an Schwere. Rassisch« Avgeordne»« unter Pottrelaussicht. In ber Duma kündigte der Sozialistenführer Tscheidse ein« An frage an die Regierung an, weshalb seine Wohnung von der Polizei bewacht werde, und weshalb er sowie mehrer« andere sozialistische Dumamitglieder auf Schritt und Tritt von Polizisten verfolgt würden. Nicht genug damit, würde auch jeder unter Polizeiaufsicht gestellt, dem einer der ver folgten Sozialisten einen Besuch mache. — Die Dumapar teten der Linken forderten liberale Reformen in der inneren Politik Rußlands und bestehen auf einer Erörterung ihrer bezüglichen Anträge tm Laufe dieser Kriegsiagung. ES fft oorauSzusehen und, wie man hinzufügen kann, begreiflich, daß die Regierung auf die betreffenden Anträge nicht etn- oehen wirb. Die Abweisung der Forderungen wird jedoch M der Stunde deS großen militärischen Zusammenbruchs an der Weichsel auf die Volksstimmung nicht ohne Wirkung Kleiden. Auf einor Lüge «rlappt wurde ber englische Oberbe fehlshaber, der tn feinem amtlichen Bericht behauptet hat, daß am 80. Juli bei Hooge die angegriffene englische Stel lung noch von den Engländern gehalten wirb. In Wirk lichkeit ist die Stellung vollständig in unserer Hand. Abermals ist «in Fesselballon den Franzosen verloren gegangen. Er riß sich im Gewittersturm loZ und fiel nord westlich von Etoin in unsere Hand. Ein phanlaslischer plan Englands Aus London berichten schweizerische Blätter, baß die englischen Maschinen betriebe viele Wochen lang mit der Herstellung der außer ordentlich zahlrelcben Teile eines Riesenschuhnehes gegen Torpedos beschäftigt waren und keine Granaten Herstellen konnten. DaS Netz ist im Kanal zur Verwendung gelangt und sichert die Schiffahrt zwischen England und Frankreich wie in einem Gange. DaS Netz geht bis auf den Grund deS MeereS und läßt nur an den Küsten besonders ge schützte Öffnungen übrig. Herstellung und Versenkung deS fabelhaften Netzes kostete 1600 Millionen Mark. Ein loste» Stückchen vollbrachte ein deutscher See mann, der sich als Unteroffizier auf einem unserer Untersee boote befand. DaS Unterseeboot hatte nördlich von Schott land bas amerikanische Vollschiff „Paß of Balmaha" auf- gegriffen, das mit Baumwolle beladen nach dem russischen Hafen Archangelsk im Weißen Meer unterwegs war. Der deutsche Seemann wurde von seinem Tauchbootskomman- kanten «IS Nrilenbetaduna an Bord aelandt und übcrnabm e», den amerikanischen ReutralttätSbrecher Vach Cuxhaven zu bringen. Während der langen Fahrt war der über müdete Unteroffizier einmal eingeschlafen; sofort nahm der amerikanische Kapitän Kurs auf England, um bas Schiff und den deutschen Seemann den Engländern in Vie Hände zu spielen. Als ber Unterosfizier erwachte, stellte er zu seiner Überraschung die Änderung ber Kursrichtung fest und zwarm die amerikanische Schiffsbesatzung, wieder umzukehren. Das größte Erstaunen aber gab es, als der gewandte Seemann mit seiner Beute in dem deutschen Hafen einlief: im Innern deS amerikanischen Schiffes ver- steckt fand sich «ine aus «inen» Offizier und vier Mann bestehende englische prisenbesatzung, die bereits an Bord gegangen war, bevor der deutsche Unteroffizier sich einschiffte. Die „tapferen" Söhne Englands hatten sich ängstlich tn dem untersten Schlupfwinkel verkrochen. Vie leidende Schweiz. Durch den um seine sämtlichen Grenzen tobenden Weltenbrand sind die Einnahmen, die die Schweiz bisher mit dem Fremdenverkehr hatte und deren sie zu ihrer Existenz dringend bedarf, wenn sie nicht in Schwierig keiten kommen soll, erschreckend zurückgegangen. Einen be redten Beweis für den Rückgang deS Fremdenverkehrs er bringt die Tatsache, daß während der ersten sechs Monate deS laufenden Jahres nichl mehr als 151 prioatauko- mobile aus dem Auslande über die schweizerische Grenze gekommen sind. In ber entsprechenden Zeit des Vorjahres betrug die Zahl ber vom Auslands kommenden Automobile genau 3500. Ein großer Teil der Antos, die während des ersten Halbjahres 1S1ö die Grenze passierten, gehörte ent weder Diplomaten oder Personen, die in offiziellem Auf trage die Schweiz besuchten, und die kaum zum Vergnügungs aufenthalt ins Land kamen. In vielen schweizerischen Be trieben machen sich auch schon die verderblichen Folgen des oerlorengegangenen Verdienstes schwer fühlbar. Zwölf Söhne gefallen. Wie die „Meraner Zeitung" schreibt, starben zwölf wackere Bub'n einer Tiroler Familie den Heldentod fürs Vaterland. Alle waren Kaisersäger und stunden in den Jahren 18 bis 40. Zwei fielen in Polen, drei auf den Schlachtfeldern von Galizien, zwei wurden auf