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Rabenauer Anzeiger : 08.06.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-191506086
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19150608
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19150608
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-06
- Tag 1915-06-08
-
Monat
1915-06
-
Jahr
1915
- Titel
- Rabenauer Anzeiger : 08.06.1915
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Der Weltkrieg. Der Zusammenbruch der feindlichen Offensive kennzeichnet die Lage im Westen. Trotz der schweren Niederlage, die sich weiße und farbige Franzosen bei ihrem Durchbruchsoersuch südlich von Neuville -nnezogen hotten, wiederholten sie mit Aufbietung aller Kräfte aus einer Frontbreite von zweieinhalb Kilometer einen erneuten An griff auf unsere Stellungen westlich der Linie Lille—Arras bei Bethune, Souchez und Carency. Unter schweren Ver lusten brach d'eser neue Versuch meist schon in unserem Feuer zusammen Da, wo es zu Nahkämpfen kam, blieben unsere Feldgrauen die Sieger. Die uns im Priesterwalde genommenen Gräben entrissen wir dem Feinde wieder, wobei dieser sehr erhebliche Verluste erlitt. Unsere Artillerie trieb bei Mourmelon le G and einen ganzen Park von Autosund Pferden in alle vier Winde und fprengte nördlich Verdun und St. Menehould feindliche Munitionslager in die Luft. panikartige Bestürzung erregte in London das Er scheinen deuifcher Lufilchiffe, von denen als Vergeltung für die Bewerfung der offenen Stadt Ludwigshafen die Werften und Volks von London ausgiebig mit Bomben belegt wurden, zumal d e Londoner Kriegsberichterstatter auS Frankreich viel Trübes melden müssen. Stecnstraate haben die Franzosen nicht in ihren Besitz gebracht. Obwohl sie unter den heftigen deutschen Angriffen schwerste Verluste er litten, konnten sie es doch nicht hindern, daß sich die Deut schen bet dem genannten Orte wieder festsetzten. Große Erfolge im Osten. Obwohl es in den Berichten vom östlichen Kriegsschau plätze in den jüngsten Wochen meistenteils hieß, die Lag« ist unverändert, beweisen die von unserem Großen Haupt quartier veröffentlichten Zahlen über die Maibeule doch, wie erfolgreich die Kleinarbeit unserer Tapferen auch auf dem Nordflügel des östlichen Kriegsschauplatzes gewesen ist. Nördlich des Njemen wurden 24 000 Ge fangene gemacht, 16 Geschütze und 27 Maschinengewehre erbeutet. Zwischen Njemen und Pilica, also der Festung Warschau gegenüber, stellte sich die Ssegesbeute aus 6943 Gefangene, 11 Maschinengewehre, 1 Flugzeug. Diesem schönen Erfolge reihten sich im Juni neue und verheißungs volle an. Fünfzig Kilometer östlich von Libau, also in der Gegend van Miiau, schlug deutsche Kavallerie bei Amboten das russische 4. Dragonerregiment in die Flucht. Bei Szawle wurden seindliche Angriffe zurückgewiejen. O«e Erstürmung von drei Außenforls der Festung przemqsl durch bayrische Truppen bedeutet den blitzartig schnellen Anfang der Wiedererberung der Festung. In den bei und westlich Dunkowiczki gelegenen Forts 10 a, Ha und 12, die dem Ansturm der tapferen Boyern er logen, wurden noch 1400 Mann vom Rest der Besatzung, sowie 2 Panzer-, 18 schwere und 5 leichte Geschütze vorgesunden, ein Zeichen, baß die Russen auf ein längeres Halten dieser Forts gerechnet halten. Die zur Abwendung des Verhängnisses im letzten Augenblick unternommenen Massenangriffe der Ruffen östlich von Jaroslau konnte das Geschick nicht mehr aushalten. Die Erstürmung des stark befestigten Ortes Stryi und der Durchbruch der russischen Stellung bei und nordwestlich dieser Stadt, wobei 53 Offi ziere und 8182 Mann gefangen, sowie 8 Geschütze und 15 Maschinengewehre erbeutet wurden, ist auf das Konto der ehemaligen Eroberer des Zwinin, Gardetruppen, Ost preußen und Pommern unter Führung des bayrischen Gene rals Grafen Bothmer zu schreiben, die dem Armeeoerbande des