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is»L Mittwoch, de« 1. Oktober mir pater blaß und bebend vor meinem Vater. So erregt einfach nicht zu denken, die gehöre mm et»««! i» iHv Leben hinein. Höchst unangenehm fiel e» mir auch auf, daß wir ui« eine« Einkauf bar bezahlten, wt, ich die» bisher zu tun gewöhnt war. Alle» wurde auf Rechnung «nomine« — «nd ich wichte doch, daß ich ein toohlhabende» Mädchen und von meinem mir zustehenden mütterlichen Vermöge« aste», wa» ich benötigte, zu bezahlen imstande war. Häufte da jetzt de« Herbst mit Macht einsetzte «nd es viel regnet», nahmen wir auch einen Nagen, der uni» von Tür zu Küll fuhr, — dann brach Li« „Bande" lärmend und lächelnd in rin Kaufhaus, in «in Modewarengeschäft, in eine Kunst, Handlung, zuletzt in ein Cafö oder in «ine Konditorei «in, und es entstand «in förmlicher Aufstand um un» herum, denn man hatte jedesmal rancksr-vou» verabttdet, und es fanden sich immer neue „Troßbuben" ein. Halb wider willig muht« ich doch stet« Belladonna» Geschick bewun- dern, mit dem st« e» verstand, «ine Gesellschaft von sich», acht — oft auch noch mehr Herren ganz allein In Atem zu erhalten, st« nur mit sich und ihren eigenen Angelegen heiten zu beschäftigen. Ihr schien es ganz recht zu sein, wenn ich steif und stumm neben ihr sah und nur die Fragen beantwortete, die man, höflichkeitshalber, an mich richtete, ... beiläufig bemerkt waren e« immer dieselben t ob ich mich auf Berlin fr«ue — ob ich wirklich ernstlich an eine Bühnenlaufbahn für mich dächte — ob Mir der Abschied von zu Hause nicht sehr schwer fiele... und so weiter. Einmal freilich, al» Bella in einem Last von geradezu au»g«läffe»«r Heiterkeit gewesen war Und ganze Lachsalven entfesselt hatte, so daß die Leute aus den an, stoßenden Räumen sich herzudrängten, um ihrerseits auch an diese« überströmenden Luftigkeit tetlzutthmen, rückt« sie plötzlich ganz »ah« an mich htta«, schob ihre« Arm in den mein«« und raunt« Mir in» Ohr: »Di« alle» geschieht eigentlich bloß dir zulieb» Adi-Echneckerl l Ich will dich da» Flirte« lehr««, wovon du kein' blau« Dunst hast und doch hab« mußt mit so einem Ä'sichterl! Gib nur Obacht, ich »«steh' mich sakrisch gut auf die Chos« und hab' di« Mannsleut' am Bändel!" (Forfttzung folgt.) läufig! N«u« Vir MM unserer Reise zurück find, wird sich da» »eiter« find«« — dr«I, vl«r Monate wird da» immerhin dauern!" — Nun, ha» war wontg — ab« «» war doch «in Zugeständnis, und drei, vier Monat« sind für dl« Jugend schon «in« lange Zelt. Zudem... lag in den Worten: .Dann wird sich da» Weiter« finden" nicht eine Hoffnung, «in halbes Versprechen, daß «» keine Unmöglichkeit s«l, «an werd« sich dle Dach« überlegen, mich vielleicht in Berlin lasten? — Und dann: fort von hier, wo der Boden mir unter den Füßen zu brenne« schien, — und wirklich, wirtlich mich der Kunst widmen dürfen, meinen Kindertraum wahr mach«», eine der AuSerwahlten werden ich zweifelte ja keinen Augenblick daran, sobald ich Gelegen Helt zum Studieren hatte! — Ich fiel mein«« Bat« um den Hal» und küßte ihn dankbar. Er war erfreut, verwies mich aber an seine Verlobte, der ich alle» an Dank und Anerkennung