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Staatsanzeiger für das Königreich Sachsen. geitweile Nebenblätter: Landtagsbeilage, Synodalbeilage, Ziehungslisten der Verwaltung der K. S. Staatsschulden und der K. Mer-- und LandeS'ulturrentenbank, Jahresbericht und Rechnungsabschluß der Landes-BrandversicherungSanstalt, Bertaufsliste von Holzpflanzen auf den K. S. Staatsforstrevieren. Nr. 73. Beauftragt mit der Oberleitung (und preßgesetzlichen Vertretung): Hofrat Doenges in Dresden. Donnerstag, 29. März abends 1917. Bezugspreis: Beim Bezüge durch die Geschäftsstelle, Große Zwingerstraße 16, sowie durch die deutschen Postanstallen 3 Mark 50 Pf. vierteljährlich. Einzelne Nummern 10 Pf. Erscheint nur Werktags. — Fernsprecher: Geschäftsstelle Nr. 212S5,SchriftlrittmgNr. 14574. Ankündigungen: Die Ispaltige Grundzeile oder deren Raum im Ankündigungsteile SO Pf., di« 2spaltige Grundzeile oder deren Raum im amtlichen Teile 75 Pf., unter Eingesandt 150 Pf. Preisermäßigung aus Geschästsanzeigen. — Schluß der Annahme vormittags 11 Uhr. Die kurz vor Beginn des Druckes eingehenden Meldungen befinden sich ans Seite 7 dieser Ausgabe. * Am Mittelmeer wurden 1v Schiffe mit rund 31 VW Tonnen versenkt. 1- Im preußischen Herrenhause gab Herzog Ernst Winther zu Schleswig-Holstein eine Erklärung über die jüngste Aus sprache im Abgcordnctenhause ab. * An Griechenland ist in sämtlichen elektrischen Zentralen ein Ausstand ansgebrochen. * Tie Übertragung der dänisch-westindischen Ansetn an die Vereinigten Staaten von Amerika wird am 31. März erfolgen. Amtlicher Teil. Ministerium der Justiz. Se. Majestät der KSn'g haben Allergnädigst geruht, dem Botenmeister der Staatsanwaltschaft bei dem Land gerichte Zwickau Ernst Bruno Pusch aus Anlaß des Über tritts in den Ruhestand das Ehrenkreuz mit der Krone zu verleihen. (Fortsetzung des amtlichen Teiles in der 2. Beilage.) Nichtamtlicher Teil. Vom Königlichen Hof«. Dresden, 29. März. Ihre Königl. Hoheit die Frau Prinzessin Johann Georg empfing heute mittag die Schwestern des Roten Kreuzes Frls. v. Passow, v. Bunsen und Rothe, welche die russischen Gefangenenlager be sichtigt haben und hiervon Ihrer Königl. Hoheit be richteten. Die Rechtslage im Streit mit Amerika. B m Reichsgerichtsrat vr. Hagens. II. Ein weiterer Rechtsbruch besteht in der Verletzung des Art. 1 des ll. Haager Abkommens von 1907, der die Un verletzlichkeit der Briespostsendungen, abgesehen von Blok- kadebruch, sestsetzt. Auf ihm baut sich weiter das System der Schwarzen Listen auf, das besonders in Amerika als schwere Beeinträchtigung des Handels empfunden wird. Auf diese Listen werden nicht nur alle im neutralen Aus lande befindlichen Personen gesetzt, die selbst in irgendeiner direkten oder indirekten Geschäftsverbindung mit den Län dern des Vierbundes stehen, sondern nach Befinden auch solche, die Handelsbeziehungen mit bereits auf der Liste stehenden Personen unterhalten; alle diese Boykottierten werden als Feinde im Sinne des Gesetzes über den Handel mit dem Feinde angesehen und sind danach nicht nur für )ie Tauer des Krieges trotz gegenteiliger Zusagen in Han delsverträgen von der Wahrnehmung ihrer Rechte inner- ;alb Großbritanniens ausgeschlossen, sondern auch sonstigen Schikanen ausgesetzt. Auch die Vereinigten Staaten haben in einer Reihe mn Noten gegen alle diese Rechtsverletzungen scharf prote- itiert und Lchadensersatzforderungen dafür angekündigt. Dem Feinde gegenüber waren »vir daher unter allen Um wänden zu Vergeltungsmaßnahmen berechtigt. Wie gestaltet sich aber damit unser Rechtsverhältnis f.u den Neutralen? In