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ZUR EINFÜHRUNG auf den ersten Blick überraschen, daß Mozart sich nicht viel früher mit dieser Gattung beschäftigt hat te. Hätten sich doch gerade solche Werke auf seinen Reisen beson ders gut zur Demonstration der kompositorischen und spieltechni schen Fertigkeiten gemacht, vor allem in Italien, dem Land mit der größten Violintradition. Aber Grün de sind gleichwohl zu finden: Kon zerte, vor allem Violinkonzerte, hatten in Italien, später auch in Frankreich eine Tradition, die seit der Barockzeit gepflegt wurde, aber inzwischen zu einer gewissen kompositionstechnischen Starrheit geführt hatte. Auf seinen Reisen dürfte Mozart zwar höchst ein gehende Bekanntschaft mit solchen Werken der älteren Italiener (Tar- tini, Geminiani, Locatelli) und der Geigenkunst jüngerer Virtuosen (Nardini, Pugnani) gemacht ha ben, erkannte aber vermutlich eine gewisse „Zopfigkeit". In der Kla viersonate, vor allem in den Sinfo nien und Streichquartetten Haydns hatten sich längst neue Formgeset ze herauskristallisiert, die wegführ ten von einer festgefügten Mono thematik mit motivischer Aufsplitte rung zu einem dynamischen The mendualismus und zu einer kon trastreich-variablen Themenverar- beitung. Der Konzertgattung nun aber auch solch neues, ein allseits befriedigendes Gepräge zu ge ben, ein neues Formgewand über zustreifen, war in Verbindung mit der benötigten Balance zwischen Solo und Tutti viel schwieriger, als 1756 veröffentlichte Leopold Mozart den „Versuch einer gründ lichen Violinschule", ein Werk, das rasch über Ländergrenzen hinweg für viele Jahrzehnte zu einem Standardwerk wurde. so hervorzutun? Der junge Mozart muß ein hervorragender Geiger gewesen sein. Wie gut, zeigt allein schon eine Briefnotiz (1777) seines Vaters, der als anerkannter Geiger im Geburtsjahr dieses Sohnes eine vielbeachtete Violinschule veröffent licht hatte, also wußte, wovon er sprach: „Du weist selbst nicht wie gut du Violin spielst, wenn du nur dir Ehre geben und mit Figur, Herz haftigkeit, und Geist spielen willst, ja, so, als wärest du der erste Vio linspieler in Europa. ... o wie manchmal wirst du einen Violin spieler, der hochgeschätzt wird, hören, mit dem du Mitleiden haben wirst!" Möglicherweise verlangte sein Dienstherr solche Solokonzerte nicht ausdrücklich, und Mozart hat te mit allen anderen Aufgaben schon genügend zu tun. Im Jahre 1775 hatte der junge Mann in München mit seiner Oper „La finta giardiniera" (Die Gärtnerin aus Lie be) rechten Erfolg. Er spielte bei Hofe und besuchte Gesellschaften. Und wieder erhoffte er sich eine Anstellung. Auch daraus wurde nichts. Er ging nach Salzburg zurück und stürzte sich erneut in seine kompositorische Arbeit. Und urplötzlich im Laufe des Jahres 1775, innerhalb von nur acht Mo naten komponierte er - quasi am Stück-fünf Violinkonzerte. (Neuere Erkenntnisse sind zu der Auffas sung gelangt, daß das erste Violin konzert bereits 1773, kurz nach der letzten Italienreise, entstanden sein könnte.) Es mag also durchaus