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Staatsanzeiger für das Königreich Sachsen. Zeitweise Nebenblätter: LandtagSbeilage, Synodalbeilage, Ziehungslisten der Verwaltung der K. S. Staatsschulden und der K. Alter«- und LandeS'ulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Landes-Brandversicherungsanstalt, Verkaussliste von Holzpflanzen auf den K. S. Staatsforstrevieren. Nr. 71. - Beauftragt mit der Oberleitung (und preßgesetzlichen Vertretung): Hofrat Doenges in Dresden. Dienstag, 27. März abends 1917. Bezugspreis: Beim Bezüge durch Vie Geichüjtsstelle, Große Zwingerstraße 16, sowie durch die deutschen Postanstallen 3 Mark 50 Pf. vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint nur Werktags. —Fernsprecher: GeschäftsstelleNr.2l2S5,SchriftleitungNr.14574. Ankündigungen: Die Ispaltige Grundzeile oder deren Raum im Ankündigungsteile 30 Pf., die 2spaltige Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 7b Pf, unter Eingesandt ISO Pf. Preisermäßigung auf Geschäftsanzeigen. — Schluß der Annahme vormittags 11 Uhr. Die kurz vor Beginn des Druckes eingehenden Meldungen befinden sich ans Seite 7 dieser Ausgabe. * Ler österreichisch - ungarische Minister des Äußern Gras v. Czernin ist in Berlin eingetrosfen und hat mit dem deutschen Reichskanzler beraten. * Den» „Petit Parisien" zufolge ist in Petersburg eine republikanisch-demokratische Partei in Bildung begriffen. * Die Arbeiter- und Loldatenausschüfse in Petersburg fahren in drr Behinderung der Handlungen der vorläufigen Regierung fort. * Äußer Finnland soll auch Estland das Recht der Zelbst- verlvaltnng fordern. Amtlicher Teil. Ministerinm des Innern. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Soldaten J.matz Sledzianowsly, gebürtig aus Neukarmin, z. Z. im Felde, für die von ihm am 13. Juli 1916 nicht ohne eigene Lebensgefahr bewirkte Errettung zweier Frauen aus der Gefahr, beim Durchgehen eines Pferdes tödlich zu verunglücken, die bronzene Lebens rettungsmedaille mit der Befugnis zu verleihen, sie am we ßen Bande zu tragen. (Fortsetzung des amtlichen Teiles in der 8. Beilage.! Nichtamtlicher Teil. Vom Königlichen Hof«. Dresden, 27. März. Se. König!. Hoheit der Prinz Johann Georg wird heute abend l/,8 Uhr den im Palmengarten vom Literarischen Verein veranstalteten Vortrag des Hrn. I)r. H. Hildebrand (Stuttgart) über „Bernhard Hoetger und die moderne Plastik" besuchen. Die Kämpfe an der Anere. Aus dein Großen Hauptquartier wird uns geschrieben: Nur langsam und zögernd hatten die Engländer sich entschlossen, unseren Truppen in das Gelände zu folge», das wir ihnen seit dem 23. Februar überlassen hatten. Das energische Feuer unserer Nachhuten und unserer Artil lerie ließ sie stutzen und machte ihnen jeden Schritt Bodens streitig. Wenn unsere Verschleieruugsmaßregelu alsdann ihren Zweck erfüllt hatten und ein weiterer Gclündeabschnitt von uns freigegeben wurde, so kündigten die englischen Heeresberichte das als „Siege" und „Eroberungen" und „Befreiungen" an. Erst seit dem 28. Februar rafften die Angreifer sich zn kräftigerem Nachdringen auf, und nunmehr entspannen sich im Vorfeld unserer neuen Stellungen drei Gruppen von Kämpfen, die eine eingehendere Schilderung recht fertigen. Stellen sie doch dem Geist unserer Unterführer und unserer Truppe ein glänzendes Zeugnis aus. 1. Den äußersten Borsprung, mit welchem der von uns nunmehr aufgegebene Geländestreifen in die feindlichen Linien hincinragte, bildete das Torf Gommecourt. Alle Angriffe der Franzosen wie der Engländer gegen diesen Punkt waren gescheitert, auch schon vor der Sommeschlacht. Bei Beginn der letzteren hatte der Gegner nach der bekann ten einwöchigen