der Note vom 31. Januar d. I. vird die Versenkung von Handelsschiffen jeder Art und lstationalität im Kriegs- oder Sperrgebiete ohne vorherige Individuelle Warnung anaekündigt. Soweit es sich um neutrale Schiffe handelt, ist eine solche Versenkung an sich ein Unrecht. Art. 50 der Londoner Deklaration bestimmt: Vor der Zerstörung müssen die an Bord befindlichen Personen in Sicherheit gebracht, auch sämtliche Schiffs papiere und sonstige Beweisstücke für die Rechtmäßigkeit der Weynahme auf das Kriegsschiff gebracht werden. (Die in Art. 49 ausgestellte Bedingung, daß die Zer störung nur statthaft ist, wenn die Ausbringung das Kriegs schiff einer Gefahr aussetzen oder den Erfolg seiner Ope ration beeinträchtigen könnte, darf in jedem Falle der Zer störung durch deutsch? Unterseeboote als erfüllt vorausgesetzt werden.) Weniger klar ist der Fall der Zerstörung feindlicher Handelsschiffe, denn es gibt darüber keine internationalen Vereinbarungen; doch kann man Wilson wohl beitreten, wenn er geltend macht, daß auch hier aus Gründen der Menschlichkeit und nach dem Herkommen an sich vorgängige Warnung und Fürsorge für Menschenleben geboten er scheint. Indessen handelt cs sich um ein Vergeltungsrccht, d. h. das Recht des Verletzten, ein ihm zugefügtes Unrecht §u erwidern und dadurch auf die Unterlassung des Unrechts in der Zukunft hinzuwirken. Ein solches Vergeltungsrecht ist besonders im Kriege unentbehrlich und allgemein an erkannt. Der Verletzte ist in der Auswahl seiner Maßnahmen frei; die Menschlichkeit gebietet nur, daß er zivecklose Schä digungen und Grausamkeiten vermeidet. Hier setzt nun aber die eigentümliche Wilsonsche Per geltungstheorie ein, wie sie besonders in den „Lusitania"- Noten zum Ausdrucke kommt; sie besagt im wesentlichen: Jede Vergeltungsmaßnahme ist an sich ein Un recht und »vird von dem, der sie übt, als solches dadurch anerkannt, daß er sich auf Vergeltung beruft. Daher ist sie nur dem Feinde gegenüber gerechtfertigt und, sobald Rechte der Neutralen dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden, ist ihnen gegenüber das Völkerrecht verletzt. Der Obersatz ist ebenso richtig, wie der Schluß ver kehrt ist. Ebensogut könnte man sägen: Jede Kriegshaud- lung ist an sich ein Unrecht und »vird nur dem Gegner gegen über dadurch erlaubt, daß man sich mit ihm im Kriege ve- findet. Daher dürfen Rechte Neutraler unter keinen Um ständen durch Kriegsmaßnahmen beeinträchtigt werden. Denn »venu auch die Vergeltungsmaßnahme außerhalb der gewöhnlich >n Kriegshandlungen liegt, so »vird sic doch zu einer berechtigten Kriegshandlung, sobald der Gegner dazu genügenden Anlaß gibt. In diesem Falle unterliegt die Vergeltungsmaßnahme nur denjenigen Beschränkungen mit Rücksicht auf die Neutralen, denen Kriegshandlungen im allgemeinen unterworfen sind. Es kommt daher gar nicht mehr darauf an, ob die Handlung an sich unrechtmäßig ist, sondern nur darauf, ob die Neutralen sie sich als eine ge rechtfertigte Kriegshandlung gefallen lassen müssen. In dieser Hinsicht ist aber allgemein anerkannt, daß die Neu tralen sich solche Kriegshandlungen gefallen lassen müssen, die im Bereiche der Kriegführenden unternommen werden. So wenig daher ein Amerikaner verlangen kann, daß er im französischen Schützengraben unbehelligt seinen Kaffee trinkt, oder daß seine Villa an der Somme von Kricgshand- lungen unberührt bleibt, so wenig kann er verlange»», daß seinetwegen die durch gerechte Vergeltung gebotene Zer störung eines britischen oder französischen Handelsschiffes unterbleibt. Tenn das britische Handelsschiff auf See ist ein