Generals von Linsingen angehören. Die Einschlietzung Przemysl» durch die verbün deten yeere und die Erstürmung von drei Außenforts hat die Ruffen um ihre schönste Hoffnung ärmer gemacht. Nach dem die Ruffen die Festung wieder ausgebaut und in Ver- teidigungszustand gesetzt hatten, sollte Przemysl der wichtigste Stützpunkt für die neue Front am San-Abschnitts bilden. Überraschend schnell rückten jedoch die verbündeten Armeen vor und brachten sogar schwere Belagerungsartillerie mit. In diesem Augenblick hätten die Ruffen noch mit ihrer t ganzen Besatzungsarmee nach Lemberg abrücken können, aber in dem Wahn, daß die Festung noch einmal bet einer erneut einsetzenden Offensive als Stützpunkt und Brückenkopf eine wichtige Rolle spielen könnte, und aus Furcht vor dem moralischen Eindruck dieser Räumung beschlossen sie, es auf j eine Belagerung und einen Kampf ankommen zu lassen. § Nachdem Przemysl schnell von allen Seiten einoeichlvsken Vie krasktirsm 8. Kriegsroman von Gustav Lange. 9 Die beiden Deutschen gingen noch einmal in den Ne benraum, um nachzusehen, wie Pferde und Mannschaften untergebracht waren. Dann erst gingen sie in das Her renhaus, um ihr Quartier aufzusuchen. Sie legten aber ihre Waffen zurecht, um sie sofort zur Hand zu haben, ehe sie sich zur Ruhe begaben. Dem Freiherrn v. Heydebrink aber kam trotz aller Müdigkeit der Schlummer nicht sogleich. Er mußte noch l"nqe an das Abenteuer heute Abend und an das uner- war.clS Zusammentreffen mit dem Schloßsrnulein denken. Ihre Worte klangen ihm noch in den Ohren, welche Ver bissenheit, welcher Haß gegen die Deutschen sprach aus denselben. War sie wirklich von der Schuld Deutsch lands an diesem Kriege überzeugt, oder redete sie sich diese Worte nur ein. War sie wie alle übrigen Franzosen and die anderen Feinde Deutschlands nur irregeleitet von lügenhaften Zeitungsnachrichten? Oder war es nur blinder Haß, der sich in ihren Worten kund gegeben hatte? Die Nacht verging ziemlich ruhig; es ereignete sich nichts Besonderes. Nachdem Freiherr von Heydebrink im anderen Morgen zunächst seine Dienstobliegenheiten rrledigt, die Rückkehr einer kleinen Streispatrouille abge- wartet, die Unteroffizier Bornheim mit einigen Ulanen lusgesührt und vernommen hatte, daß der Fluß hinter dem Schlosse keine Fähre oder gangbare Fuhrt zum Uebergang zu besitzen scheine, daß nach den eingezogenen Erkundigungen die Franktireurs von gestern den Fluß abwärts geflüchtet waren, hatte er vorläufig alles zur Sicherung getan. Er hielt es jetzt für schicklich, sich in die oberen Räume des Schlosses hinaufzubegeben und ließ sich dann nach einigen Zögern und Ueberlegen bei der Herrschaft worden war, setzte der Naykampf ein, dessen Heftigkeit durch die Teilnahme der bayrischen Regimenter gewiß eine beson dere Note bekommen hat. Radom geräumt? Petersburger Blätter melden, baß vor dem Andrängen der deutsch-österreichischen Streitkräfte gegen die Pilica Radom, das nur noch 45 Kilometer süd westlich von dem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt an du: Weichsel, der Festung Iwangorod, entfernt liegt, von dem russischen Truppen geräumt wurde. Die Russen bekommen danach gründlich Angst vor einem konzentrischen Sturm auf die große Werchseifestung Warschau, mit der die russische Widerstandskraft steht und fällt. Auch auf dem Nordflügel befürchtet Rußland uniiebsame Überraschungen. Die 70 Kilo meter östlich von dem äußersten Ostzipfel'der Provinz Ost preußen am Meinel gelegene Festung kowno erscheint ihnen ernstlich bedroht. Nur so erklärt sich, Petersburger Blättern zufolge, die soeben erfolgte Ausweisung von 20 000 Juden aus dem Festungsgebiet. Auch aus Kurland wurden neuerdings viele Tausende von Juden ausgewiesen und in das Innere Rußlands verschickt. Wir hören also baltuErsreuliches von -UN , ' ' v-'-n M"au., . Vie Ruftenherrschask la Lemberg steht vor einem