Als junger Mann halte Mahler für sich die Sammlung „Des Knaben Wunder horn“ (1806-1808; Achim von Arnim und Clemens Brentano) entdeckt. Diese Gedichte in romanti schem Volkston sollten eine seiner wichtigsten Inspira tionsquellen werden. Hier fand er seine ei genen Empfindungen gespiegelt: gebrochene Naivität, hintergrün digen Humor, Natur liebe, Mitleid mit den Verlorenen, Abschied und Sehnsucht nach dem Ursprünglichen. Er vertonte solche Texte oder schuf eigene, ganz im Stile dieser Vorbilder. nicht nur Liedthemen, sondern setzte auch die menschliche Stimme in einigen Sinfo nien ein und komponierte darüber hinaus mehrere Werkzyklen von Orchesterliedern. Eine unglückliche Liebe des Kapellmeisters Mahler, damals am Kasseler Theater ange stellt, war der Auslöser für die Komposition eines Liederzyklus’ für Singstimme und Klavier (1883): die Lieder eines fahrenden Gesellen, ursprünglich sechs, 13 Jahre spä ter, als er diese Lieder instrumentierte, auf vier reduziert. Die Texte hat Mahler ganz unter dem Einfluß der „Wunderhorn“-Ge- dichte selbst geschrieben. Text wie Musik streben einen Volkston an, der jedoch ge brochen wirkt. Die romantische Direktheit der Verse (Klage des Liebenden, der seinen Schatz an einen anderen verloren hat) wird von einer Musik konterkariert, die in ihrem Schwanken zwischen Dur und Moll recht „modern“ klingt. Jedes Lied hat seinen speziellen Charakter, eine eigene Aussage: Ein romantisches Naturbild ist es im ersten, das Bild des Wanderers, des unglücklichen Heimatlosen im zweiten - übrigens in Mahlers 1. Sinfonie von großer thematischer Bedeutung -, ein vehementer Verzweiflungsausbruch begegnet uns im dritten, einer dramatischen Szene, tröstlich das vierte, die Verzweiflung ist resignativer Erinnerung gewichen. Der Schluß dieses vierten Liedes („Auf der Straße stand ein Lindenbaum“) ging in den zwielichtigen Trauermarsch der 1. Sinfonie ein. Mit einem trostvollen Abgesang, der „Welt und Traum“ zusammenfließen läßt, schließt Mahlers wohl persönlichster Liederzyklus. Die in unserem Konzert erklingende kam mermusikalische Fassung dieser Lieder stammt von Arnold Schönberg aus dem Jahre 1920.