Artillerievorbereitung am 1. Juli 1916 das Dorf mit starken Kräften angegriffen, war aber nur au einigen Stellen in die Gräben cingedrungen und schon am Abend desselben Tages nach Verlust von eurigen Gefan genen und sehr vieler Toten wieder hiuausgcworfen worden. Seitdem hatte nnr noch die Artillerie, diese aber sehr stark, im Lause der acht Monate seit Beginn der Schlacht auf den Ort gewirkt und ihn völlig zusammengeschossen; auch das prächtige Schloß mit seinen: wundervollen alten Park war, wie so viele andere im Sommegebiet, durch französi sches und englisches Gcschützfcuer vom Erdboden vertilgt worden. Sehr schwer war es unseren Truppen gefallen, dem Befehl von oben Folge zu leisten, der ihnen die Räu mung der ihnen nachgerade ans Herz gewachsenen Gräben und der unterirdischen Behausungen auferlcgte, in denen sie unter unsagbar schwierigen Verhältnissen während der endlosen Schlachtmonate dem feindlichen Feuer Trotz ge böte» hatten. Als der Feind eine Reihe von Tagen nach der Räumung es endlich gewagt hatte, sich in dem Dorfe mit stärkeren Patrouillen festzusetzen, drangen unsere Nach huten aus eigenem Antrieb nochmals in den Ort ein, war fen den Feind wieder hinaus, besetzten das „Kermverk" un serer verlassenen Stellung, das schon in den Kämpfen des 1. Juli den Rückhalt unseres Widerstandes gebildet hatte, aufs neue uud holten sich so die Heimstätte langer schwerer Monate noch einmal zurück. Es bedurfte eines neuen ausdrücklichen Befehls, um sie zur Räumung ihrer alten Kampsstätte zu veranlassen. Während der nun schärfer einsetzeuden Nachhuttämpfe leisteten die Verteidiger dem allmählich und zaghaft nach rückenden Feinde zähen Widerstand, stießen immer wieder aufs neue vor und verhinderten so das Nachrücken des Feindes in das planmäßig aufgegebene Gelände weit über den in: voraus angenommenen Zeitraum hinaus. In diesen Kämpfen zeigte sich anfs deutlichste die Freude unserer Leute, wieder in einen Kampf hineinzukommcn, der an den Bewegungskrieg wenigstens erinnerte. Das fröhliche Drauf gängertum der Unterführer, die Lust des gemeinen Mannes am Abenteuer, an persönlicher Gefahr und Bewährung traten in einem Maßstabe hervor, der bewies, daß die ent nervenden Einflüsse des langen Grabenkrieges den Geist der Truppe in keiner Weise beeinträchtigt hatten. Was in diesen Kämpfen an einzelnen Mannestaten geleistet worden ist, muß der Regimentsgeschichtsschreibung Vorbehalten bleiben, in der die Kämpfe dieser Tage eine ehrenvolle Rolle spielen werden. Zu einer besonders lebhaften Kampf- § Handlung kam es am 27. Februar früh bei einen: stärkeren > Angriff der Engländer aus das hinter der bisherigen deut- scheu Linie gelegene Wäldchen bei Höhe 125. Hier tat sich ein Reserveregiment, das sich schon im ganzen Feldzüge hervorragend bewährt hatte, in erbittertem Nahkampse besonders hervor. Die Erreichung einer wesentlich güu-> stiaeren Stellung hat die Truppen des Nordwestflügcls unserer neuen Front ebenso günstig beeinflußt, wie der Verlauf der Kämpfe ihre Stimmung und ihr Selbstvertrauen. Bei Infanterie und Artillerie hat sich das Gefühl der un bedingten Überlegenheit im Feldkriege über den ihr bisher nur im Grabenkampf gegenübergetretenen Gegner un erschütterlich befestigt. 