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Rabenauer Anzeiger : 13.02.1915
- Erscheinungsdatum
- 1915-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- Deutsches Stuhlbaumuseum Rabenau
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id178001192X-191502137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id178001192X-19150213
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-178001192X-19150213
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Bestände des Deutschen Stuhlbaumuseums Rabenau
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Rabenauer Anzeiger
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-02
- Tag 1915-02-13
-
Monat
1915-02
-
Jahr
1915
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„Der Retter in der Not." Präsident Wilson, der Artsdcasfreund. König Dollar, der Kriegsfreund, palenlierre Kriegslisten. Teddy Roosevelt, der Schweigsame. Die feindlichen Diplomaten haben sich bisher vergeblich bemüht, einen neutralen Staat zur Teilnahme am Kriege zu veranlassen. Sie hatten ihre Anstrengungen besonders nach Rom, nach Athen, nach Bukarest gerichtet, aber überall ist die Ruhe der Kaltblütigkeit bewahrt, und es wird daran hoffentlich nichts geändert werden. Jetzt sollen die Ver einigten Staaten von Nordamerika bekanntlich den Retter in der Not spielen; die englische Regierung hofft, die Profit wut der Spekulanten drüben durch die für den 18. Februar angekündigte deutsche Blockade der englischen Küsten so in den Harnisch bringen zu können, daß sie den Präsidenten Wilson mit fortreißen. Die Verfassung der nordamerika nischen Union gibt dem Präsidenten in Washington für den Kriegs- und Friedenssall hervorragende Rechte, aber es ist zu erwarten, daß der gesunde Menschenverstand und die Geschlossenheit der Millionen Deutschen in Amerika ihren Eindruck auf die Regierung der Vereinigten Staaten nicht verfehlen wird. Seit dem 4. Mürz 1913' steht der Präsident Wilson an der Spitze der großen Republik jenseits des Ozeans. Er war lange Jahre, bevor er sich der Politik zuwandte, Unt- versitätsprofessor gewesen, war ein streng rechtlicher Mann und hatte sich stets gegen die Dollarwirtschaft und gegen eine unnützes auswärtige Politik ausgesprochen. Man er wartete non ihm namentlich, daß er dem Naubsystem der Groß So-.kulanten ein Ziel setzen würde. Aber wie so häufig, so bestand auch hier ein Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Die Politik des Präsidenten gegenüber den wüsten Unruhen in Mexiko war direkt schwächlich, und dem Rufe nach wirtschaftlichen Reformen entsprach er nur in sehr bescheidenem Maße. Vom internationalen Frieden hat er zwar oft gesprochen, aber über Worte ist er bisher nicht hinausgekommmen. Jetzt, im Weltkriege, wird die Energie des Präsidenten zum ersten Male ernstlich auf die Probe gestellt. Jeder Präsident der Vereinigten Staaten hat in dem „König Dollar", in der Sucht nach großem Verdienst, einen mächtigen, oft einen übermächtigen Mitregenten gehabt. Zuletzt hat es Präsident Roosevelt versucht, eine Bresche in diese Geldmacht zu legen, aber namhafte Erfolge sind ihm nicht beschicken gewesen. Und sein Nachfolger, der dickö William Taft, der Vorgänger Wilsons, erreichte noch weniger, Heute wird Wilson darauf hingewiesen, daß es sich nicht mit leinen Wünschen auf „Wiederherstellung des Friedens" vertrage, wenn die Vereinigten Staaten durch die Lieferung enormer Waffen- und Munitionsvorräte an eine Kriegs. Partei sowohl das Blutvergießen verlängern, wie ihre Neutralität in einem sehr bedenklichen Lichte erscheinen ließen. Zur Ehre des Präsidenten Wilson darf angenommen werden, daß er sich nicht nach der ihm von England zuge- dachten Rolle sehnt, den ^Retter in der Not" zu spielen, aber darum sollte er auch der geradezu verbrecherischen britischen Flottenmaskerade ein Ende machen. Wenn aus London gesagt wird, es stelle eine Kriegslist dar, wenn ein englischer Handelsdampfer eine nordamerikanische Flagge hisse, um einem deutschen Angriff zu entgehen, so müßte doch