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■ Es würde hier zu weit führen, technische Vor gänge im einzelnen zu beleuchten, doch noch mals sei darauf verwie sen, wie sehr Bauweise und Materiale eine ent scheidende Rolle für die Klangentstehung und -färbe, für die allgemei ne Charakteristik, das Volumen und die Intensität des Klanges spielen. Die mit Feder kielen angerissenen Saiten (z. B. Spinett, Cembalo bzw. Kielflügel) klingen eben anders als Saiten, die durch einen Hebel direkt berührt (Clavichord) oder gar mit belederten Häm mern angeschlagen werden (Hammer klavier). 10 J> DRESDNER O PHILHARMONIE Haydns, Mozarts und bis weit in die Nach- beethoven-Zeit waren die Klaviere keineswegs vergleichbar an Klang und Volumen mit einem heutigen Konzertflügel, diesem modernen Instru ment mit gußeisernem Rahmen, ausgestattet mit Repetitionsmechanik und kreuzsaitigem Bezug. Die Musik dieser älteren Meister wurde für leich tere und kleinere, ziemlich klangschwache Instru mente mit dünnen Saiten und kleinen Hammer köpfen komponiert, die eine durchsichtig klare, „klassische“ Tongebung ermöglichten. So ist es nur natürlich, wenn versucht werden soll, diesen Klang neu zu entdecken und uns die Möglichkeit gegeben wird, zu erspüren, in welcher Klangwelt sich unsere Klassiker wirklich bewegt haben. Anfangs mag uns eine derartige Musikaufführung ungewöhnlich vorkommen, erwarten wir doch gewohnheitsmäßig strahlenden Glanz und ein größeres Klangvolumen, doch bald werden wir bemerken, welche feinnervigen Möglichkeiten in dieser, auf historischen Instrumenten aufgeführ ten Musik liegen, wie sensibel die Darmsaiten der Streichinstrumente ansprechen und wie inspirie rend sich der Klang des „alten" Hammerklaviers Kielflügels freigestellt. Noch Beethovens Kla viersonate op. 13, die berühmte „Pathetique“, er schien 1799 im Druck mit dem Hinweis „pour le Clavecin ou Piano-Forte“. Andererseits aber ver merkte Haydn selbst auf dem Autograph seiner 1789/90 geschriebenen Es-Dur-Sonate (Hob. XVI: 49) bereits „per il Forte-Piano“, wobei die Nen nung des Cembalos unterblieben ist. Betrachten wir aber die Kompositionen selbst, so zeigt sich, daß höchstens Haydns früheste Werke auf dem Cembalo zur Geltung kommen können, schon bald aber erscheint das ältere Instrument weniger geeignet, die biegsame Melodik, die an dynami schen Schattierungen reiche musikalische Sprache wiederzugeben. Dieser Wandel kündigt sich bei Haydn bereits in den sechziger Jahren an, und je weiter wir im Schaffen des Meisters vorwärts- schreiten, desto deutlicher zeigt sich die Hin neigung zum jüngeren Instrument. Begeben wir uns also in diese andere, unge wohnte Klangwelt und erleben wir, wie den Klaviertrios und Klaviersonaten Haydns ihre ur sprüngliche Klanggestalt zurückgegeben wird! Hammerklavier aus der Werkstatt des Wiener Instrumentenmachers Anton Walter. Mozart spielte gern auf solchen Klavieren, während Haydn sich 1790 abfäl lig über die Walter- Klaviere geäußert hat und später sogar die englische Bauweise bevorzugte. mit ihnen mischt. Natürlich wissen wir, daß es damals sehr unter schiedliche Klavierinstrumente gab, bezogen auf die Tonerzeugung und damit auf den Klang. Und alle diese „Klaviere“ wurden lange Zeit ne beneinander benutzt. So ist bis heute kaum zu entscheiden, welche Klavierinstrumente Haydn bei den jeweiligen Stücken wirklich gemeint haben wird. Denn eine Instrumentenbezeichnung auf den Noten manuskripten oder -drucken war stark tradi tionsabhängig. Haydn selbst schrieb auf sei nen Werken bis zur Mitte der siebziger Jahre noch „per il Cembalo“ oder „da Clavi- cembalo“ vor. Viel später, nach mehr als zwei Jahrzehnten, wurde von ihm - auch von an deren Komponisten - die Verwendung des Fortepianos, also des Hammerklaviers, statt des