2. Wie die Ecke bei Gommäcourt weit nach Westen, so stieß nach Südwesten die Zacke bei Grandcourt an: tiefsten in die feindliche Stellung hinein und sah sich gleich jener den: sie aus Front und Flanke konzentrisch sassenden Feuer ausgesetzt. Ties machte sich um so mehr geltend, als diese zweite „windige Ecke" zudem eine größere Anzahl von wei teren Dörfern umfaßte: uämlich Serre, Puisieux, Mirau- mont, Iries uud Pps. Zwar waren alle diese schönen französischen Ortschaften durch das Feuer der Bundes genossen der Franzosen längst in völlig gestaltlose Trümmer haufen verwandelt und unterschieden sich kann: mehr von den sie ehemals umgebenden Ackergebieten, die ebenfalls nur noch einen Wust von Grauattrichtcrn darstellten. Na mentlich das die westliche Ecke dieses Abschnittes bildende Dorf Serre war buchstäblich von: Erdboden wegrasiert. Tie „Befreiung" dieser Dörfer, welche von den feindlichen Heeresberichten mit komödiantischer Begeisterung hervor- gehoben wird, kommt also zu spät, nm in ihren ehemaligen Bewohnern andere Gefühle als die einer recht platonischen Genugtuung auszulösen. Trotz ihres au menschliche Wohn stätten auch nicht im entferntesten mehr gemahnenden Zustandes übten indessen diese nur noch auf den Karten unter scheidbaren geographischen Punkte auf die feiudliche Artil lerie noch immer eine besondere Anziehungskraft aus. Nimmt »rau hinzu, daß dieser nachgerade recht unwirtlich gewordene Abschnitt der deutschen Stellung durch den Ancrebach und die beiden sumpfigen Oberläufe durch strömt wird, aus denen er innerhalb des Dorfes Miraumont zusammcnrinnt, so erhellt, daß gerade hier der Befehl, diese Stellung mit einer weiter bergwärts gelegene» zu vertau schen, mit besonderer Freude begrüßt wurde. Dennoch haben auch hier die zur Deckung der Zurück nahme Front bestimmten Truppen es ihrem Gegner nicht leicht gemacht, auf dem preisgegebcne» Gelände Fuß zu fassen. Ihre Patrouillen und Nachhuten in: Zusammen wirken mit der über die Geländeverhältnisse natürlich ge nauestens unterrichteten Artillerie hielten den Gegner unter so wirksamen: Feuer, daß er nur sehr langsam sich entschloß, die zerschossenen, verschlammten uud durch die deutschen Sprengungen bis zum letzten Rest zerstörten Andeutungen ehemaliger Gräben zu besetzen, welche die Trümmerwüsten durchzöge::, die einmal Puisieux oder Miraumont geheißen hatten. Nur ganz langsam räumten die hier tätigen Siche- rnngsabteilungen, dem allgemein erteilten Befehl gemäß, vor den gegen den 28. Februar allmählich sich zusammen ziehende« stärkeren Abteilungen des Feindes die aufzu- gebendeu Geländeabschnitte. An: genannten Tage sand der Feind endlich den Mut zu größeren Angriffshandlungen, die aber bereits im Feuer der Nachhuten und der Artillerie zusammenbrachen. 3. Eine weitere Gruppe von Kämpfen entspann sich in: Oftabschnitt des aufzugebenden Gebietes. Hier war es bei den: Dorfe Warlencourt besonders wichtig, das feindliche Rachrücken nach Kräften aufzuhalten. Mit Freuden ent sprach die Truppe dieser Aufgabe. Tie in diesem Abschnitt ausgestellten Tivisionen hatten seit Anfang November die an und für sich infolge der tiefen Lage und des moorigen Untergrundes schlechten, in: Kampfe entstandenen und an fangs nur aus Grauattrichtern bestehenden Stellungen befestigt und ausgebaut, und jetzt mußte ohne Zwang zurück gegangeu werden, obwohl der Gegner sich an diesen Stel lungen so ost den Kopf eingerannt hatte! Tie Vorberei tungen waren schwierig, denn der Feind durfte nichts merken. Tabei konnte es keinem Zweifel unterliegen, daß er wenigstens in: allgemeinen unterrichtet war, was bevorstand Er mußte wissen, daß rückwärts unserer vor dersten Linien eine Anzahl guter Stellungen entstanden war. Aber es stellte sich sofort nach Beginn der Bewegun gen heraus, daß dem Feinde wenigstens der Zeitpunkt unseres Zurückgehens verborgen geblieben war, daß er also die vorgenommenen Sprengungen und Zerstörungen nicht erkannt hatte, und unsere kühnsten Hoffnungen sahen sich übertroffen, als der Gegner mit Artillerie und Maschinen gewehren noch tagelang die verlassenen Stellungen be