schwimmender Teil des britischen Gebietes. Schon aus diesem Grunde war der Protest Wilsons gegen die Per senkung der „Lusitania", des „Arabic" und des „Sussex" und die im letzten Falle ausgesprochene Drohung des Ab bruches der Beziehungen völlig ungerechtfertigt. Aber auch darüber kann Amerika, besonders nachdem es sch die Ab sperrung der Nordsee durch britische Minenfelder und Kriegsschiffe hat gefallen lassen, sich nicht beklagen, daß Deutschland die Gewässer um die Küsten unserer Gegner durch rücksichtslose Torpedierung für jeden Seeverkehr sperrt. Diese Maßnahme könnte selbst dann nicht als völker rechtswidrig angesehen werden, wenn sie ohne den eng lischen Vorgang der Nordseeblockade als Repressalie gegen den rechtswidrigen Hungerkrieg angeordnet wäre. Denn die offene See ist rc8 nullius an der keine Rechte der Neu trale,» bestehen. Ist somit die Handlung als Repressalie dein Feinde gegenüber gerechtfertigt, so muß sic vor» den Neutralen ebenso geduldet »verden, wie etwa eine große Seeschlacht, die auch nicht einer amerikanischen Jacht zu liebe abgebrochen werden muß. Finden die Neutralen diese Art der Vergeltung unvereinbar mit ihren Interessen, so haben sie zunächst für die Beseitigung derjenige»» Völker rechtswidrigkeiten zu sorgen, welche dazu den Anlaß gegeben haben. Das Recht der Vergeltung findet in» allgemeinen mit Rücksicht auf die Neutralen nur dort seine Grenze, wo deren Hohcitsrechte verletzt werden würden. So kann sich z. B. der Verband bei seinem Vorgehen gegen Griechen land nicht darauf berufen, daß Deutschland vorher die Neu tralität Belgiens verletzt hat. Indessen ist auch diese Regel nicht ohne Ausnahme. Denn ist z. B. ein Staat zu schwach oder nicht willens, die von einem Kriegführenden verübte Verletzung seines Hoheitsrechtes abzuwehren, so berechtigt dies zweifellos den Gegner, dem ihm dadurch zugefügten Schaden auch unter Verletzung der Hoheitsrechte des be treffenden Staates entgegenzutretcn. So ist es gewiß nicht völkerrechtswidrig, wenn der Vierbund den Angriff des Saloniki-Heeres auch durch Kinegshandlungcn auf griechi schem Gebiete abzuwchren versucht. Aus demselben Grunde wäre aber auch das rücksichtslose Vorgehen unserer Untersee boote gegen neutrale Handelsschiffe im Kriegsgebiete gerecht fertigt, selbst wenn man darin an sich eine Verletzung des Hoheitsrechtes des betreffenden Neutralen erblicken wollte, weil unsere Maßnahme geboten wird durch die ausgedehnte Bewaffnung der feindlichen Handelsschiffe in Verbindung mit dem von England allgemein ansteorduetcn Flaggen- betrug, dem die Ncntralen lediglich mit unwirlsamcn Pro testen entgegengetreten sind. Die Bewaffnung der Handels- sch fse und ihre Verteidigung auch gegen Kriegsschiffe »nag nach dein gegenwärtigen Stande des Völkerrechts nicht rechtswidrig sein; sie wurde auf der Oxforder Tagung des Instituts für Völkerrecht von 1913 mit Mehrheit als berech tigt anerkannt. In welchem Umfange sic von den Feinden geübt »vird, ergibt eine kürzlich im Oberhause gefallene Äußerung Lord Curzons: „Wir bewaffnen unsere Handelsschiffe in einen» Um fange, den ich Euren Lordschaften nicht im allermindcsten mitteilen darf." Daß diese Maßnahme eine schonende Behandlung der feindlichen Handelsschiffe durch deutsche Unterseeboote aus- schlicßt, bedarf keiner Ausführung und wird auch von amerikanischer Seite anerkannt. So schrieb z. B. der in den Oststaaten sehr angesehene „Springfield Republican" in seiner Wochenausgabe vom 14. Dezember 1916: „Wenn nun jetzt die Britische Regierung samt ihren Verbandsgenossen alle Handelsschiffe ohne Einschränkung