Volltext Seite (XML)
Zarathustra (oder Zoroaster) war ein sagenumwobener Religionsstifter aus weit vorchristlicher Zeit, der mit seinen Lehren sowohl bei den Juden als auch späterhin in der beginnenden christlichen Lehre Einfluß gewann. August hinein. Und schon am 27. November 1 896 dirigierte der Komponist sein neuestes Werk selbst bei den Frankfurter Muse umskonzerten. Was aber ist das nun für ein Werk? Strauss nannte es anfangs in einem Untertitel - noch etwas spitzbü bisch - „Symphonischer Optimis mus in fin de siecle-Form, dem 20. Jahrhundert gewidmet". Doch es war ihm ernst, wenn auch nicht mit einer musikalischen Form von verklausulierter Philosophie. Dafür war er nicht der Mann. Er sah Bil der und wollte diese erklingen las sen. Er wollte nicht Daseinsrätsel lösen, nicht - wie Gustav Mahler - die Erlösung des Menschen suchen, war auch weit entfernt von Bruck ners tönendem Gottesglauben. Strauss war Musiker und Realist, kannte seine Metier, seine Mittel und auch seine Grenzen. Er wußte aber auch, wie menschliche Gefüh le zu schildern oder anzuregen sind. Strauss suchte nach den Höhepunkten der Dichtung (das ist sie wohl eher als Philosophie) und verband acht Fragmente und ein (nicht von Nietzsche inspiriertes) „Nachtwandlerlied" zu einem ein zigen sinfonischen Gedicht. Uber der Partitur steht auch absichtsvoll „frei nach Nietzsche". Aber dieser Partitur hatte Strauss auch Zarathu stras Vorrede vorangestellt, das selbstbewußte Wort eines Mannes, welcher der Sonne, dem „großen Gestirn" sagen kann: „Was wäre dein Glück, wenn du nicht die hät test, welchen du leuchtest!" Romain Rolland, der französische Dichter, Kritiker und Freund von Richard Strauss, würdigte den „Zarathu stra" sehr engagiert in seinem Buch „Musiker von heute". Er mein te, Strauss verteidige seine eigene Freiheit auch Nietzsche gegenü ber. „Er hat die verschiedenen Ent wicklungsstufen darstellen wollen, die ein freier Geist durchmacht, um zum Übermenschen' zu gelangen. Das sind rein menschliche Ideen und in keiner Weise die Errungen schaften eines philosophischen Systems ... Man sieht darin den Menschen, der anfangs, vom Rät sel der Natur erschüttert, eine Zuflucht im Glauben sucht. Dann empört er sich gegen die aske tischen Ideen und stürzt sich toll in die Leidenschaften. Doch bald ist er übersättigt, angeekelt, lebens überdrüssig; er versucht es mit der Wissenschaft, verwirft sie wieder und gelangt dahin, sich von der Unruhe nach Erkenntnis zu be freien, indem er schließlich seine Befreiung im Lachen findet. Das Lachen ist der Herr der Welt, der glückselige Tanz, der Rundtanz des Weltalls, wo alle menschlichen Ge fühle mitspielen: religiöser Glaube, unbefriedigte Wünsche, Leiden schaften, Ekel und Freude. ... Dann entfernt sich der Tanz, verliert sich in überirdischen Regionen. Zara thustra entschwindet tanzend jen seits der Welten - aber er hat nicht für die andern Menschen das Welt rätsel gelöst, er setzt daher auch dem harmonischen Glanz, der ihn charakterisiert, die traurige Frage