Joseph Joachim galt zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten Geiger und war mit Brahms seit 1853 eng befreundet. Er spielte das ihm gewidmete Violinkonzert zur Uraufführung und danach immer wieder auf seinen Konzertreisen. ben. Seit vielen Jahren war er ihm innig-freund schaftlich verbunden, und nun endlich glaubte Brahms, sich dieser enormen Aufgabe stellen zu können, denn das war wieder so eine Sache. Einerseits fehlte ihm noch die nötige Erfahrung, andererseits saß ihm auch hier wieder Beethoven im Nacken, ein Vorbild, an dem niemand vorbei kam. Vor längerer Zeit bereits hatte Brahms zwar mit viel Geduld und mit einem enormen geisti gen Aufwand ein Solokonzert komponiert, sein erstes Klavierkonzert in d-Moll op. 15 (1856/57), und aller Welt gezeigt, daß er einen hohen Anspruch auf gedanklichen Tiefgang für sich re klamierte. Doch jetzt mußte er einen neuen Anlauf nehmen und für ein Instrument schreiben, das er weniger gut als das Klavier kannte. Und schließlich war es keineswegs seine Absicht, je mals ein brillantes Virtuosenstück zu schreiben, etwas, das leider immer noch in Mode war und ihn einfach ärgern mußte. Denn Brahms hatte sich ein sehr eigenständiges Verständnis für das traditionell gewachsene Konzertprinzip zurecht gelegt: Beethoven verstand es seinerzeit als Dialog zwi schen Solist und Orchester, vergleichbar einem Verhält nis von Individuum und Gesellschaft. Im 19. Jahr hundert (von Paganini bis Sarasate) wurde der Solist aber ganz in den Vorder grund gerückt; es galt allein, den individuellen Auftritt des Solisten wirkungsvoll zu gestalten. Dagegen wendete sich Brahms demonstrativ und präferierte das sinfoni sche Miteinander: Solist und Orchester ergänzen sich und steigern sich so gegenseitig in ihrer Wirkung. Aber Brahms wußte auch, daß das