selbstverständlich eine gleiche deutsche Kriegslist von England respektiert werden. Deutsche Handelsschiffe müßten also unter amerikanischer oder unter einer sonstigen neutralen Flagge unangefochten den Ozean passieren können. Davon will man in England nichts wissen, und auf diesen offenkundigen Gegensatz sollte Präsident Wilson Hinweisen. Auch dem König Dollar, den Spekulanten, liegt wohl nichts an einem für den eigenen Geldbeutel empfindlichen Krieg, aber den Krieg, der anders Völker zerfleischt, den fördert er durch seine Waffengeschäfte, übrigens darf man vielleicht annehinen, daß sich Amerika das für die gelieferten Waffen gezahlte Geld bald einmal etwas genauer ansehen wird, denn in Frankreich und Rußland, auch in England, ist die Banknotenpresse gewaltig bei der Arbeit. Das zu geduldige Papier verliert doch an Wert. Es fällt uns auf, daß der Mann, der sonst jenseits deS Ozeans zu allen Tagesfragen laut sein Organ erhob, der frühere Präsident Theodor Roosevelt, sich zu den großen Fragen dieses Weltkrieges und namentlich zu der nordameri>> konischen Neutralität so einsilbig verhält. Vielleicht würde auch er den bisherigen unheilvollen Einfluß des Königs Dollar auf den Krieg nicht zu bannen vermögen, aber man lähe doch den guten Willen, den er leider nicht zu besitzen scheint. Der Weltkrieg. Gegen Warschau. Obwohl unser Großes Hauptquartier sich noch auf dit kurze Meldung beschränkt, daß außer kleinen für uns erfolg, reichen Gefechten an der ostpreußischen Grenze die Lage aus dem östlichen Kriegsschauplätze unverändert geblieben ist, darf man doch nach den übereinstimmenden Meldungen, die über Schweden, Holland und Italien fortgesetzt eintreffen, vielleicht mit einer großen deutschen Aktion gegen Warschau rechnen. Vom Weichbild Warschaus hört man den Donner der deutschen Kanonen, die auswärtigen Blätter sprechen von einem Titanenkampf. Die Russen setzen alle verfügbaren Kräfte zur Verhütung des Falles Warschaus ein. Fortwährend treffen neue Truppen und besonders starke Kavalleriemassen an der Front ein. Der Kampf soll sich äußerst blutig gestalten, bei Tag und Nacht werden immer neue Vermundeten-Transporte in die völlig überfüllten Lazarette eingeliefert. Häufig erscheinen deutsche Flieger über Warschau. Französische Kritiker meinen, daß es den Deutschen vielleicht weniger auf die Einnahme War schaus als auf den Durchbruch durch das Zentrum der russischen Front ankomwen. Alle erkennen die außerordent« liehen Anstrengungen und die bereits erzielten Erfolge der deutschen Truppen an und spenden ihren Gläubigern als einzigen Trost die Versicherung, daß die Schlacht für die Russen noch nicht ganz verloren sei. Petersburger Berichte besagen, daß die Russen hinter ihren Stellungen an der Bzura und Rawka noch eine zweite Verteidigungsstellung haben, die von der ersten durch Wälder getrennt und stärker als die erste ist. Die DeuUchen richteten ihren Vormarsch mit großer Geschick lichkeit so ein, daß sie die Wälder vermieden, und stellten in den baumlosen Gegenden ihre Kanonen massenhaft auf. um Vie russische Mauer rn durchbrechen. -7- Auch von den Oesterreichern holten sich die Russen Nwdek« lagen. In der Bukowina wurden sie 50 Kilometer weiter nach Norden gedrängt, aus den Karpathen wurden sie nach schweren Verlusten an den wichtigsten Übergangsstellen vertrieben und In Westgalizien haben sie das Spiel so völlig verloren, daß Krakau als frei bezeichnet werden kann. Die Lage in Warschau ist verzweifelt. Arbeitslosig keit, verheerende Epidemien, Hungertyphus drängen zu einer Katastrophe. Die unbemittelten Familien, die keine Miete zahlen können, werden von den Hauswirten erbarmungslos auf die Straße oetebt. Dabei nehmen die Weingelage mit Damen der Halbwelt in den vornehmen Etablissements trotz üll des Volksjammers kein Ende. Die Unterstützung der hungernden und verseuchten Flüchtlinge Polens übersteigt die Kräfte des unter dem Protektorat der Großfürstin Tatjana, der zweiten Tochter des Zarenpaares, stehenden Hilfskomitees. I Die russischen Zustände werden