schuldig sei — ich müss« ihr schreiben und ihr da» sagen — ich müsse ihr aber durch mein Benehmen beweisen, daß ich ihr« Güte empfände, denn natürlich würde ich Bella vor meiner Abreise noch mehrfach sehen. Diese Aussicht ließ meinen Jubel sofort verstummen, aber ein Blick in meine» Vaters Gesicht belehrte mtch, daß ich mich zusammennrhmen wüste, wolle ich mir nicht den eben errungenen Vorteil verscherzen. Er verwie» mtch dann noch darauf, daß ich mich mit Onkel Erich Roland wegen de» Berliner Auf enthalte», der Pension «nd so weiter, in» Einvernehmen setzen müsse, „da «r mit seinem Herrn Bruder einiger maßen gespannt sei und keine Lust habe, schriftlich mit thm zu unterhandeln." Da» versprach ich, und die Unter redung mit meinem Vater war zu End«. — Meine Ueberstedlung nach Berlin ging nicht so rasch von statten, wt« ich e» geglaubt hatte. Zwar — Onkel Erich antwortet« mir umg«h«nd und s«hr «freut, er werd« sofort all« notwendigen Schritt« für meine Unterkunft tun, doch werde «» nicht so ganz leicht sein, «inen wirklich geeigneten Aufenthalt für «ich zu finden, da er di« sogenannten „Famlli«np«nsioaate" für mtch nicht wünsche, mich »telm«hr bet Privatleute« unterzubrtng«« hoff,. Auch zetgte «« sich, daß ich, trotz der hübschen Neuanschaffungea im Gommer, jetzt für Berlin und für den herannahenden Winter mancherlei Garderobe brauchte, und Belladonna bot sich mit Wonn« a«, mit mir — wie sie es bezeichnet« — .«dopxiLK zu gehen'. Die- war' nun eine ziemlich« Tortur für mich, der ich indessen nicht entgehen konnte, denn ich bekam e- imm« auf« neu« zu fühlen, daß mir alle» daran gelegen sein mußte, mtch mit Bella gut zu stellen, — -aß ich ganz von ihr fortan abhängig war. Zu heucheln ver mochte ich nicht, ich gab mtch «nst und zurückhaltend, ober ich widerstrebte wenigen» nicht offen, — ich schwieg zu sehr vielem, was mlr innerlich stark mißfiel, ich macht« keine Szenen, behielt mein« Ansichten und schroff«« Aussprüche für mtch, und so kamen wir leidlich mit einander zurecht. Eine immer neue Pein war es mir, mtch in Belladonna» Gesellschaft in den Straßen der Stadt zu zeigen. Sie war stet» auffallend, wenn auch sehr elegant, gekleidet, sie benahm sich auch auffallend, sprach und lachte laut, gestikulierte sehr viel und zog di« allgemeine Aufmerksamkeit absichtlich auf sich. Nach meiner Ansicht hatte sie die» keineswegs nötig, denn kaum traten wir auf di, Straße, so drehten sich schon alle Köpf« nach ihr, di, Leute zeigten sw sich gegenseitig, raunten fich ihren Namen zu, lachten und tuschelten. Daß viele sie sehr be- wunderten unterlag ja keinem Zweifel — e» äußerte sich aber dies, Bewunderung in ein« Weis«, wie ich sie bi»h,r noch nicht gekannt hatte — wie man sie einer wirklichen Dame auch sicher nicht geboten hätte. Traten wir in eilten Laden, so war schon d« Ton, in dem mein« Begleiterin mit dem Ladenpersonal verkehrte, derartig, daß « mlr fast körperlich weh tat ich verhtelt mtch meist passiv und griff nach manchen Dingen, di« un» vorgelegt wurden, in Hast und Uebereilung, nur um früher fortzukommen. Verschärft wurden solche peinlichen Situationen dadurch, daß wir unser „sdoppins" nie allein erledigten — stet» war irgend jemand von Belladonna» „Stab" dabei, entweder mein Vater oder Tom der Reimer, oder Doktor Stein brecht od«r sonst irgendeine „Herrlichkeit". Sie gab e» unverhohlen und mit Lachen zu, ohne „Hofstaat", ohne „Leibgarde" sei sie ch war, fiel es mir doch auf, wie elegant er wieder ge kleidet war und wie ihn da» doch merkwürdigerweise nicht verjüngte — «her ließ es ihn ält« erscheinen. Sein Ton und sein Wesen erschien Mir gezwungen lebhaft und munter. „Kindchen, Miesekatze, Mädel — wa» ist da» erst mal für'» Gesicht! Komm zunächst her, und hab' demen Vater lieb — ich hab' dich ja eine kleine Ewig keit nicht gesehen! Ja, ja, ich weiß — e» ist meine Schuld gewesen — oder, wenn auch nicht Schuld, jo doch mein Wille, — mach' nur nicht solche Vor» wurfsaugen, das liebe ich nicht! Also, um es kurz zu machen: ja — du darfst nach Berlin und da Rhetorik und was sonst noch lernen, ... da» heißt, eben vor Ilenes «ns aller Wett. — Der Betrug bei der Dresdner Baut in Berlia. Von der Strafkammer Berlin l wurden »m gestrig«» Montag weg«n Urkundenfälschung und Betrug« b«i d«L-Dr«Sdner Bank, an de«» Kasse,-sie sich auf sine gefälscht« Quittung und entwendete Kontroll marken 30500 Mk. auszahlen ließ««, der Kaufmann Wreschn«r zu 1 Jahr 9 Monaten Gefängnis und btt Kassenbote Thiel, d«m auch d«r Diebstahl d«r Kontroll marke« zur Last fällt, zu 2 Jahren uns 1 Woche Gefäng» ni» verurteilt. D«r Mitangeklagte Handlungsgehilfe Hart- lep, d«r grg«n da« B«rsprrch«n von E00 Mk. di« Quittung an der Kasse vorg«z«igt und da» Geld in Empfang genom men hatte, wurd« fr«igesprochen, da er von dem Betrug« keine Kenntnl» hatte, — Mordversuch und Selbstmord. In dtt Konditorei von Lop in der Oranienburgerstraße za Berlin schoß am gestrig«« Montag der Sattler Ockert seine Ge liebt«, die Köchin Hedwig Martin nieder. Auf der Flucht mrlrtzt« er den ihn verfolgenden Konditor durch «inen Streifschuß und erschoß sich dann selbst. Die Martin dürste kaum mit dem Lebe« davonkommen. Eifersucht ist da» Motiv der Tat. — Die Feuersbrunst in M «i» « rz- Hagen. Der durch den Brand in Meinerzhaaen ange- richtete Schaden wird auf wenigstens «in« Milito« Mk. geschätzt. Alle Zeitung«« Südwestfalen» haben Sammlungen eingelettet. Die Trümmer der znsammengestürzte« Häuser brennen noch immer. Ein Feuerwehrmann, ist b«t d«n Löscharbeit,» schwer v««l«tzt worden. Eine im verdacht d«r Brandstiftung stehende Person, di« verhaftet Word«» war, ist wieder sreigrlassen worden. — Sine blutig« Szene hat sich in Vtedenhofen (Lothringen) ereignet. Dort gab der Leutnant Lira» vom Fußatt.-Reg. Nr. !6 in seinem Quartier auf btt gähnen- iunker Förster von demselben Regiment drei Schall« ab, die diesen sehr schwer verletzt««. Tieg» «suchte daun, sich selbst zu erschießen, wurde ab« von Nachbarn daran gehtnden und verhaftet / « wurde i« ein,« Automobil t» haben I" Ich hatte da» Empfinden, al» ob da» Leben jetzt, bet meinen siebzehn Jahren, schon genug „zum Lanz anfspielte", — und die Perspektive der zwanzig Jahre später vermochte ich überhaupt nicht ouezudenken, — hoffentlich war ich dann längst tot! Ich entschlüpfte hastig