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ZUR EINFÜHRUNG Beethoven hat nur ein einziges Violin konzert, vorher noch sein Tripelkonzert mit Klavier, Violine und Violoncello komponiert. Allerdings existieren noch zwei, auch heute sehr beliebte Romanzen aus früherer Zeit. Persönlichkeit und seiner Wesens art angemessener waren. Auch das gelang ihm. Nun kamen für ihn größere Orchesterwerke an die Reihe. Als Dreißigjähriger kompo nierte er seine erste Sinfonie. Kurz vorher waren seine ersten beiden Klavierkonzerte entstanden. Diese Zeit erlebte einen hochbegabten Menschen, der voller weitgreifen der Pläne steckte, eine Kämpfer natur, mit der er sich möglichst die ganze Welt erobern wollte. Wir er kennen in ihm einen Mann, der da meinte, daß die Kraft die Moral solcher Menschen sei, die sich vor anderen auszeichnen, „und sie ist auch die meinige". Jedenfalls hatte Beethoven schon Erfolg auf seinem eingeschlagenen Weg. „... man accordirt nicht mehr mit mir, ich fordere und man zahlt ...", schrieb der Komponist über die Beziehun gen zu seinen Verlegern. „... ich kann sagen, daß ich mehr Bestel lungen habe, als es fast möglich ist, daß ich machen kann." Um die Jahrhundertwende hatte Beethoven sich als Sinfoniker, als Orchesterkomponist wirklich Ge hör verschafft, trat in die Spur der Großen seiner Zeit. Weitere Großwerke folgten alsbald und festigten seinen Ruf. Im Jahre 1806 komponierte er sein Violinkonzert D-Dur. Zu dieser Zeit war die 4. Sinfonie fertig, die drei Streich quartette op. 59 (Rasumowsky- Quartette) wurden abgeschlossen und auch das 4. Klavierkonzert lag vor. Der Komponist hatte einen er sten Höhepunkt in seinem Schaffen längst erreicht. Es ist nicht bekannt, ob es einen äußeren Anlaß, einen Auftrag oder eine Bitte gab oder ob sich Beethoven aus eigenem Antrieb dieser Aufgabe stellte. Das Werk wurde jedenfalls seinem Jugendfreund aus Bonner Tagen, Stephan von Breuning, gewidmet. Am 23. Dezember 1806 führte es der damals sehr berühmte Geiger Franz Clement (1780 bis 1 842) im Theater an der Wien erstmals auf. Beethoven hatte es gerade erst fertiggestellt, zwei Tage vor der längst angesetzten „musikalischen Akademie". Das Material war noch tintennaß, und der Solist geigte quasi vom Blatt. So recht be friedigend scheint die Resonanz weder beim Publikum noch bei der Presse gewesen sein. Das aber lag wohl kaum am Vortrag, denn Clement habe das Konzert „mit größter Wirkung produziert", be richtete ein Zeitgenosse. Das Werk selbst jedenfalls scheint nicht auf uneingeschränkte Gegenliebe ge stoßen zu sein. Bedenkt man, wel che Enttäuschungen Mozart Ende der 80er Jahre in Wien erleben mußte, als Subskribenten für seine Konzerte ausblieben, weil er ei nem unterhaltungsbedürftigen Pu blikum genaueres Hinhören abver langte, so wird verständlich, daß der selbstbewußt-fordernde Beetho ven auch immer wieder an solche Klippen stoßen mußte. Uns mag es heute schwer verständlich erschei nen, aber dieses Violinkonzert wirkte neuartig, schlug aus der Art, hatte bisherige Bahnen verlassen,