feuerte. Tas ist den: hervorragende:: Verhalten unserer Patrouillen zu verdanken, die in den verlassenen Gräben wacker ausharrten. Trotz der Gefahr, überrannt oder ab geschnitten zu werden, verstanden sie es, dem Feinde dauernd das Weiterbestchen der vollen Besetzung vorzutäuschen. Als sie merkten, daß diese Absicht gelang, hatten sie sogar die Kühnheit, über unsere längst von den Hauptträften geräumten Gräben vorzustoßen, und es kam zu Patrouillen zusammenstößen im Vorgelände ohne jeden Rückhalt! Hier bei wurde festgestellt, daß der Feind nach :oie vor an seinen Drahthindernissen arbeitete. Die Täuschung war also voll kommen gelungen. Erst am dritten Tage nach der Räumung kam der Feind dahinter, daß eine Veränderung vorgegangen sei, und als bald begann er auch seine Artillerie vorzuziehen, wußte aber noch nicht, wieweil wir eigentlich zurückgegangen seien, und streute deshalb vlanlos das Hintergelände der verlassenen Stellungen ab. Allmählich wurden seine Pa trouillen kühner: der Grnnd dieses gesteigerten Selbstbewußt seins war allerdings an ihren: — schwcmkenden Gange zu erkennen. Nunmehr zogen sich unsere Vortrupps allmählich in eine weiter rückwärts gelegene Linie zurück und hielten nur noch die sogenannte „Bastion", eine Höhe nördlich des Torfes Warlencourt, die nach Süden und Westen im Bogen von: „Warlencourt Riegel", nach Osten vom „Leip ziger Riegel" umschlossen war. Auf dieser sich stark in: Gelände abhebenden und einen Angriff geradezu heraus- ! fordernden Vorstellung lag nun alsbald schweres feindliches Feuer. Nur durch eiue schwache Mulde von der „Basnon" getrennt, hob sich, nach Südosten bis Osten sich hinziehend, die hochgelegene Gruppe der Törfer Le Barque, Lignh- Thillop und Thallop ab; auch diese lagen natürlich völlig in Trümmern. Hier nisteten sich, aus der englischen Linie vorspringend, allmählich feindliche Patrouille» u»d da»» auch stärkere Kräfte eiu. Tas legte den Gedanken nahe, durch einen kräftigen Gegenstoß den in die Törfer vor- gedrungenen Feind „abzukneifen". Aus diese:: Erwäguugen ergab sich der Ausbau eines größeren Gegenangriffs, der am 2. März zur Ausführung kam. Tiefes Unternehme», das seines dramatischen Ver laufs wegen einer eingehenderen Schilderung wohl wert wäre, kam zwar nicht zur vollen Entwicklung, weil gleich zeitig ein heftiger Angriff der Engländer auf die „Bastion" einsetzte. Diese mußte nach hitzigen Kämpfer: dem Feinde überlassen werden, aber die Haltung der Verteidiger war über jedes Lob erhaben. Tie schließliche Räumung erfolgte, den Weisungen zur planmäßigen Aufgabe entsprechend, nach erbitterten: und für den Feind verlustreichem Wider stand, und es wurde dabei das gesamte eingebaute Material an Maschinengewehren und Minenwerfern bis auf das letzte Stück zurückgeschafst, vor allem aber auch die Ver wundeten. Nicht einmal die Toten ließ man in der Hand des Feindes. Durch diesen Ausgang des Kampfes un: die „Bastion" wurde den: Erfolg des Unternehmens gegen die Torfgruppe ein gewisser Eintrag getan, da es sich in seiner rechten Flanke der Teckung entblößt sah. Dennoch gelangten die angesetzten Kompagnien in konzentrischem Zusammenwirken in die Dorsstätten hinein und kehrten planmäßig in die Gräben zurück, wöbe: sie eine erhebliche Anzahl Gefangener mil führten, darunter auch mehrere Offiziere. Leider haben sich die Engländer bei diesen Gefechten wiederum völker rechtswidriger Mittel bedient. Es ist unzweifelhaft er wiesen, daß sie cs versucht haben, einen zerschossenen, deut schen Grabenmörscr auf einer Krankenbahre, mit der Roten- Kreuz-Flagge bedeckt, zurückzuschaffcn. An einer anderen Stelle bat eine Abteilung, welcher es gelungen war, um