durch einen Erlaß des Kriegsminlsters Suchomlinow beleuchtet, der wieder holt schwerste Strafen für Fälle von Ungehorsam und Zerstörung von Kasernen-Einrlchlungen androht. Es mehren sich, so heißt es, die Fälle von Ungehorsam und Zerstörungswut in den Kasernen. Ofen, Fenster, Türen, Betten, Schränke, Klosette werden zerschlagen, Wasserhähne geöffnet, so daß die Räume überschwemmt werden, Gas leitungen verstopft, Zimmer mit Abfällen und Kot verun reinigt. Die Kasernen sind oft längere Zeit wegen der notwendigen Ausbesserung und Zerstörungen unbewohnbar. Alle Übertretungen sollen zukünftig aufs strengste bestraft werden, da Unreinlichkeit der Gesundheit nicht zuträglich ist. Im türkischen Kriege ist das Waffenglück unseren Verbündeten fortgesetzt günstig. Nach ihren Erfolgen in Mesopotamien, gegen die Engländer und in Rordpersien sowie im Kaukasus gegen die Russen, denen sie auch durch bad Bombardement Saltas auf der Halbinsel Krim am Schwarzen Meer übel mitspielten, befinden sie sich im sieg reichen Vormarsch gegen den Suezkanal. Dort hat die Vorhut der türkischen Truppen nach einem erfolgreichen Erkundungsmarsch durch die Wüste die vorgeschobenen Posten der Engländer gegen den Kanal zurückgelrieben und mit einigen Kompagnien Infanterie den Snezkanat zwischen Tussum und Serapeum überschritten. Es ist das der südliche Teil des Kanals wenig oberhalb dessen Mün dung in die Bitter-Seen. Trotz des Feuers englischer Panzerzüge und Kreuzer beschäftigte die türkische Vorhut den Feind während des ganzen Tages und klärte dessen Verteidigungsmittel in vollem Umfange auf. Ein eng lischer Kreuzer wurde schwer beschädig». Die Avant garde wird den Feind beschäftigen, bis die türkische Haupt armee elngetroffen ist und zum Angriff vorgehen kann. Grotze Verluste unserer Jeinde find das Kennzeichen der Lage auf dem westlichen Kriego- schauplatze. Nachdem dieser Tage erst bekannt wurde, daß der Gesamtverlust der Franzosen sich auf nahezu eine halbe Million beläuft, bezifferte soeben der Premierminister Asquith den bisherigen Gesamtoerlust der Engländer auf unge fähr 104 000 Mann. Es werden also noch mehr sein, wobei zu bemerken ist, daß die Zahlenangabe sich nur auf das englische Landheer, nicht auch aus die Marine bezieht. Japan fordert das Protektorat über China! Eine Anzahl neuer Forderungen Japans, darunter die Über tragung der Instruktion des chinesischen Heeres und der Marine an japanische Offiziere, die Ernennung japanischer Räte in den chinesischen Ministerien sowie die Abtretung Port Arthurs auf 99 Jahre, das ursprünglich von den Russen auf 25 Jahre gepachtet war, hat nun auch den Dreiverbandssreunden das wahre Gesicht Japans gezeigt und besonders in Rußland Bestürzung hervorgerusen. Die Weigerung Japans, Truppen nach den europäischen Schlacht feldern zu senden, hängt also mit diesen geheimen Plänen zusammen. Englische Lügen. England hatte die Weisung an seine Handelsschiffe, auf Fahrten neutrale Flagge zu hissen, in einem Geheimbefehl bekannt gemacht und damit die Unehrenhaftigkeit seiner Handlungsweise zu erkennen gegeben. Hinterher hatte bas Auswärtige Amt in London behauptet, England habe stets den Grundsatz vertreten, daß Handelsschiffe, um sich vor einem feindlichen Kriegsschiff zu retten, die Flagge irgend eines neutralen Staates anlegen könnten. Dieser Recht- ferligungsversuch besteht in einer dreisten Lüge. Die englische Gesetzgebung hat für die Flaggenhissung sehr viel schärfere Bestimmungen als die aller übrigen Seestaaten schon aus dem Grunde, weil England in jedem Seekriege der Angreifer, niemals aber der Angegriffene zu sein glaubte und daher das Kaperrecht für den Herrn des Meeres so bequem wie möglich auszugestalten suchte. E Im englischen Seekriegsrecht wird ausdrücklich betont, daß der während der Fahrl vorgenommene Flaggen- wechsel so lange der Rechlsgüttigkei» entbehr», als der neue Eigentümer noch nicht Besitz von dem Schiffe ergriffen hat. Ein in Voraussicht der Feindseligkeiten vorgenommener Flaggenwechsel muß nachweislich im guten