Shakespeares leidenschaftliches Lebensgefühl, seine Menschlichkeit, seinen Humor adäquat in Musik umgesetzt Solche Suiten - viele Komponisten nutzen eine alte Tradition, gewisse Ausschnitte aus ihren Opern oder Bal letten für konzertante Aufführungen zusam menzustellen - bestehen in der Regel aus einzelnen Szenen. Diese werden meist unabhängig von der eigentlichen Handlung in ein bestimmtes musikdramaturgisches Konzept gebracht und folgen somit ausschließ lich musikalischen Gesichtspunkten, ohne auf die Handlung des Hauptwerkes selbst Bezug zu nehmen. Dies Verfahren aber ermög licht es auch Dirigen ten, eine eigene Sze nenauswahl vorzuneh men, damit neue, zumindest jedoch ande re reizvolle Varianten durch eine veränderte Gegenüberstellung der verschiedenartigen musikalischen Bilder zu treffen. So geschieht es auch in unserer heuti gen Aufführung. aufgenommen und schließlich gar als untänze risch abgelehnt wurde, obwohl sich der Kom ponist immerhin bereit gefunden hatte, einige Korrekturen und Veränderungen vorzunehmen, um seine Musik „tänzerischer" zu machen. Das Leningrader Kirow-Theater - ursprünglich war das Ballett sogar für diese Bühne vorgesehen - übernahm schließlich das Werk und führte es am 11. Januar 1940 szenisch auf. Allerdings war ei ne wenig beachtete Welturaufführung bereits 1938 in Brno erfolgt, nachdem 1936 bereits Aus schnitte daraus (1. Suite) im Konzertsaal erklun gen waren und dieser Musik offenbar einen Weg geebnet hatten. Es mutet schon etwas merkwür dig an, daß gerade dieses Meisterwerk der mo dernen Ballettkunst für seine Anerkennung erst einen solchen Umweg nehmen mußte. Prokofjew war es gelungen, Shakespeares leiden schaftliches Lebensgefühl, seine tiefe Mensch lichkeit, die grausam-harte Wahrheit seiner Schil derungen und sogar den etwas schwerfällig spitzbübischen Humor adäquat in Musik umzu setzen. Er beherrschte die Kunst, die handelnden Personen und Situationen zu charakterisieren und ihnen ein eigenes (musikalisches) Profil zu geben. Besonders in den Liebesszenen kommt die reiche melodische Begabung des Komponisten zum Ausdruck. Völlig ungezwungen entfalten sich die eigenwilligen Melodien, bald in ruhigem Fluß, bald aus dichten chromatischen Akkordballungen in die Höhe strebend, um schließlich wieder all mählich in einem weichen Hinabgleiten auszu schwingen. Plötzliche tonale Rückungen lassen ein ausdrucksvolles Spiel von Licht und Schatten entstehen, lassen Melodien atmen und sich auf hellen. Motorische Aggressivität, brutale Klang entladungen, aber auch kammermusikalische Intimität und lyrische Schlichtheit kennzeichnen die enorme Ausdruckspalette des Komponisten. Bildhaftigkeit und Körperlichkeit, Pathos und Ironie finden sich ebenso als Eigenschaften seiner musikalischen Sprache vereint.