Billroth, ein Chirurg und enger Freund Brahms, hörte in diesem Satz „Trotz“ und „Sehnsucht“ und brachte ihn auch mit Faust in Verbin dung. In lichtem E-Dur erscheint der zweite Satz „Andante sostenuto“. Auch in ihm findet sich das Dreitonmotiv. Von der Oboe wird eine wunderschöne kantable Weise angestimmt, und das daran anknüpfende Violinsolo in der Coda ist mit seinem Streben zu höchsten Höhen mehr als berührend. Das Allegretto, der dritte Satz, wurde von Karl Geiringer als ein Lächeln unter Tränen gedeutet. Ein lebhafter und sich dann vital stei gernder Mittelteil wird von kammermusikalischen und grazilen Ab schnitten umrahmt. Nun zur Krönung des fast dreiviertel Stunden dauernden Werkes, zum Finalsatz. Eine breit angelegte, durchaus beunruhigende Adagio- Introduktion führt zu dem wahrhaft überirdisch anmutenden Einsatz des bekannten Hornthemas. Es ist eine schweizerische Alphornmelodie, die Brahms auf einer Ansichtskarte an Clara Schumann mit folgendem Text unterlegte: „Hoch vom Berge, tief im Tal, grüß ich dich vieltau sendmal.“ Ein feierlicher Choral antwortet, und freudige Stimmung verbreitet auch das Seitenthema. An ein Motiv aus Wagners „Fliegen dem Holländer“ erinnert das rhythmisch markante dritte Thema des Satzes. Wenn dann das Alphornthema in monumentaler Weise erneut aufleuchtet, ist der Höhepunkt nicht nur dieses Symphoniesatzes erreicht. Die erste Symphonie von Brahms wurde im großherzoglichen Hof theater in Karlsruhe am 4. November 1876 uraufgeführt. Bereits wenige Wochen danach wurde sie in Wien begeistert gefeiert.