welscher Erde von Granaten zerrissen, zwei weitere fielen in Bessarabien und drei verspritzten ihr Herz blut am Stryj; überall, wo die Österreicher siegten, waren diese Tiroler dabet. wi« sich englische Kriegsgefangene benehmen. Auf dem Rittergute Hackpfüffel bet Sangerhausen griffen zwei «nbolmätzige englische Kriegsgefangene mil Spalen dea Wachtposten an, der Len einen durch Kolben schläge abwehrte, den anderen niederschoß. Der Posten, ein Lanbsturmmann, wurde in Anerkennung seines ordnungs mäßigen Vorgehens sofort zum Gefreiten befördert. valer und Muller «rmordel. In der luxemburgischen Ortschaft Kleinbettingen wurde der Zollbeamte Fetter und seine Frau tn der Wohnung ermordet aufgesunden. Die Leichen trugen zahlreiche Messerstiche. Das Bett war in Brand gesteckt worden, um durch Verbrennung der Leichen die Spur des Mordes zu verwischen. Die Gendarmerie oerhast«»« deu zwanzigjährlge« Sohn der Ermordeten, ber Buchhalter ist; er ist des Elternmordes verdächtig. „Schieber-, „Schiebergenoffen-, „Erpresser- und ander« „Höflichkeiten-. Ein Prozeß, der vor den Rich tern der Reichshauptstadt stattsand, gestattete tiefe Einblicke tn daS Treiben mancher Vermittler von Heereslieferungen, die es verstanden haben und wohl auch noch weiter ver stehen werden, so lange der Krieg eben dauern wird, im Handumdrehen Tausende zu verdienen. Ein Agent, der sich stolz „Kaufmann und Heereslteferant" nannte, war mit einem anderen „HeereSlteferanten" wegen de« Verdienstes in Konflikt geraten, tn dessen Verlauf die beleidigenden Worte „Schieber", „Schiebergenoffen", „Erpresser" und „Queru- lanten" fielen. Wie diese Leute ihr Geld verdienen, mag folgende Einzelheit beleuchten: Nachdem ein Zwischenagent, ver weiter nichts als «in etnfaches Telephongespräch ge führt hatte, für diese „Arbeit" 4ÜS0 Mark im Handum drehen verdien» hatte, war ber tn diesem Prozeß als Privatkläger ausgetretene Agent gekommen und hatte sür Tornister, für die er selbst einem anderen Agenten 3S Marl angeboren hatte, von der Heeresverwaltung 4S Mark verlang» und erhalten, so daß er, ohne «inen Pfennig eigenes Geld Labei zu riskieren, bet der Lieferung von 10000 Stück an «inem Tage soooo Mark verdien» hatte. Die eigentlichen Fabrikanten, die etwa 20 Mark für das Stück von den Agenten erhalten hatten, hat das Gericht in diesem Prozeß überhaupt nicht zu sehen bekommen. Die Verhandlung hat, wie der Vorsitzende ausdrücklich betonte, ergeben, daß es Kreise gibt, welche k;le augenblickliche Lage unsere« Staates dazu benutzen, sich in einer durch nichts ge- rechtferllglen Welse zu bereichern und ganz erhebliche Ver mögen zu verdienen. Zu diesen Leuten gehören beide Par teien. Da die tn dem zum Gegenstand der Widerklage ge machten Briefe enthaltenen Beleidigungen viel schwererer Art sind, hat daS Gericht den Prioatkläger zu 300 Mark Geldstrase und den Beklagten zu 150 Mark Geldstrafe ver urteilt. Dem Kläger wurden außerdem die Gerichlskosten auferlegt. So haben die Profitjäger ohne ihren Willen alle beide ihre „Quittung* für ihr wucherisches Benehmen be kommen. Das ENvö einer modernen Räuber band«. In Innsbruck hat fünf Tage lang rin Prozeß gegen eine aus 15 Personen beiderlei Geschlechls bestehende Ein- brecherbande stattgefunden, die im Laufe ihrer Tätigkeit für mehr als 10000 Kronen Beute machten. Die drei ver- wegensten und kühnsten von ihnen haben auch im Stubaital «inen Raubmord ausgeführt; sie haben in Gängers ein altes Bauern-Ehepaar überfallen und so schwer verletzt, daß Lie Frau starb und der Mann heute noch krank tst. Ihre Beute bestand auS einem wertlosen Ring und 1 Krone Bar geld. Die drei Hauplangeklaglen wurden zum Tode durch de« Siraug verurteil», die anderen erhielten Strafen von 10 Jahren bis zu 2 Wochen; eine Frau wurde stet- gesprochen. Cvgttlche Schmerzen. Las Poriamem wirb mii seinen fürwitzigen Anfragen der englischen Regierung so unbequem, daß Premierminister Asquith sich durch eine mehrwöchige Vertagung der beiden Häuser wenigstens sür einige Zeit Ruhe verschaffen möchte. Seine Absicht ist bekannt gewor den und hat unter den Abgeordneten und Lords ungeheure Erregung heroorgerufen, die in lebhaften Protesten zum Ausdruck gebracht wurde. Man fordert zum mindesten eine erhebliche Abkürzung der VerlagungSsrist, die Asquith mit sechs biS sieben Wochen in Aussicht genommen hatte. Die an die Regierung gerichteten Fragen sind vielfach peinlicher Natur, daS kann zugegeben werden. So war sür die Kriegsschürer innerhalb der englischen Regierung Lie Frag« «insi» liberal,« Abgeordneten sicherlich s«br unangenehm,