Glauben erfolgt und unwiderruklick lein. Die Übertragung in einem blockierten Hafen ist rechtsungültig. Aus der Lom onsr Seekriegsrechts-Konferenz forderte England sehr scharfe Be timmungen gegen den Flaggenwechsel, die jedoch nicht an- genommen wurden. Und jetzt verleugnet es in seiner bet- piellosen Heuchelei alle bisher von ihm vertretenen Grund ätze, weil ihm sein Vorteil eine derartige Änderung er wünscht erscheinen läßt. Die holländischen Reeder beschlossen, ihre Regierung zu ersuchen, in London darauf hinzuwirken, daß von den eng lischen Handelsschiffen nicht die holländische Flagge benutzt werden dürfe, weil dadurch die holländische Schiffahrt schweren Gefahren ausgesetzt würde. Das Zusammengehen mit den skandinavischen Ländern wird angestrebt. Die skan dinavische Presse äußert sich mit heftiger Entrüstung gegen das unehrenhafte Verhalten Englands, durch das den wirklich neutralen Schiffen der Schutz ihrer eigenen Flagge geraubt werde. Unter falscher Flagge segeln, sei ebenso unehrenhaft, als wenn man jemandem einen falschen Paß vorzeige, um durch unrichtige Legitimierung drohendem Un gemach zu entgehen. Eine treffliche deutsche Antwort an Amerika war es, die der Rektor der Berliner Handelshochschule auf die Bitte eines deutsch-amerikanisches Blattes gab, mit anderen hervorragenden Persönlichkeiten Deutschlands Artikel zur Aukkläruna Amerikas über den Krieg zu schreibe«. Der deutsche Gelehrte dankte sür die ihm erwiesene Eyre, er klärte aber, einen Artikel nicht schreiben zu wollen, da der artige Aufklärungsoersuche zwecklos seien. Amerika richte seine Politik nicht nach Gefühlen, sondern nach Interessen, das sei sein gutes Recht. Das Mittel, unsere amerikanischen Freunde von der Güte unserer Sache zu überzeugen, find nicht Artikel von Professoren, sondern Erfolge unserer Waffen. Deshalb überlasse er die Beeinflussung Amerikas Herrn von Falkenhayn und Herrn von Tirpitz. Sie ist bei ihnen in den besten Händen. Roosevelt für den Dreiverband. Der frühere Präsi dent der Vereinigten Staaken Roosevelt hat holländischen Meldungen zufolge eine Broschüre veröffentlicht, in der er Nordamerika mahnt, an der Seite der Dreiverbandsstaaten an dem Kriege gegen Deutschland und Oesterreich- Angarn teilzunehmen. Roosevelt gehörte als Präsident zu den größten Freunden und Verehrern des deutschen Kaisers. In vereinter Tätigkeit brachten Kaiser Wilhelm und Teddy Roosevelt den Portsmouther Frieden zustande, der dem blutigen russisch-japanischen Kriege ein Ende be reitete. Roosevelt hatte damals und auch bei vielen anderen Anlässen Gelegenheit, die Loyalität der Politik des deutschen Kaisers und der NeichSregierung kennen und schätzen zu lernen. Es ist unerfindlich, wie dieser Mann sich in den Dienst der Deutschenhetze stellen und sogar Amerika zum Kriege gegen Deutschland auffordern konnte. Im Senate zu Washington wurde Mailänder Meldun gen zufolge ein Anirag eingebracht auf Einspruch der Anionsregierung gegen die mißbräuchliche Führung der amerikanischen Flagge durch England. Neuyorker Mel dungen Londoner Blätter berichten über Anschläge, die Deutsch-Amerikaner gegen amerikanische Waffenfabriken begangen hätten, um die Kriegslieferungen Amerikas an England, Frankreich und Rußland zu verhindern. — Sämt liche in 48 Großstädten für den 13. d. M. anberaumte Kundgebungen gegen die Teuerung in England wurden von der Regierung verboten. Vermischte Nachrichten. Teuerung in Amerika. Infolge der gewaltigen Aus fuhr, insonderheit nach England und Frankreich, haben die Lebensmittel in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eine solche Höhe erreicht, daß sich die 900 000 Frauen zählende Nationalliga der Hausfrauen Nordamerikas sowie die Bäckereiverbäude des Landes mit der Bitte um ein Ausfuhrverbot für Getreide an den Präsidenten Wilson wandten. Der sagte, ein solches Verbot könnte nur durch den Kongreß herbeigeführt werden. Der Kongreß ist für ein Ausfuhrverbot jedoch nicht zu haben, da durch die starke Ausfuhr von Lebensmitteln und die hohen Preise