der Zahl, des Kalibers oder der Dcckposition der Ge schütze bewaffnet und damit die Perbandshandelsflotte zum übcrwiegelwen Teile, ivenn nicht ganz, zu einer Flotte tatsächlicher Kriegsschiffe würde, dann wäre die ganze Unterseebovtfrage von Grund aus verändert, und die amerikanische Regierung müßte notwendigerweise ihre Haltung einer Revision unterziehen." Ter Kneif. Zur Lage. Der bayrische Krieg-minister v. Hellingrakh üver vte militärische Lage. München, 26. März. In der Kammer der Reichs' räte machte Kriegsminister v. Hellingra.h bei Beratung der kriegswirtschaftlichen Anträge Ausführungen über die militärische Lage Nachdem er den» Referenten seinen Dank für seine anerkennenden Worfe an die Armee und deren Führer ausgesprochen hatte, gäbe der Lersicherung Ausdruck, daß die Truppen mit stolzer Zuversicht und dem festen Gefühl jnnerer Überlegenheit den Aufgaben ent gegenblicken, welche die Zukunft ihnen stellen weide. Freu diger wie seit längerer Zeit, erklärte der Kriegsminister, können »vir heute den kvmmenden Ereignissen entgegen- sehen. Im Weste»» scheint die im Schützengraben erstarrte Kriegführung ihren Meister gesunde»» zu haben, ein geni aler Schachzug unserer obersten Heeresleitung hat die Pläne des Feindes durchkreuzt und uns die Freiheit des Handelns »viedcrgcgeben. In» Osten ist Altes gestürzt, Neues noch nicht aufgebaut. Ein dichter Schleier liegt über der Zukunft. Auf und unter dem Meeresspiegel aber leisten unsere Unterseeboote ihre schwere Arbeit, die den zähen Willen Englands brechen soll und brechen wird. Wie ein Frühlingsahnei» geht es durch das Land. Bauend auf uns selbst und auf Gottes Beistand trotzen wir den Stürmen, die noch über uns hinwegbrausen »verden. Nur der Schwache »vird kleinmütig und verzagt, »venu sich vor ihm Hindernisse türmen. Tes Starken Kräfte wachsen und spannen sich, je wuchtiger die Widerstünde werden, die sich seinem Willen entgegenstellen. Ter Glaube an uns selbst »vird uns Kraft verleihen, Sieger zu bl iben in de»» Entsagungen der Heimat und in den Kämpfen auf allen Fronten. Die Rede des Kriegsministcrs hinterließ einen tiefen Eindruck im Hause. Keine Einschränkung vcs veutschen Leesperrgebietes. Berlin, 28. März. Die Chriftianianer Zeitung „Ver- densgang" vom 14. März schrieb unter der Überschrift „Einschränkung des deutschen Seesperrgebietes" folgendes: Verbandskreise erzählen, daß in den letzte»» zwei Tagen die deutschen Unterseeboote von einem großen Schwarm vor» Unterseebooten, die England losgelassen habe, un- widerstchlich gegen Helgoland getrieben werden. Da die Deutschen also nicht länger ihre ganze Sperrgebietszone aufrechterhalten können, soll es nicht verwundern, wenn sie eine Mitteilung herausgeben, daß sie gewisse Teile der Sperrzone freigcben. Wir hören — besonders in der allerletzten Zeit — von feiten der norwegifchen Preise in Sachen der deutschen Unterseebootkricgführung einen Ton, der bereits von deutscher» Blättern in gebührender Weise zurückgewiesen worden ist. Handelte es sich dabei bisher meist um sensationelle Schauergeschichten über angebliche Grausam keiten deutscher Unterseebootbesatzungen, so schlägt jetzt „Verdensgaug" eine andere Saite an. Diese Zeitung hofft den Hund hinter dem Ofen hervorzulocken, indem sie Schwärme von englischen Unterseebooten gegen die deutschen Unterseeboote losläßt, um so die deutsche Reichsleitung zu Einschränkungen in der Lperrgebietserklärung zu verun lassen. Der Versuch ist eigentlich zu plump und naiv, als daß er von einem vernünftigen norwegifchen Leser kreise ernst genommen »verden könnte, doch sei im Hin-