gewaltigen Wendepunkt. Die Anzeichen, daß die Ruffen die von der unaufhaltsamen Offensive der verbündeten Armeen bedrohte Stadt selbst aufgeben wollen, mehren sich. Die um Lemberg von den Ruffen in Angriff genommenen Erb arbeiten, die anscheinend zur Verteidigung des für die russische Heeresmacht auf österreichischem Boden so wichtigen Stützpunktes aufgeworfen wurden, find plötzlich eingestellt worden. Das russische Regiment wankt bereits in allen Fugen, die russischen Handelshäuser und Banken, welche sich hier schon niedergelassen hatten, ziehen wieder fort, viel« BehS-den mardea vack« Akperow vLkleok. Die üblichen Verhaftungen, das sichere Zeichen zur oen oe» ginnenden Rückzug, nehmen ihren Anfang. In Warschau wächst die Unruhe mit jeder neuen Nachricht. Man bringt die deutschen Bombenwürfe auf Vombitza mit einer großen bevorstehenden Überraschung durch die Verbündeten in Zusammenhang. Um die schweren Niederlagen der letzten Zeit erklärlich zu machen, behaupten die russischen und französischen Berichte in treuer Kamerad schaft, daß man sich eben nur auf den Schutz Lembergs, der allem anderen vorgehe, beschränkt habe. Oie Santinie soll die Hüuptoerleidigungvfront für den kommenden großen Kampf werden. Um diesen bestehen zu können, sei es mög lich, daß sich die Lage in Polen etwas verschlechtern werde, weil dort die von neuem zusammengezogenen starken Kräfte der Deutschen nicht genügend „berücksichtigt" werden könnten. Daß auch Petersburg in die deutsche Angriffszone geraten zu sein scheint, geht aus einer Reihe geheimnis voller Begebenheiten in der russischen Hauptstadt her vor. Ebenso wie in dem Aktionsbereich unserer Zeppeline in England plötzlich verheerende Feuersbrünste auftreten, deren Ursprungsort in Dunkel gehüllt ist, machen sich auch in Petersburg gewaltige Brände bemerkbar, die zu gleicher Zeit in den verschiedenen Stadtvierteln ausbrechen. Selbst das Palais des Großfürsten Rikolai Nikolajewitsch, die Gebäude der Gendarmerie-Verwaltung und andere staat liche Gebäude gingen in Flammen auf. Oie abgeschnittenen feindlichen Landungstruppen auf Gallipoli, die seit dem Rückzug ihrer Kriegsschiffe ohne Rückhalt sind, versuchen in ihrer Verwirrung, sich durch kopflos ausgeführte Angriffe auf die türkische Streitmacht einen Ausweg zu bahnen, der sie aber nur noch näher vor die Mündungen der Türkenbatterien bringen würde. Da sie aber keine andere Wahl haben, als höchstens ins Meer gedrängt zu werden, leiht ihnen die Verzweiflung neue Kräfte. Bei Ari Burnu griffen die Landungstruppen den rechten Flügel der Türken an, aber trotzdem sich die Leichen zu Bergen häufle», wollte ihr Ansturm nicht enden. Die türkischen Soldaten, die in sicheren Verstecken saßen, wehrten diesen Verzweiflungskampf mit Leichtigkeit ab. An einer einzigen Stelle lagen hundert tote Engländer, in den Tälern kann man durch Ferngläser ebenfalls grotze Haufen regungsloser Körper liegen sehen, die unter dem glühen den Sonnenbrand schnell in Verwesung übergehen und völlig zerfallen. Im italienischen Kriege macht unser jüngster Feind immer schmerzlichere Erfahrungen. Bel dem ersten ernsteren Zusammenstoß gelegentlich eines feindlichen Angriffs auf das Plateau von Lavarone erlitten die Italiener eine empfind- ticbe Niederlage, der weitere folgen werden. Vermischte Nachrichten. Amerika liefert vergiftete Munition. Eine Waffen fabrik in Cleveland (Ohio) empfiehlt den Engländern eine neue 13- bzw 18pfündige hochexplosive Granate. Die Ver einigung von zwei Säuren, so sagt sie in einem von der i „Köln. Ztg." dem „American Maschinist" entnommenen Re klame-Artikel, ruft schreckliche Explosionen hervor. Spreng stücke, die bei der Explosion mit diesen Säuren in Berührung gekommen sind, und Wunden, welche durch sie heroorgerufen werden, bedeuten einen Tod mit schrecklichem Todes kampf „innerhalb vier Stunden", falls nicht unmittelbar Hilfe