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Ludwig van Beethoven Konzert für Klavier und Orchester Nr 5 Es-dur Opus 73 Mit dem fünften und letzten seiner Kla vierkonzerte gelang Beethoven ein in sich selbst ruhendes, Kraft und Selbstsicher heit ausstrahlendes Werk, dem nirgendwo anzumerken ist, unter welchen physisch und seelisch bedrückenden Umständen es entstanden ist. 1809 überrollten Napole ons Armeen die österreichischen Vertei digungslinien, schlugen die habsburgi schen Truppen vernichtend bei Wagram (in Niederösterreich) und belagerten in Win deseile die Hauptstadt Wien. Nur in höch ster Eile konnte sich der Hof und der hohe Adel nach Ungarn oder Böhmen retten; für die Verteidigung oder gar die Versorgung der Bevölkerung wurde nur wenig Vorsor ge getroffen. Als französische Artillerie Wien umgangen und vom Osten her be schossen hatte, wurden schnell die weißen Fahnen aufgezogen. Die Menschen aber litten bittere Not, die Brotpreise stiegen um das Dreifache. Inmitten dieses Elends schloss Joseph Haydn für immer die Au gen, schon versteinert zum müden, apathi schen Greis. Beethoven schilderte im Juli seinem Verleger Breitkopf und Härtel in Leipzig plastisch die Verhältnisse: Mein lieber Herr, sie irren sich wohl, wenn sie mich so wohl glaubten wir haben in die sem Zeitraum ein recht zusammenge drängtes Elend erlebt, wenn ich ihnen sage, dass ich seit dem 4ten May wenig Zusammenhängendes auf die Welt ge bracht, beynahe nur hier oder da ein Bruchstück - der ganze Hergang der Sa chen hat bei mir auf Leib und Seele ge wirkt: noch kann ich des Genusses des mir so unentbehrlichen Landlebens nicht theilhaftig werden - meine kaum kurz ge schaffene existenz beruht auf einem Lok- keren Grund ... Die Kontributionen fan gen mit heutigem dato an - welch zer störendes wüstes Leben um mich her, nichts als Trommeln, Kanonen, Men- schen-Elend in aller Art -Auch als deutsch fühlender Mann litt Beethoven unter der Schmach des Vaterlandes. Der fatal durchlebte Sommer und ein gewisser trauriger Nachall des gesunkenen, noch einzigen deutschen Landes, zwar nicht ohne Schuld, verfolgt mich immer. Die ser deprimierten Stimmung konnte er sich auch in den folgenden Jahren nicht entzie hen, sie war wohl auch die tiefere Ursa che verschiedener körperlicher Leiden, die ihn in den böhmischen Bädern Heilung suchen ließen. Umso erstaunlicher und eben kennzeichnend für Beethovens Selbstbehauptungswillen, für den Trotz seiner Auflehnung und für seinen unver letzten Freiheitsglauben ist die Komposi tion dieses kraftvollen Es-dur-Konzertes inmitten äußerer und innerer Bedrückun gen. Als im August 1809 die französische Belagerung Wiens gelockert wurde, Han del und Wandel zaghaft wieder in Gang kamen, floh Beethoven hinaus in den lan ge entbehrten Landaufenthalt. In Baden bei Wien, zu Füßen des beruhigenden Wiener walds, ergoss sich ein ganzer Strom von Schöpfungen nach langer Stauung: Das Es-dur Klavierkonzert, das Harfen quartett op. 74, die drei Klaviersonaten op. 78, 79 und 81, eine Fantasie, Variationen, zwei Militärmärsche und die Konzeption der Egmont-Musik, ein hohes Lied des Freiheitsstrebens. Die in den englisch sprechenden Län dern übliche Bezeichnung "Emperor