W ie viele Komponisten des neunzehnten Jahrhunderts empfand Johannes Brahms das Vorbild des Symphonikers Beethoven als übermächtig. Er verglich ihn mit einem Riesen, der ständig hinter ihm hermarschiert. Wie mag Brahms dann zumute gewesen sein, als Hans von Bülow seine Erste als die „Zehnte Beethovens“ bezeichnete? Dieser Symphonie gingen zahlreiche Versuche voraus, nicht zuletzt jener d-moll Satz, aus dem das 1. Klavierkonzert entstand. Diese vorbereitenden Arbeiten erstreckten sich über fast eineinhalb Jahrzehnte, während er dann alle seine vier Symphonien binnen zehn Jahren schuf. Die Erste von Brahms ist eindeutig eine „Finalsymphonie“, das heißt, dass der gewichtigste Satz der Schlusssatz ist. Dieser und der erste Satz rahmen die beiden Mittelsätze ein, die sich nicht in der herkömmlichen Weise voneinander unterscheiden. Eher dann als ein langsamer Satz und ein Scherzo sind sie als Intermezzi zu betrachten. Wie vielen Werken Beethovens, so dem Klavierkonzert Nr. 5, ist auch der Ersten von Brahms Monumentalität und Pathos eigen. Bereits in der Sostenuto-Einleitung des ersten Satzes erscheint die motivische Keim zelle des Ganzen: es ist eine zweimal erklingende, chromatisch aufstei gende Linie in den Violinen. Die ersten drei Töne dieser Linie haben den Charakter eines Leitthemas. Der Satz verläuft nach dem Muster eines Sonatenhauptsatzes im klassischen Sinn, jedoch kann man bereits in der dreiteiligen Exposition Durchführungsarbeit orten. Theodor von