zur Stelle ist. Nach den Erfahrungen mit den in den ! Schützengräben zuständigen Bedingungen ist es unmöglich, ! ärztliche Hilfe jemandem in dieser Zeit zuteil werden zu s lassen, um den tätlichen Ausgang zu vermeiden. Es ist un- ; erläßlich, sofort die Wunde auszubrennen, falls sie im Körper ! oder im Kopf sitzt, oder zur Amputation zu schreiten, wenn ! es sich um die Beine handelt, weil es kaum ein Gegenmittel ! gibt, das der Vergiftung entgegenwirkt. Diese Erklärung reiht sich würdig den längst nach- i gewiesenen, aber von amerikanischer Seite bestrittenen Liefe- j rungen in Dumdum-Geschossen an. Wie mag es erst bei der Allgemeinheit aussehen, wenn angesehene Firmen des Landes mit Hilfe solch barbarischer oder schamloser Mittel die „Neutralität" zu einem einträglichen Geschäft unbehelligt von der Regierung auszugestalten vermögenl Ist doch die Firma, von der jene Anzeige stammt, eine der bedeutendsten Werkzeugmaschinenfabriken des Landes; kaum gibt es in Deutschland eine Maschinenfabrik, in der nicht die von ihr gefertigten automatischen Schraubendrehbänke tagtäglich Ver- Wendung finden. Gegen dle amerikanische Waffenausfuhr an Eng land und Frankreich werden in mehr als 200 großen Zei tungen der Vereinigten Staaten scharfe Protestkundgebungen Neutraler veröffentlicht. Die Artikel, die in eindringlicher und würdiger Form abgefaßt sind, tragen die Namensunler, schriften von Verlegern und Schriftleitern von 431 in aus- j ländischer Sprache in den Vereinigten Staaten erscheinenden k Zeitungen. Unter den Unterzeichnern befindet sich eine ganze Anzahl, die den mit Deutschland im Kriege stehenden Völkern entstammen. So finden wir unter ihnen 6 Fran zosen, 3 Serben, 2 Flamen, 1 Japaner, 7 Russen, 11 Finnen und 1 Letten; außerdem mag noch angeführt sein, daß 105 Italiener, 44 Polen, 48 Juden, 30 Schweden, 25 Ungarn, 11 Norweger und je 10 Spanier und Holländer das Schrift stück unterzeichnet haben. Jedenfalls ist dies neue Mittel den englandfreundlichen Zeitungen sehr ungelegen gekommen, und sie beeiferten sich um die Wette, zu erklären, daß diese ganze neue Propaganda, wenn sich auch unter den Unter zeichnern der Anzeige kein einziger Deutscher befinde, doch nur deutsche Mache und von deutschem Gelbe bezahlt sei. Herr Louis Hämmerling, der Vorsitzende des amerikanischen Vereins von Zeitungen in auswärtiger Sprache, hat sich öffentlich als der eigentliche Leiter und Macher der neuen Propaganda bekannt, für die er aus seinem Privatvermögen über 400 000 Dollar als Bürgschaft zur Verfügung ge stellt hat. Zum jüngsten Lanbsturmausruf. Vielfach herrscht Unklarheit darüber, was der neueste Aufruf des Landsturms ersten Aufgebots zu bedeuten habe, da nach allgemeiner Auffassung dieser längst aufgerufen ist. Dem ist aber nicht so. Der erste Landsturmausruf vom 1. August 1914 betraf nur den Landsturm in den Grenzbezirken und Küstengebielen. Der zweite Aufruf vom 15. August 1914 betraf dann aller dings fast alle übrigen Korpsbezirke. In vier Korpsbezirken aber fand, wie die „Tägl. Rundschau" in Erinnerung bringt, auch damals noch nicht die Eintragung in die Stammrollen m vollem Umfange statt. Auf diese vier Bezirke nun bezieht sich die jüngste Verordnung über den Ausruf des Land sturms, die durch ihre Fassung so viele Fragen verursacht hat. Ansere tapferen Schntzlruppter. Fern von der Heimat, umgeben von wilden Horden, kämpfen einige Häuflein Deutscher den Kampf gegen die feindliche Übermacht. Alle Verbindungen mit ihnen sind abgeschnitten, keine Nachricht von dem Stand der Kämpfe auf den europäischen Schlacht- feldern gelangt in ihre Einsamkeit. Auch diese braven Männer haben den Kampf mit der Lüge zu bestehen. Von England aus war die Verleumdung verbreitet worden, daß vnsere Schutztruppler in Südweflasrlka sämtliche Brunnen vergiftet hätten. Es ist erfreulich, daß diese perfide Beschimpfung durch