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mehreren Werken, und auch für manches seiner unwiderstehlichen ungarisch ange hauchten Finalthemen mag der Kompo nist durch den Geigerfreund Anregungen empfangen haben. Auch die Bekannt schaft mit Robert und Clara Schumann, die sich ebenfalls zu einer wunderbaren Freundschaft entwickelte, hatte Brahms Joseph Joachim zu verdanken. In hiesiger Gegend werden die Kirschen nicht süß (Die 4. Sinfonie von Brahms) Am 25. Oktober 1885 brachte Johannes Brahms in Meiningen seine Vierte Sinfo nie zur Uraufführung. Sie blieb seine letzte Sinfonie. Unmittelbar nach Vollendung der Dritten hatte er mit der Arbeit begon nen, zwei Sommer in Mürzzuschlag brauchte er, um das gewaltige Werk he ranreifen zu lassen. Bereits im August 1884 hatte er seinem Verleger Simrock vage Andeutungen über eine neue große Orchesterkomposition gemacht. Ein Jahr später - unter den Freunden gingen schon Gerüchte um - fragte er von Mürzzuschlag aus beim Ehepaar Herzogenberg an, ob er ihnen das »Stück eines Stückes« von sich schicken dürfe. Und er fügte hinzu: »Im allgemeinen sind ja leider Stücke von mir angenehmer als ich, undfin det man weniger daran zu korrigie ren?! Aber in hiesiger Gegend werden die Kirschen nicht süß und essbar - wenn Ihnen das Ding also nicht gefallt, sogenieren Sie sich nicht. Ich bin gar nicht begierig, eine schlechte Nr. 4 zu schreiben.« Ähnlich unsicher äußerte er sich in einem Brief an Hans von Bülow, und ein Klaviervorspiel im Kreise der Freunde, darunter der Kritiker Eduard Hanslick, der Chirurg Theodor Billroth und der Dirigent Hans Richter, schien seine Sorgen zu bestätigen: Die Reaktion war kühl. Namentlich das Scherzo hielt man für wenig gelungen, und die ab schließende Passacaglia wurde als groß artiges Variationswerk zwar bewundert, erschien als Schlusssatz einer Sinfonie jedoch ungeeignet. Trotzdem ließ sich Brahms zu keiner Änderung mehr bewe gen, und auch die reservierte Aufnahme, die das Werk bei den ersten Aufführun gen in Meiningen und Wien fand, ver mochte ihn nicht zu beirren. »Mich in teressiert nun einmal eine Premiere wenig. Eher eine Aufführung nach zehn oder zwanzig Jahren - was so für un- sereinen Unsterblichkeit bedeutet«, hatte er schon nach der Klavierprobe trotzig an Hans von Bülow geschrieben. Er sollte Recht behalten - die Sinfonie setzte sich bald durch. An ihrer raschen Verbreitung hatte er selbst keinen gerin gen Anteil: Er dirigierte nicht nur die Ur aufführung, sondern er begleitete das Meininger Hoforchester, das Hans von Bülow zu einem Klangkörper von Welt rang geformt hatte, auch auf der an schließenden Tournee, in deren Verlauf er die Sinfonie in Frankfurt am Main, Essen, Elberfeld, Utrecht, Amsterdam, Den Haag, Krefeld, Köln und Wiesbaden insgesamt neun Mal dirigierte. Wenig mehr als ein Jahrzehnt später, am 7. März 1897, hörte Brahms, bereits vom Tode gezeichnet, die Sinfonie noch einmal