den guten, weichen, an mir herum- upfenden und streichelnden Händen und stand «ine Minute Beilage zum Grzgeö. Dolksstmud --SSSS--SS--I--S-I-SV-S-SS— Adelheid Rolands Schicksal. Roma« »o« M. Bernhard. Machdruck»«mea.) (40. Fortsetzung.) „Sieh her," hörte ich wieder meiner Mutter Stimm« sagen, „die» ist di» Kunst — dl«» ist da» L«b«n — dies ist di« Liebel" — Und zugleich sah ich da» Antlltz ter ersten Gestalt, das war ein jung«», ernst«», schöne» Frauengrsicht — und sah da» Antlitz der zweit«» Gestalt, und das war s«ltsam»rwets« da»j«niae deS Doktor Stein« brecht, der kürzlich in unserem Hause gewesen war, . . . aber die dritte Gestalt blieb verhüllt, so sehr ich mtch müht«, auch ihr in» Gesicht zu s«h«n. Da aab ich m«iu« drrt Lilien an sie hin, — und «in« von ihn«« — dl« mittelste — schrumpfte alsbald zusammen und wurd« welk und fiel zu Boden. Die beiden andern dagegen wuchsen empor, höher und höher, und ihre schneeweißen Kelch« mit den goldenen Stempeln darin fingen an zu leuchten, und e» gab einen herrlichen Klang im Zimmer und eine« unbeschreiblich süßen Duft. Darüber wurde ich wach und lag noch lange mit wettoffenen Auge«, halb träumend, halb in der Wirklichkeit, und war wie berauscht I Den ganzen nächsten Tag stand ich noch unter dem Eindruck dieses Traume», hörte meiner Mutter Stimme, sah die drei Gestalten, meiner wartend, stehen und schlürfte den köstlichen Duft der klingenden Lilien. Nie zuvor und nie später habe ich so lebhaft und «tndruck»voll geträumt! — Daß Doktor Stein brecht mir in diesem Traum er- schien«» war, befremdete mtch nicht einmal so sehr, denn mit ihm hatten sich meine Gedanken ziemlich vtel be schäftigt. Er war, wt« schon grsagt, dir «rst« wirklich be- deutende und vielgenannte Mann, den ich bisher von An gesicht zu Angesicht gesehen hatte- sein Gesicht und sein W«s«a hatte mir Eindruck gemacht, und ich hatte irgend wie da» Empfinde«, er werde noch einmal Einfluß auf mich haben oder in meinem Leben eine Roll« spiele«. Ich hatte ihm die» in meinen Gedanken halb gern, halb un gern zug«standen — jedenfalls war mir seine Persönlich keit de» öfter» gegenwärtig gewesen. — So ging ich denn in einem seltsamen gespannte» Seelenzustand umher, — ich übte an einer Beethoven- scheu Sonate, ich stickte an einer Decke in Goldfäden und Seide, die ich für mein,« Vater zum Geburtstag an gefangen, — ich ging die „Jungfrau von Orleans" durch, die wir eben in der Literaturstund« besprochen hatten, ... aber ich war mit halbem Herzen dabet. All' mesne Nerven vibrierten in fieberhafter Spannung, und al» Mine Alt- mann eine» Morgen» in mein Zimmer trat, um mir zu melden, mein Vater wolle mtch sprechen, fingen mir dle Hände an zu zittern, und ich kam mit meinem Anzug, der noch nicht ganz vollendet war, schwer zurecht. „Gott bewahr' mtch!" sagte meine alte Getreue, schloß mir die Knöpfe und hakt« mir den Gürtel zu. „Wa» ist da» nun bloß gleich wieder für'u Getu' von dir, Heid- cl en! Gerade, als wenn dir der Kopf sollt' abgerissen werden! Wenn du jetzt schon mit Nerve« willst lo»« legen, — denn will ich dich nicht über zwanzig Jahr' sehen, wenn da» Leben dir wird zum Tanz aufgesptelt