englische Offiziere selbst Mück- melden. Das Mädchen sah den Ulanen einen Augen blick halb mit Erstaunen, halb mit Verlegenheit an, der die Kühnheit besaß ihrer Herrschaft einen Besuch machen zu wollen. Sie konnte es anscheinend gar nicht begrei fen, was ein deutscher Soldat bei ihrer Herrschaft zu su chen habe — sollte er eine Gewalttätigkeit gegen dieselbe ausführen? Dieser zweite Gedanke schoß dem unerfah renen Mädchen einen Augenblick durch den Kopf, aber sie verwarf ihn auch sofort wieder — dieser junge, schmucke Soldat in der kleidsamen Uniform und mit dem offenen ehrlichen Blick, den gebildeten Manieren konnte unmög lich einer Schandtat fähig sein, wie sie hatte erzählen hören, daß solche von deutschen Soldaten verübtwordenseinsollten. Ganz war sie aber noch nicht von der Harmlosigkeit des Vize-Wachtmeisters überzeugt, es war daher schon für alle Fälle besser, sie hielt ihn noch von ihrer Herrschaft fem. Sie entgegnete daher nach einigen Minuten in ab weisendem Ton: „Madame ist leidend, sehr leidend — wenn Sie etwas Geschäftliches haben, so ist der Herr Verwalter —" „Bringen Sie immerhin meine Karte hinein, wenn nicht zur Madame, dann zum Fräulein!" Diesen mit großer Bestimmtheit gesprochenen Worten wagte das Mädchen doch nicht zu widersprechen und so ging sie; nach einer Weile kam sie zurück und führte Freiherrn von Heydebrink in einen sehr eleganten, sonni gen, auf den Garten hinausführenden Salon; im Hinter grund war eine Portiere von braunem Sammet nieder gelassen ; er nahm an der Bewegung der Falten wahr, daß die Portiere soeben erst niedergelassen worden sein mußte — wahrscheinlich war ein Raum dahinter in dem sich die leidende Madame befand. In dem Salon saß Fräulein de Lorm in einem Korb sessel, hinter ihr stand der Verwalter, der anscheinend schnell herbeigerufen worden war, denn er sah noch ganz erhitzt, wie vom schnellen Laufen, aus. Er hatte auch noch die Karte in der Hand, durch welche sich Frechen von Heydebrink hatte anmelden lassen. Die Anwesenheit des Schloßverwalters deutete also darauf hin, daß di« Schloßherrschast nur geschäftlich mit dem Mze-Wacht- meister verkehren wollte. Der Vewalter verbeugte sich zur Begrüßung leicht, das Fräulein wies auf einen entfernt stehenden Sessel. Der Vize-Wachtmeister war doch ein wenig verwirrt; er mußte sich erst an den Anblick der jungen Dame ge wöhnen, die gestern Abend im Mondenschein einen ganz anderen Eindruck gemacht hatte — und doch war es dieselbe schlanke Gestalt mit dem hübschen Gesicht, web- ches nur durch einen etwas strengen, abweisenden Zug den günstigen Eindruck leicht abschwächte. Freilich ge stern Abend im Mondenschein hatte er dies nicht so be merken können, wie jetzt, wo die junge Dame vom Son nenlicht umflutet war. Es war dieselbe vibrierende Stimme, die bei ihrem leisen Gruß an sein Ohr drang und als sie die Arbeit, über welche sie gebückt saß, von sich schob und den Oberkörper ausrichtete, sah er, daß sie auch ganz so groß war, wie sie ihm gestern erschienen war. Nur ihre Züge die ihm gestern bleich, ernst, strenge vorgekommen, waren anders. Sie hatten freilich nicht viel Farbe, aber eine ganz gesunde, wie von einem leich ten bräunlichen Ton überhauchte Frische; sie hatten nicht viel vom französischen Typus; auch ein gewisser Ausdruck von Schelmerei, der aus ihren großen braunen Augen leuchtete und um den scharf gezeichneten Mund zucken konnte, hatte nichts gar zu strenges. Er bemerkte, daß, als sie ihre Stickerei aus ein klei nes Seitentischchen gelegt hatte und nun ein Paar Halb- Handschuhe, die dort gelegen, nahm, ihre Hände ein wenig zitterten. Er schloß daraus, daß sie eine empfindlich« Natur war, das Entgegenttetrn eines feindlichen Soldaten mochte sie in Erregung versetzen, obgleich sie von diese! Seite noch nichts von Feindseligkeit erfahren hatte.
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