die inter nationale Handelsbilanz sich außerordentlich günstig für die Vereinigten Staaten gestellt hat. Im Dezember v. I. wurde fünfmal soviel Weizen und sechsmal soviel Mais ausgeführt wie im gleichen Monat des Jahres 1913. Die amerika nischen Exportfirmen, ganz besonders die der Woffenindu- strie, werden durch die Ausnutzung der Konjunktur zu Milliardären. Diese Aussicht zieht. Andererseits ist Amerika trotz seiner reichen Vorräte soweit, daß seine Bevölkerung bei fortgesetzter Ausfuhr in dem bisherigen Maßstabe ver hungern muß, da sie vom Gelde allein nicht leben kann. Die unvermeidliche Wandelung wird man in England und Frankreich bald schwer empfinden. LebensmiNelmange» herrsch» in England noch nichi, wie in einer Artikelserie der „Köln. Ztg." an der Hand der Statistik wissenschaftlich nachgewiesen wird. Bei Brotsrucht ist bisher kein Minus, sondern ein Plus in der Einfuhr festzustellen gewesen, Mais kommt so reichlich wie früher, Gerste und Hafer etwas knapper ins Land. Auch Fleisch, Speck, Schinken usw. find reichlich vorhanden, ebenso Fische und Käse, die Duttereinfuhr ist etwas geringer geworden. Infolge der Frachtstcigerung sind im ein zelnen Preissteigerungen ei^gctrelen. Heringe sind um 140, Schellfische um 250 Prozent teuerer geworden. Was werden die Engländer sagen, wenn ihnen in nicht ferner Zeit der Brotkorb höher gehängt werden wird! Die Butter- und Eierzufuhr aus "Rußland hat eingestellt werden müssen, ebenso nimmt die Fleifchzufuhr aus Dänemark schnell ab. Obwohl bisher on Lebensmitteln kein Mangel herrschte, er heben die verwöhnten Engländer laute Klagen; wird einmal Schmalhans Küchenmeister, dann gibt es einen Sturm gegen die Regierung, vor dem den Asquith, Kitchener und Grey schon heute bangt. In den Feldpostbriefen sollen wir unseren Freunden in den Schützengräben nichts mitteilen, was ihnen Sorgen oder Verdruß bereiten könnte. Es wird dringend geraten, Mitteilungen über die Verwundung oder Tötung Bekannter oder Verwandter bis zum Friedensschluß zu unterlassen; andererseits aber auch nichts von Ordensverleihungen an persönliche Bekannte in die Schützengräben zu berichten. Unsere Tapferen dort haben es so schwer, daß jeder von ihnen eine hohe Auszeichnung verdient, sie haben jedoch nur selten Gelegenheit, sich einzeln hervorzutun und damit zu besonderer Dekorierung vorgeschlagcn zu werden. Ein neutrales Gulachlen über die französischen Gefangenenlager, in welchem die deutschen und öster reichischen Zivilgefangenen interniert sind, beweist einwand frei die schreckliche Notlage der Gefangenen. Es heißt in dem der amerikanischen Botschaft in Paris erstatteten Bericht, daß die Internierten, Männer, Frauen und Kinder, die Ge« sängnisse nicht verlassen dürfen, es herrsche ein furchtbarer Schmutz. Die Bedauernswerten, selbst Kranke und Kinder, schlafen schon seit Wochen in ungeheizten Räumen auf Stroh. Das Essen müssen sich die Internierten selbst zube reiten, die nötigen Zutaten aber werden von der französischen Regierung so knapp geliefert, daß niemand satt wird. In dem Militärgefangenenlager in Rtom, wo etwa 200 deutsche Soldaten liegen, herrschen etwas bessere Zustände, doch müssen die Kriegsgefangenen Entwässerungsarbeiten und Straßen arbeiten verrichten. Die Trunksucht im französischen yeere richtet unter den Mannschaften so große Verwüstungen an, baß sich die Vertreter der öffentlichen Gesundheitspflege des Landes mit der dringenden Bitte um schleunige Abwehrmaßnahmen an die Regierung wandten. Trotz des Abstnthverbols sieht man überall betrunkene Soldaten. In allen Orten, wo Soldaten zusammengezogen werden, stellen sich ungezählte Schnaps buden ein, in denen sich die jungen Soldaten während ihrer Ausbildungszeit an den Branntwein gewöhnen. In der Front sind Alkoholika nur schwer zu haben; um so gieriger stürzen sich die verwundet aus dem Felde Heimkehrenden auf den verbotenen Genuß. Die Umwandlung des nüchter nen in einen trunksüchtigen Framyken vollzieht sich reißend.
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